Haar: Hochhaus nimmt nächste Hürde

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Der Bau des Wohnhochhauses an der Ecke Münchner Straße/Jagdfeldring kann wohl bald beginnen: Auf dem kleinen Platz vor dem Hauptgebäude soll ein Kunstwerk platziert werden. Der Investor wird einen Wettbewerb ausschreiben. (Foto: Büro Goergens, Miklautz, Partner (Visualisierung))

SPD, Grüne und Parteifreie billigen nach der öffentlichen Auslegung des Entwurfs die Planung für ein 42-Meter-Wohnhaus. Doch die Debatte im Bauausschuss zeigt, dass der Streit um die Frage, wie hoch am Ort gebaut werden soll, noch nicht ausgestanden ist

Von Bernhard Lohr, Haar

Der Weg für den Bau eines 42 Meter hohen Wohnhochhauses an der B 304 in Haar ist so gut wie frei. Der Bauausschuss des Gemeinderats hat am Dienstagabend mit der Mehrheit von SPD, Grünen und Parteifreien den Bebauungsplan-Entwurf gebilligt und dem Gemeinderat empfohlen, einen Satzungsbeschluss zu fassen. Dieser wird im Februar erwartet. Dann gäbe es nach Jahren der Diskussion und des offenen Streits, der 2014 in den ersten Bürgerentscheid der Haarer Geschichte mündete, für dieses Gebäude an der Ecke Jagdfeldring Baurecht. Im Ausschuss brachen aber noch einmal alte Konfliktlinien auf und Architekt Gert F. Goergens sah sich sogar zu einer Erklärung in eigener Sache genötigt.

Auch wenn das Bebauungsplanverfahren nach dem Bürgerentscheid lange ruhte und der Vorgang irgendwann ohne große Aufregung wieder aufgegriffen und in der Rathausverwaltung vorangebracht wurde, stand die Frage, wie hoch man in der Stadtrandkommune bauen soll, stets im Raum. Manchen am Ort ist der Büroturm an der B 304 schon zu viel. Die CSU setzt nun im Wahlkampf in ihrem Parteiblatt Haarer wieder auf solche Vorbehalte und attackiert die Goergens-Pläne als zu hoch und zu dicht. Sie seien die falsche Antwort auf die Herausforderung des Klimawandels. In ihrer förmlichen Einwendung im Zuge der Planauslegung stellte eine Anwohnerin die Behauptung auf, Goergens sei außer Planer auch "Gesellschafter der voraussichtlichen Investorin" und verfolge also mit der dichten Bebauung eigene Interessen - damit war für den Architekten das Maß voll. Im Ausschuss wies der Architekt im Beisein des Grundstückseigentümers ein Eigeninteresse entschieden zurück und nahm auch seine Planung in Schutz. "Das grenzt an Verleumdung", sagte Goergens. Sollte jemand so etwas erneut behaupten, behalte er sich rechtliche Schritte vor. Sein Büro betreibe die Planung in Haar "besonders engagiert". Diese erfahre von vielen Seiten Lob. Außer von der CSU und von besagter Anwohnerin höre er keine Kritik. "Das ist ein Projekt, das weit über Haar hinaus Beachtung finden wird", prophezeite er. Und an die Adresse der Gemeinderäte: "Sie werden eines Tages stolz sein." CSU-Fraktionschef Dietrich Keymer winkte da erwartungsgemäß als einziger ab. Auch sonst stand er im Ausschuss, der die Einwendungen aus der Bürgerbeteiligung abarbeitete, im Fokus. Denn die CSU-Fraktion hatte sich in einem nach Kenntnis von Gemeinde-Anwalt Claus Deißler einmaligen Vorgang mit einer "Bürger-Einwendung" in das Bebauungsplanverfahren eingebracht. "So was habe ich noch nie erlebt", sagte Deißler. Man habe lange abgewogen, wie damit korrekt umzugehen sei. Bürgermeisterin Gabriele Müller (SPD) rang um Fassung und sagte, die CSU sitze am Ratstisch. Jeder Gemeinderat könne sich zum Vorhaben äußern und Anträge stellen. Wozu also diese Einwendung? Müller sagte, die CSU habe zudem am 9. Juli 2019 nach der ersten öffentlichen Auslegung der Pläne den Entwurf geschlossen mit gebilligt. Jetzt nutze die CSU-Fraktion einen "Verfahrensschritt, der für den Bürger da ist", sagte Müller. "Ich finde das sehr, sehr seltsam." Dennoch behandelte das Gremium die schließlich als "Diskussionsbeitrag" bezeichnete CSU-Stellungnahme, in der eine hohe Baudichte, fehlendes Grün und hohe Immissionen beklagt werden, wie die Einwendung eines Bürgers. Einerseits hatte das zur Folge, dass die CSU nun über ihre eigene Einwendung mit abstimmte. Andererseits stand im Raum, im Verfahren einen Formfehler zu machen und den vorhabenbezogenen Bebauungsplan damit sogar rechtlich angreifbar.

Große Änderungen beschloss der Bauausschuss am Planentwurf nicht mehr. Die Behörden hatten sich ohnehin überwiegend enthalten oder zustimmend geäußert. Die Anwohnerin, die eine ausführliche Einwendung formuliert hatte, kritisierte, dass sich der Standort wegen der Verkehrsbelastung an der B 304 für Wohnen nicht eigne. Sie brachte eine Verlegung der Tiefgaragenzufahrt zur Sprache, beklagte das Fehlen oberirdischer Parkplätze und bemängelte, dass Abstandsflächen nicht beachtet würden. Wie die CSU findet sie den Bau überdimensioniert. Bauverwaltung und Anwalt Deißler verwarfen die Argumentation der Anwohnerin und auch der CSU über weite Strecken als nicht stichhaltig. So sagte Deißler, dass eine hohe Baudichte an zentraler Stelle sehr wohl möglich sei und Spielräume nicht ausgeschöpft seien. Verdichtung sei politisch gewünscht, sagte er. Es käme einer "Quadratur des Kreises" gleich, Bodenversiegelung verhindern zu wollen und Verdichtung abzulehnen. Dem Vorwurf von CSU-Fraktionschef Keymer, es mangele an Grün, hielt Goergens etwa entgegen, man dürfe den Bau an der B 304 nicht mit einem auf der grünen Wiese vergleichen. Laut einer eigens angestellten Berechnung von Goergens steht der Wohnturm-Komplex mit 9,1 Quadratmetern Grün pro Bewohner "sogar besonders gut da". Auf Hinweise der CSU wurde ein nächtlicher Gaststättenbetrieb im Erdgeschoss ausgeschlossen.

© SZ vom 16.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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