Hohenbrunn:Mehrwert für die Gemeinde

Lesezeit: 3 min

Ein Ort ohne Supermarkt von oben: In Hohenbrunn wir darüber diskutiert, wie mit dem Areal südlich des Sportplatzes verfahren werden soll. (Foto: lks)

Gemeinderäte sehen sich von einem Investor überrollt, der ein Wohngebiet schaffen will. Bürgermeister Straßmair soll erst aufzeigen, wie Planungsgewinne für das Allgemeinwohl gesichert werden können

Von Christina Hertel, Hohenbrunn

Eigentlich hört sich der Plan gut an: ein Supermarkt für Hohenbrunn, der erste - sonst gibt es in dem Ort keinen, dazu Wohnbebauung, Ein- und Mehrfamilienhäuser, alles an der Putzbrunner Straße südlich des Sportparks. Gute Idee, aber eben nur eigentlich. Einem Aufstellungsbeschluss, der diese Pläne konkreter machen würde, konnte die Mehrheit des Gemeinderats bei der jüngsten Sitzung nicht zustimmen. Bereits zum zweiten Mal wurde der Antrag vertagt. Der Grund: Eine Garantie, dass auch günstiger Wohnraum entsteht, gibt es nicht.

Vor etwa einem Monat stellte der Investor, die Firma Michael Dankerl Bau, seine Pläne für das Gebiet vor. Das Bauunternehmen hatte die Fläche zuvor - sie ist insgesamt etwa 17 000 Quadratmeter groß - den Eigentümern abgekauft. Der Gemeinderat erfuhr davon erst in der Sitzung Ende Januar. Doch um eine Bebauung zu realisieren, braucht es seine Zustimmung. Und eine Änderung des Flächennutzungsplans.

Aus Ackerland müsste Fläche für Wohnbebauung werden. Das würde, sagt Regina Wenzel von der SPD, den Wert des Areals steigern. "Ein Quadratmeter Bauland kostet hier zwischen 1200 und 1400 Euro." Ackerland sei weit weniger wert. "Wir müssen da auch etwas für die Gemeinde rausholen." Wenzel denkt an bezahlbaren Wohnraum, an Modelle wie die sozialgerechte Bodennutzung.

"Es kamen seitens der Verwaltung keine Vorschläge."

Auch die Gemeinde Putzbrunn hat sich Ende des vergangenes Jahres dafür entschieden, die Stadt München praktiziert das Konzept seit mehr als 20 Jahren. Es beruht auf zwei Prinzipien: Grundeigentümer müssen sich an den Folgekosten ihrer Planungen beteiligen - zum Beispiel, wenn durch den Bevölkerungszuwachs neue Kindergärten und Schulen gebraucht werden. Und zweitens: Der Investor muss gleichzeitig sozial geförderten Wohnraum herstellen oder zumindest dafür mitbezahlen. Wie genau das Modell in Hohenbrunn aussehen könnte, darauf möchte sich Wenzel nicht festlegen.

Doch Fakt ist: Wenn der Gemeinderat dem Aufstellungsbeschluss einmal zugestimmt hat, besteht hinterher keine Möglichkeit mehr, etwas daran zu ändern. Um zu klären, wie für die Gemeinde möglichst günstige Bedingungen geschaffen werden könnten, vertagte das Gremium schon einmal den Antrag. Nun stand er nur eine Woche später wieder auf der Tagesordnung. Doch verändert habe sich nichts, sagt Karlheinz Vogelsang von den Freien Wählern. "Es kamen seitens der Verwaltung keine Vorschläge. So funktioniert die Arbeitsweise nicht."

Thomas Wien, der Geschäftsleiter der Gemeinde, teilt diese Ansicht nicht. Zwar sei der Antrag der gleiche gewesen, doch das ist laut Landratsamt auch normal: Eine Änderung des Antrags wäre gar nicht zulässig. Denn eine Vertagung ersetze die eine Entscheidung nicht. "Dementsprechend", schreibt die Sprecherin des Landratsamts Christina Walzner, "ist der Antrag zwingend in der nächsten Gemeinderatssitzung vom Vorsitzenden auf die Tagesordnung zu setzen."

Nur finden Sitzungen normalerweise nicht jede Woche, sondern einmal im Monat statt. Gewünscht hätten sich viele Gemeinderäte konkrete Vorschläge der Verwaltung, die allerdings nicht gekommen seien. Laut Wien hat die Verwaltung im Vorfeld Unterlagen verschickt und auch in der nicht öffentlichen Sitzung habe es einen ausführlichen Sachvortrag gegeben. Gereicht hat das offenbar nicht.

Grundsätzlich sind alle Fraktionen für einen Supermarkt

Noch etwas stört Vogelsang: Normalerweise würden sich Eigentümer, bevor sie so ein großes Grundstück verkaufen, an die Gemeinde wenden. Dann könnte man die Bedingungen für eine Bebauung besprechen. Doch das sei nicht passiert. Der Investor kaufte das Grundstück und präsentierte später seine Vorstellungen. "Die Gemeinde hat das Gestaltungsrecht. Wir dürfen uns von Investoren nicht erpressbar machen", sagt Vogelsang.

Auch Martina Kreder-Strugalla von den Grünen schreibt: Eigentlich sei es Konsens, dass bei Neubauprojekten ein Mehrwert für die Gemeinde geschaffen werden solle. "Deshalb hatten wir erwartet, dass Bürgermeister Straßmair rechtzeitig absichert, dass ein Teil der Fläche für ein soziales Wohnbauprojekt zur Verfügung steht." Doch dies sei nicht erfolgt. "Ob dieses Versäumnis noch zu heilen ist, muss eingehend geprüft werden." Auch das Bürgerforum schreibt von einem Versäumnis Straßmairs und von einem "merkwürdigen Vorgehen" seinerseits. Er habe die Planungshoheit aus den Händen gegeben.

Grundsätzlich, das betonen Bürgerforum, Grüne, SPD und Freie Wähler, seien alle für einen Supermarkt und eine Bebauung. Aber eben unter den richtigen Bedingungen. "Die Entscheidung kann man nicht übers Knie brechen", schreibt Kreder-Strugalla. "Hier geht Gründlichkeit vor Schnelligkeit." Nur CSU und FDP stimmten in der Sitzung gegen eine Vertagung. Die Christsozialen sprechen von einer "Bebauungsplanblockade", die aufgehoben werden müsse.

Es sei eine Chance vertan worden, Wohnraum zu schaffen. Einfluss habe die Gemeinde zum Beispiel auch bei den Wohngrößen. Regina Wenzel von der SPD sagt: "Im Raum München können schnell auch Appartements unbezahlbar werden." Ihre Fraktion, aber auch das Bürgerforum, wollen in den kommenden Wochen Anträge stellen, die ihre Pläne für günstigen Wohnraum konkreter machen.

© SZ vom 27.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: