Halbzeit im Rathaus Baierbrunn:Sympathieträgerin mit Nachholbedarf

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Beim Richtfest für ein neues Gebäude des Verlags Wort und Bild konnte Barbara Angermaier schon mal üben. Bis die neue Grundschule steht, wird es noch eine Weile dauern. (Foto: Angelika Bardehle)

Bürgermeisterin Barbara Angermaier hat mit ihrer offenen Art große Hoffnungen geweckt. Inzwischen beklagen viele Gemeinderäte, dass sie sich verzettelt. Bei den Vereinen ist die Parteifreie beliebt.

Von Christina Jackson, Baierbrunn

Bürgermeisterin Barbara Angermaier ist eine freundliche Frau. Gäste im Gemeinderat begrüßt sie oft per Handschlag, die Vertreter der Fraktionen spricht sie mit ihren Vornamen an. Es war ihr zu Beginn der Legislaturperiode ein großes Anliegen, dass alle politischen Meinungen im Gremium ausreichend Raum finden. Mehr noch: Wichtige Themen sollten in Arbeitskreisen vertieft werden. Das brachte ihr am Anfang viele Sympathien über die Fraktionsgrenzen hinaus ein.

Ihr CSU-Amtsvorgänger Eugen Kramer, ein Beamter und Verwaltungswirt, pflegte einen nüchternen Politikstil und hatte für langwierige Diskussionen nichts übrig. Informationen, so heißt es noch heute aus den Fraktionen, habe Kramer nur spärlich weitergeleitet. Das sollte sich unter Angermaier ändern. Doch heute, drei Jahre nach dem Amtsantritt der gelernten Innenarchitektin von der Baierbrunner Interessengemeinschaft, hat sich Ernüchterung bei den Gemeinderäten eingestellt.

Dabei betonen alle Mandatsträger die Sympathie, die sie der Rathauschefin entgegenbringen. In den Gesprächen mit den Lokalpolitikern fällt immer wieder dieser Satz: "Frau Angermaier hat sich zu viel vorgenommen und dabei verzettelt." Ein Thema, das zuverlässig die Gemüter erhitzt, ist die Grundschulerweiterung. Seit Jahren beschäftigen sich die Baierbrunner mit ihrer Schule aus dem Jahr 1958. Das Gebäude ist in die Jahre gekommen und angesichts steigender Schülerzahlen zu klein.

Angermaier berief zunächst einen Arbeitskreis zum Thema Mittagsbetreuung ein und erntete erste Proteste. Die SPD-Gemeinderätin und ehemalige Bürgermeisterkandidatin Michaela Lichtblau verließ entnervt das Gremium. Sie hatte gefordert, das Für und Wider der Optionen öffentlich zu diskutieren. Stattdessen habe es den Arbeitskreis gegeben, der ihres Erachtens "nichts anderes als eine nichtöffentliche Gemeinderatssitzung" gewesen sei. Die Bürgermeisterin entschied als nächstes, ein Bürgerforum zur Grundschulerweiterung zu veranstalten. Dieses Mal sollten die Menschen am Ort mitbestimmen. Die Pläne wanderten zurück in den Gemeinderat, der sich zu einer Erweiterungsvariante durchringen konnte, was schließlich von einem Bürgerbegehren gestoppt wurde. Mittlerweile steht fest: Ein Neubau kommt.

Es sei an der Zeit, Entscheidungen zu treffen

CSU-Gemeinderat Bernhard Ketterl zeigt sich nach drei Jahren Amtszeit Angermaier desillusioniert. Man habe viel geredet und wenig erreicht. Für die vertiefenden Gesprächsrunden zum Thema Schulerweiterung findet er heute nur noch spöttische Formulierungen: "Wer nicht mehr weiter weiß, bildet einen Arbeitskreis. Dieser Spruch trifft die Situation am besten." Die Bürgermeisterin habe es allen Beteiligten recht machen wollen, dabei sei es an der Zeit, Entscheidungen zu treffen. Ketterl: "Wenn ich drei Gutachten anfertigen lasse, habe ich am Ende möglicherweise drei Empfehlungen, die mich auch nicht weiterbringen." Trotzdem schätzt der CSU-Politiker Angermaiers Bürgernähe und ihre Lernfähigkeit. "Sie hat mehr und mehr verstanden, worauf es ankommt."

