Haarer Hochhausstreit:Neubeginn auf verbrannter Erde

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Die Pläne für den umstrittenen Wohnturm in Haar sind Makulatur. Das Rathaus und der Bauherr setzen jetzt auf einen Ideenwettbewerb: Studenten sollen Entwürfe liefern.

Von Bernhard Lohr, Haar

Alles zurück auf Anfang. Die Pläne für einen Wohnturm an der Münchner Straße, die in Haar einen über Monate geführten Grundsatzstreit über den Bau von Hochhäusern ausgelöst haben, werden verworfen. Das Bebauungsplanverfahren wird neu aufgerollt.

Auf der Suche nach der städtebaulich besten Lösung für das Gelände an der Ecke Münchner Straße/Jagdfeldring werden in den kommenden Wochen und Monaten Architekturstudenten und Bürger direkt mitwirken können. Der Eigentümer des Grundstücks, Rolf Rossius, lobt 10 000 Euro Preisgeld für den Ideenwettbewerb aus. Vorgaben soll es kaum geben. Klar ist nur: Es soll Wohnbebauung an der Stelle sein.

Was an der Münchner Straße in Haar gebaut wird, ist wieder völlig offen. (Foto: Claus Schunk)

Zuletzt war es ruhig um die Pläne geworden, die der Bürgerinitiative "Mia san Haar" den Anlass geliefert hatten, gegen Hochhäuser generell auf die Barrikaden zu gehen. In zwei Bürgerentscheiden fiel allerdings mangels Interesse die Forderung durch, Gebäude in der Gemeinde künftig nicht mehr als 19 Meter in die Höhe ragen zu lassen. Die Pläne für den gut 46 Meter hohen Wohnturm, der unweit eines bestehenden 60 Meter hohen Bürohochhauses errichtet werden sollte, hätten also rechtlich ohne weiteres wieder aufgegriffen werden können. Es hätte nur das unterbrochene Bebauungsplanverfahren fortgeführt werden müssen. Doch Grundstückseigentümer Rossius und die Gemeinde hielten es offenbar für falsch, weiterzumachen, als wäre nichts gewesen.

Die Bürgermeisterin fordert einen besinderen Umgang mit dem Gelände

Bürgermeisterin Gabriele Müller (SPD) sagte im Bauausschuss des Gemeinderats am Dienstagabend, der Hochhausstreit habe in Haar tiefe Gräben aufgerissen, die sich quer durch Freundeskreise und sogar Familien gezogen hätten. Das Grundstück verdiene "einen besonderen Umgang".

Denn unabhängig von der Frage, ob ein Gebäude dort 30, 40 oder 50 Meter hoch werden darf, ist das Areal an der stark befahrenen B 304 zum Symbol dafür geworden, wie es um Bürgerbeteiligung in Haar bestellt ist. Müller und Rossius wollen da jetzt keine Zweifel mehr aufkommen lassen. Müller sagte, ein Verfahren, wie jetzt geplant, habe es in Haar noch nicht gegeben. Schließlich sollen die Bürger, wie Thomas Fäth (SPD) sagte, die Möglichkeit bekommen, sich von Beginn an einzubringen, auf einem "Gelände, das fast schon verbrannte Erde" ist. "Für die einfachen Wege sind wir nicht da, sondern für die richtigen und guten", sagte er.

Zunächst sollen Studenten des Lehrstuhls für Raumkunst und Lichtgestaltung an der TU München in einer benoteten Semesterarbeit Konzepte für das Grundstück entwickeln. Die Ausschreibungsunterlagen sollen bald rausgehen. Bereits am 23. April könnte es ein Kolloquium geben, bei dem mit den Studenten offene Fragen besprochen würden, am 20. Juli würden die Arbeiten abgegeben, um am 21. Juli im Bürgerhaus präsentiert zu werden.

Dieser als "Bürgerforum" titulierten Zusammenkunft kommt nach Vorstellung des Rathauses zentrale Bedeutung zu. Denn dort nehmen dann die Bürger das Heft in die Hand, indem sie die Vorschläge der Studenten begutachten und bewerten, um an dem Abend noch per Abstimmung drei Gewinner des Bürgerpreises zu küren. In der Folge werden die Arbeiten im Rathaus bis Mitte September ausgestellt und auf der Homepage der Gemeinde gezeigt. Während dieser Zeit können die Bürger weitere Anregungen einbringen. Müller versicherte, es werde nicht ausgesiebt. Alle Entwürfe würden gezeigt.

Was gebaut wird, ist damit allerdings nicht geklärt. Ein siebenköpfiger Fachbeirat soll die Ideen und Vorschläge sichten und aus all dem Input der angehenden Architekten und Bürger das Machbare destillieren. Schließlich soll ein Architekt einen Planentwurf und mögliche Varianten erstellen und dem Gemeinderat präsentieren. Wenn die Gemeinderäte Ende September das Ganze bewertet haben, sollen sie laut Plan dem Architekten die Freigabe erteilen weiter zu planen. Auch damit wäre noch kein Ende erreicht. Schließlich ist eine Bürgerversammlung vorgesehen, auf der für den einzelnen wieder die Möglichkeit bestehen soll, per Stimmzettel Einfluss zu nehmen.

Bis zum Dienstag war über das im Rathaus bis ins Detail ausgeklügelte Beteiligungsverfahren wenig bis nichts nach außen gedrungen. Die Fraktionen des Gemeinderats waren in die Beratungen aber offenbar eingebunden. Es gab zwar Nachfragen, aber die rührten nicht ans Grundsätzliche. Müller strich heraus, dass man sich beim Ideenwettbewerb auf die absolut notwendigen Vorgaben beschränken werde.

Spinnereien sind erlaubt

Thomas Reichel (CSU) fragte, ob die Aufgabe einer Semesterabreit die Studenten nicht zu allzu verschnörkelten Entwürfen verleiten könnte. Professor Peter Schuck, der am TU-Lehrstuhl von Hannelore Deubzer die Arbeiten betreuen wird, war im Bauausschuss anwesend und sagte: "Spinnereien werden zugelassen, aber sicher keine Schnörkeleien."

Ob das Verfahren dazu führen wird, die im Architekturstreit aufgerissenen Gräben zu schließen, muss sich zeigen. Die Sorge, es könnte anders kommen, hat der eine oder andere schon noch. Werner Kozlik (Grüne) warnte davor, es könnte zu Missverständnissen führen und Enttäuschung produzieren, wenn der mit dem Bürgerpreis als Sieger dotierte Entwurf nicht umgesetzt werde.

Bürgermeisterin Müller warb für den Fachbeirat, der eine praktikabel umsetzbare Lösung finden müsse. Auch solle dieser die Bürgervorschläge würdigen, die ja noch bis Mitte September eingehen könnten. Antonius van Lier (Freie Wähler) befürchtet dagegen, dass die Ideen der Studenten verwässert werden. Man solle doch bitte nicht einfach wieder das übliche bauen. Moderne, innovative Architektur wäre wünschenswert: "Wir brauchen etwas Mut."

Der Bauausschuss billigte aber ohne Änderung das geplante Verfahren. In dem Fachbeirat sitzen Bürgermeisterin Müller, Bauamtsleiter Rainer Wöhrl, der Bauherr Rolf Rossius und Professor Schuck, dazu drei weitere Personen, die noch zu benennen sind.

© SZ vom 12.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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