Hühner im Kindergarten:Da waren's nur noch zwei

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Der Integrationskindergarten am Falkensteinweg hat von der Seidlhof-Stiftung drei Hennen bekommen. Die Kinder erfahren viel über Nutztiere und Lebensmittel. Und sie lernen etwas über Leben und Tod.

Von Gudrun Passarge, Garching

Spaghetti ist eindeutig die Neugierigste. Die Henne hat Stimmen gehört und ist sofort da. So hätte die Geschichte über die Hühner im städtischen Kindergarten am Falkensteinweg eigentlich anfangen sollen. Aber wie das Leben so spielt, Spaghetti ist inzwischen gestorben, an Altersschwäche. Übrig sind noch Trudi und Lizzi, die anderen beiden "alten Damen", die von den Kindern liebevoll versorgt werden. Die Aussicht auf ein frugales Mahl lässt sie die Saukälte vergessen. Ohne jede Scheu steuern sie auf Germans zu, der den Eimer trägt.

Der Bub hat zusammen mit Luisa und Eslam Hühnerdienst. Die drei stehen dick eingemummelt im Garten des Kindergartens Falkenstein. Sie machen das prima, schon wie alte Hasen. Lizzi kann es kaum erwarten, sie pickt sich die Salatblätter aus dem Eimer. Berührungsängste sind auf beiden Seiten nicht zu spüren. Später geben die Kinder den Hühnern auch noch Kohlrabischalen und Erdbeerreste. Ein Hauch von Bauernhofidylle im Kindergarten - die Seidlhof-Stiftung hat's möglich gemacht.

Die Hühner sind nur Gäste auf Zeit. Bis zum Sommer haben die 45 Kinder des Integrationskindergartens und ihre Betreuerinnen Gelegenheit, diese Nutztiere besser kennenzulernen und natürlich hie und da auch ein paar Eier aus den Nestern zu klauben. "Für die Kinder ist das unheimlich bereichernd", erzählt Claudia Pietsch, eine der beiden Leiterinnen des Kindergartens. Als eine der Kolleginnen von dem Angebot der Seidlhof-Stiftung erfahren hat, sei die Begeisterung gleich groß gewesen, zumal der Kindergarten sich gerade von einem Hund verabschieden musste. Er hatte stets eine Kollegin begleitet, "aber sie hat uns verlassen", und damit ist auch der Hund nicht mehr da.

Vier Hühner der Stiftung leben in Augsburg

Die Seidlhof-Stiftung in Gräfelfing hat das Ziel, den ökologischen Land- und Gartenbau zu fördern und hat auch einige Aktionen für Kinder im Programm. Die Hühner gehören seit etwa vier Jahren dazu, berichtet Marco Zehner. Der Agraringenieur ist bei der Stiftung unter anderem für die Tiere zuständig. Momentan gibt es nur noch diese zwei Hühner, die anderen vier haben eine neue feste Bleibe in Augsburg gefunden. "Wir haben sie samt Stall an die Schule verkauft", sie wollten sich nicht mehr von ihnen trennen. Zehner berichtet, die Hühner hätten schon viele Stationen hinter sich. Zuletzt waren Spaghetti, Trudi und Lizzi an einer Grundschule in Krailling unterwegs, dort aber sicherlich noch unter anderen Namen, denn die vergibt jede Einrichtung selbst.

Der Stiftung, die auch einen Umwelt- und Bildungsauftrag verfolgt, gehe es darum, den Kindern zu zeigen, wie die Produktion von Lebensmitteln funktioniert, was ökologische Haltung bedeutet und wie man mit Nutztieren umgeht. Dass es sich bei den Hühnern um Nutztiere handelt, ist Zehner ganz wichtig. Im Stuhlkreis hat er gleich am ersten Tag auch alle im Kindergarten darüber aufgeklärt, dass man die Hühner nicht zu sehr verhätschelt und dass sie, wenn sie alt sind, auch als Suppenhuhn enden können.

Die Stiftung hat bisher stets positive Erfahrungen mit ihrem Hühnerprojekt gemacht. Eltern hätten berichtet, dass ihre Kinder beim Eierkauf jetzt auf die Stempel auf den Eiern achten würden, die zeigen, ob sie aus konventioneller oder ökologischer Haltung stammen. Die Lehrerin hatte den Kindern das gezeigt. "So soll es im besten Fall auch laufen", sagt Zehner. Er könnte sich noch ganz andere Zusammenarbeiten vorstellen. Beispielsweise mit Berufsschülern, die solche Hühnerställe wie die der Stiftung nachbauen und sie dann dem Kindergarten oder der Schule zur Verfügung stellen, damit die Kinder dort ihre Hühner betreuen können.

Die tierischen Gäste kommen auch bei den Eltern gut an

Doch der Stall, in dem Trudi und Lizzi jetzt wohnen, gehört der Stiftung. Und der Transport nach Garching war auch das einzige, was der Kindergarten bezahlen musste, berichtet Claudia Pietsch. Alle sammeln jetzt die Grünabfälle und das ökologische Körnerfutter wird hinzugekauft. Jeden Tag haben andere Kinder Hühnerdienst, damit jeder mal drankommt - auch mit dem Ausmisten, denn das gehört genauso dazu. Und wenn Eier im Nest liegen, darf sie der Hühnerdienst auch nutzen. "Aber es ist nicht so, dass jedes Huhn jeden Tag ein Ei legt", sagt Pietsch, die Hühner seien schon älter und im Winter legten sie eh nicht so gut.

Die tierischen Gäste kommen gut an, auch bei den Eltern, berichtet die Leiterin. So hätten sich viele bereitwillig für die Wochenenddienste eingetragen. Damit die Hühner nicht das ganze Gelände verdrecken, sind sie mittlerweile eingezäunt. Sorgen haben sich die Erzieherinnen auch um die tierärztliche Versorgung gemacht. Pietsch hat deswegen mit Marco Zehner telefoniert und erfahren, dass so ein Huhn zwölf Euro koste. "Sie sehen das sehr realistisch. Es muss ihnen gut gehen, aber man muss es nicht übertreiben", sagt Pietsch über die Haltung der Stiftung.

Dass nun eines der Hühner tot ist, gehört wohl dazu. "Die Kinder haben es erstaunlich gefasst aufgenommen." Spaghetti war am Wochenende gestorben, am Montag haben die Kinder sie gemeinsam begraben. "Aber es hat die Kinder in den nächsten Tagen schon beschäftigt. Sie sind immer wieder hingegangen und haben sich eine Weile dort hingesetzt", berichtet Erzieherin Andrea Schröttle. Auf dem Grab liegt ein Foto der Hühnerdame mit dem lustigen Namen. Immerhin blieb ihr ein Ende als Suppenhuhn erspart.

© SZ vom 28.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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