Ist seit drei Jahren Bürgermeisterin von Baierbrunn: die Parteifreie Barbara Angermaier. (Foto: Claus Schunk)

Mit großen Hoffnungen startete auch Robert Gerb von den Grünen in die Amtsperiode mit Bürgermeisterin Angermaier. Doch nach drei Jahren lautet seine Bilanz: "Wenig geht voran." Im Zuge der Arbeitskreise sei nichts Produktives entstanden, das Bürgerforum habe mehr Verwirrung gestiftet als Klärung. Er vermutet, dass die Rathauschefin ohnehin mit einem Neubau der Grundschule geliebäugelt habe. Allerdings stellte er nach der Amtszeit von Bürgermeister Kramer eine größere Offenheit und Transparenz in der Informationsweitergabe fest. Ein Aspekt, der mit den Jahren der Verantwortungsübernahme weiter in den Hintergrund gerückt sei. "Zuweilen habe ich das Gefühl, dass es Tatsachen gibt, von denen wir nichts erfahren."

Gerb wünscht sich für die kommenden drei Jahre mehr Innovationen und einen stringenten Kurs. "Auf einem guten Weg" sieht hingegen Vizebürgermeister Wolfgang Jirschik von der Überparteilichen Wählergruppe Baierbrunn die Rathauschefin. "Wir müssen jetzt nach vorne schauen. Alles andere ist Vergangenheit." Angermaier habe eine große Erblast übernommen, die sich aus der Vielzahl der Vorhaben für den Ort ergeben. Sie habe zu viel des Guten gewollt und sich deshalb übernommen. Allerdings sei sie nun im Amt angekommen und zeige Veränderungswillen. Jirschik wünscht sich für die Zukunft eine größere Einbindung der Kompetenzen im Gemeinderat. "Wir haben so viele Mitglieder, die ihre Berufserfahrung einbringen können. Darauf sollte sich die Bürgermeisterin jetzt stützen."

Angermaier gilt als bürgernah

Optimistisch blickt auch der SPD-Politiker Anton Lechner auf die kommenden drei Jahre. "Die Erfahrungen, die Frau Angermaier in den vergangenen Jahren gemacht hat, haben sie vorangebracht." Er geht davon aus, dass Entscheidungen im Gemeinderat künftig schneller getroffen werden und lobt die Bemühungen der Bürgermeisterin für eine Verbesserung der örtlichen Infrastruktur.

Bürgernah ist ein Stichwort, das in den Gesprächen mit den Vereinsvertretern immer wieder fällt. Schützenmeisterin Waltraud Jauß kommt ins Schwärmen, wenn es um die Errungenschaften Angermaiers geht. "Dass unser Dorffest regelmäßig stattfindet, haben wir unserer Bürgermeisterin zu verdanken." Endlich sei man in der Lage, bei jedem Wetter zu feiern, denn Angermaier habe es mit der Errichtung eines Zelts geschafft, einen "wetterunabhängigen Treffpunkt" für Vereine und Bürger anbieten zu können. Sie sei auch bei Querelen das ausgleichende Moment und jederzeit erreichbar.

Eine Meinung, die Gerold Wehr vom Sportclub Baierbrunn teilt. Sein Dauerthema ist die Anschaffung eines neuen Kunstrasens für den Verein. In Eigenleistung haben die Mitglieder bereits die maroden Sanitäranlagen mit Duschen, elektrischen Leitungen und Warmwasserkessel saniert. Seit fünf Jahren ist Wehr um die Anschaffung des Kunstrasens bemüht. Er weiß allerdings auch um die Finanzen der Gemeinde, der mit dem Grundschulneubau enorme Ausgaben bevorstehen. "Trotzdem hat uns Frau Angermaier signalisiert, dass sie uns nicht hängen lässt." Sobald absehbar werde, wo die Schule entsteht, könnten auch Synergieeffekte möglich werden. Der Verein sei in der Lage, sich an der Finanzierung zu beteiligen. Ideen dazu gibt es schon jetzt. Mit dem Quadratmeterverkauf des alten Kunstrasenplatzes könnten die Mitglieder zusätzliche Spenden generieren. Als eine Hilfe bei diesen Überlegungen haben sie den Kontakt zu Angermaier immer erlebt. Wehr: "Ich kann nur Gutes über die Bürgermeisterin berichten."

© SZ vom 05.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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