Abtreibungen:"Die Hürden sind wirklich schon sehr, sehr hoch"

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Um den Paragrafen 218 wird gerade wieder gerungen. Das Bild zeigt eine Demonstration in München. (Foto: Leonhard Simon)

Der Berater von Donum Vitae beraten Frauen in Schwangerschaftskonflikten ergebnisoffen. Doch sie wünschen sich mehr Unterstützung für die, die sich gegen das Kind entscheiden.

Von Hannah Wilholt, Haar

"Wir beraten die Frauen dahingehend, dass sie eine Entscheidung treffen, die ihnen eine gewisse Klarheit bringt", sagt Diplom-Sozialpädagoge Albert Fierlbeck von Donum Vitae in Haar. Die Schwangerschaftskonfliktberatung durch eine staatlich anerkannte Stelle ist nur eine der Voraussetzungen, die eine Frau erfüllen muss, um ohne strafrechtliche Verfolgung einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen zulassen. Außerdem darf der Abbruch nur innerhalb der ersten zwölf Wochen nach der Empfängnis und drei Tage nach der Beratung stattfinden und nicht von Ärztinnen oder Ärzten, die bei der Beratung anwesend waren. Viele halten diese Maßnahmen für zu streng und sehen die Pflichtberatung als eine Bevormundung der Frau an.

Die Beschäftigten von Donum Vitae in Haar, die die Beratungen anbieten und die dazugehörige notwendige Bescheinigung ausstellen dürfen, sehen jedoch auch die Vorteile des Gesprächs. Sie erreichen damit nach eigenen Angaben alle Bevölkerungsschichten, bieten ein professionelles und kostenloses Angebot für Frauen und wollen eine wirksame Anwaltschaft für Mutter und Kind bieten - das heißt: Sie berücksichtigen beide Seiten, bleiben dabei aber ergebnisoffen. Trotzdem haben sie einige Reformvorschläge für den Paragrafen 218, der die gesetzliche Grundlage für Schwangerschaftsabbrüche bildet. Donum Vitae - einst von katholischen Christen ins Leben gerufen - wünsche sich "zufriedenstellende, nicht zusätzlich traumatisierende Angebote" für Frauen, die sich für einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden, sagt Albert Fierlbeck, sowie eine Integration der Abbrüche im Rahmen eines Schwangerschaftskonflikts in die gynäkologische Ausbildung.

Nicht nur auf dem Land finden Frauen schwer eine Praxis, die den Eingriff vornimmt

Bisher brauchen Praxen, um eine Abbruch vornehmen zu dürfen, eine Genehmigung, für die sie eine Fortbildung absolvieren müssen, die von der Landesärztekammer nur ein bis zwei Mal im Jahr angeboten wird. Die Versorgung auf dem Land kann deshalb - und weil sich viele Krankenhäuser weigern, Schwangerschaftsabbrüche vorzunehmen - nicht gewährleistet werden. In Niederbayern etwa gibt es laut Ulrike Holtappel, Bevollmächtigte der Beratungsstelle, nur eine Praxis in Passau, die Schwangerschaftsabbrüche anbietet.

Aber auch in urbanen Gebieten ist es schwierig, so eine Praxis zu finden. Denn eine vollständige Adressliste liegt nur dem Gesundheitsamt vor, dem es aber untersagt ist, telefonisch darüber Auskunft zu geben. Die frei zugängliche Liste der Bundesärztekammer ist unvollständig, da viele Ärzte sich aus begründeter Angst vor Belästigungen und Drohungen durch Abtreibungsgegner nicht auf die Liste setzen lassen. In Bayern sind dort nur fünf Ärzte aufgeführt. Zusätzlich muss die Frau für die Beantragung der Kostenübernahme persönlich bei der Krankenkasse erscheinen, um ihre Einkommenssituation nachzuweisen. Die Einkommensgrenze liegt bei monatlich 1325 Euro, während ein Schwangerschaftsabbruch bis zu 700 Euro kosten kann. "Die Hürden sind wirklich schon sehr, sehr hoch", sagt Diplom-Sozialpädagogin Sabine Verbole.

Die Schwangerschaftskonfliktberatung ist nur ein Teil der Arbeit von Donum Vitae. "Alles andere wird nicht gesehen", klagt Fierlbeck. Dabei sei der gemeinnützige Verein noch in vielen anderen Bereichen rund um die Themen Schwangerschaft, Familienplanung und Sexualität tätig. Von den insgesamt 644 Beratungen im vergangenen Jahr in Haar betrafen 23 die Pränataldiagnostik, 202 die Betreuung nach der Geburt, 45 einen Kinderwunsch und zehn Fehl- und Totgeburten sowie den frühen Verlust des Kindes. "Alle Menschen, die ein Kind zu betrauern haben", lädt Claudia Nasahl, Diplom-Sozialpädagogin und stellvertretende Leiterin von Donum Vitae, für Donnerstag, 25. Mai, um 17.30 Uhr zur Gedenkfeier für sogenannte Sternkinder auf dem Waldfriedhof in Haar ein.

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