Gemeindehaushalt:"Wir werden kleinere Brötchen backen müssen"

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Der Jugendtreff Dino ist bis heute in einer Baracke untergebracht, die für den Bau des Jagdfeldzentrums aufgestellt wurde. Doch für den geplanten Neubau ist kein Geld da. (Foto: Claus Schunk)

In Haar fehlen nach dem Wegzug des größten Gewerbesteuerzahlers wichtige Einnahmen. Trotzdem will die Gemeinde einige Projekte angehen - wenn auch in bescheidenem Rahmen.

Von Yannik Schuster, Haar

"Die fetten Jahre sind vorbei", konstatierte der Haarer Bürgermeister Andreas Bukowski (CSU) bei der Gemeinderatssitzung am Dienstagabend. Der Haushaltsplan für 2022, der am Ende trotz einiger Kritikpunkte einstimmig verabschiedet wurde, sieht weit weniger rosig aus, als noch die vorangegangenen. Ein Grund dafür: Durch den Wegzug des Pharmakonzerns MSD, des mit Abstand größten Gewerbesteuerzahlers der Gemeinde, werden die Einnahmen massiv sinken.

Die geplanten Gewerbesteuereinnahmen liegen bei zehn Millionen Euro und damit 28 Millionen unter dem Vorjahreswert. Andere Steuereinnahmen steigen zwar leicht, reichen aber bei Weitem nicht aus, um die Verluste zu decken. Dennoch stehen Investitionen an, einige Maßnahmen laufen bereits. Bukowski zeigte sich erleichtert darüber, bereits angelaufene Projekte wie die Kita in der Edith-Hecht-Straße sowie die Sanierung des ehemaligen Maria-Stadler-Hauses gesichert zu haben.

Zudem sollen die Sanierungen des Kindergarten St. Konrad, des Bürgerhauses und des Gasthofs zur Post im kommenden Jahr anlaufen. Die Erweiterung und Sanierung des Ernst-Mach-Gymnasiums sei ebenfalls zu schultern. Hinzu kommen kleinere Investitionen in den Bereichen Feuerwehr, Bauhof, Spielplätze und Kindergärten. Die Ausgaben werden die Einnahmen im kommenden Jahr um 18,5 Millionen Euro übersteigen. Bereits 2022 müssen 16 Millionen Euro aus der Rücklage entnommen werden, um das Aufgabenvolumen zu stemmen.

Der Haushaltsplan sieht zudem eine Neuverschuldung um 2,9 Millionen Euro vor. Die Verschuldung steigt damit auf 18,5 Millionen Euro. Bis 2025 soll sie wieder auf dem aktuellen Niveau liegen. "Die kommende Zeit wird also nicht einfach für unsere Gemeinde werden", sagte der Bürgermeister. Dennoch sei er optimistisch, ein Investitionsprogramm auf den Weg zu bringen, das Weichen für die Zukunftsfähigkeit stelle.

Thomas Fäth (SPD) stellte erleichtert fest, dass in der Verwaltung kein Rotstift angesetzt wurde. "Sparen, aber nicht um jeden Preis", laute die Devise. Erfreut sei man bei der SPD über die Planung wichtiger Projekte, allen voran den Neubau des Jugendtreffs Dino, der im nachhaltigen und ökologischen Cradle-to-Cradle-Konzept realisiert werden soll. Er gab aber auch zu bedenken, dass voraussichtlich nicht alle Bauvorhaben umgesetzt werden könnten. Fehlende Kapazitäten in der Verwaltung, Knappheit von Rohstoffen oder die Nichtverfügbarkeit ausführender Firmen seien potenzielle Bremsen. Dennoch übte Fäth sich in Optimismus: Stille Reserven seien nach wie vor vorhanden und Einnahmen wie die Gewerbesteuer sehr konservativ geschätzt worden.

Von einem "Haushalt ohne Plan" sprach dagegen Mike Seckinger (Grüne). Angesichts der befürchteten Einnahmendelle verfalle man mit dem vorliegenden Haushaltsplan in eine Schockstarre. Dieser zeichne ein Worst-Case-Szenario und demonstriere kein Vertrauen in die eigenen Aktivitäten zur Wirtschaftsförderung und Attraktivität des Standorts. Über viele der anstehenden Maßnahmen sei man in der Fraktion glücklich, insbesondere über den Dino-Neubau sowie den Beginn der Rahmenplanung in der Ortsmitte, wobei hier die signifikanten Kosten erst in den Folgejahren anfallen würden. Dennoch sei das Maßnahmenpaket im Kern von "defensiven Reaktionen" geprägt und lasse das Gestalterische vermissen.

"Wir werden kleinere Brötchen backen müssen", sagt Dietrich Keymer (CSU). Die Hoffnungen anderer Fraktionen auf kurzfristige Verbesserungen der finanziellen Situation hält er für unbegründet. "Die Einnahmen reichen gerade noch für die wichtigsten Ausgaben." Die Aufnahme neuer Schulden sei hingegen vertretbar, da diese für Investitionen und zur Überbrückung genutzt würden, bis ausstehende Fördergelder in Haar ankommen. Keymer warnt jedoch: "Die geplanten Ausgaben müssen unbedingt eingehalten werden. Wir sind nicht in der Lage, noch Geld draufzulegen."

Peter Siemsen (FDP) sagte: "Die hohen Steuereinnahmen in den Jahren 2019 und 2020 werden in dieser Form nicht wiederkehren." Er kritisierte, dass der Haushaltsplan den noch nicht vollständig absehbaren finanziellen Auswirkungen der Corona-Pandemie keine Rechnung trage. "Der Haushalt ist auf Kante genäht." Zudem äußerte er Bedenken ob des rasanten Abbaus der finanziellen Rücklagen der Gemeinde. "Die Reduzierung von heute rund 51 Millionen Euro auf 3,8 Millionen Euro in 2025 zeigt das Missverhältnis von Einnahmen- und Ausgabenseite klar auf. Wenn es uns in den nächsten Jahren nicht gelingt, die Einnahmenseite wieder massiv zu stärken, sind nicht nur Zukunftsprojekte, sondern auch wichtige Errungenschaften im Bereich Bildung und Soziales gefährdet."

Trotz zahlreicher Kritikpunkte verabschiedete der Gemeinderat den Haushaltsplan für 2022 einstimmig.

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