Grünwald/Ismaning:Zwischen Hoffen und Bangen

Lesezeit: 2 min

Flüchtlinge im Landkreis blicken mit unterschiedlichen Gefühlen voraus

Ihr sehnlichster Wunsch wird sich in diesem Jahr wohl nicht erfüllen. "Dass meine Heimat wieder so wird, wie sie war", sagt die Syrerin Nawal Tafnikje. Die 19-Jährige ist mitten in Aleppo aufgewachsen, in der Nähe der Zitadelle. Sie liebte das bunte Leben dort. "Es kamen immer sehr viele Touristen." Seit zwei Jahren ist sie mit ihrer Familie, Vater, Mutter und vier jüngeren Geschwistern, in Grünwald.

Doch sie ist optimistisch. "Es gab schon in vielen Ländern Krieg." Solange sie nicht zurückkehren kann, nutzt sie die Zeit in Deutschland intensiv. In neun Monaten Deutschkurs hat sie die Sprache schon sehr gut gelernt und ist nun bei Niveau B1. Für die Sprachpraxis trifft sie sich regelmäßig mit einer Grünwalderin, die Arabisch lernt. Sie sprechen abwechselnd in beiden Sprachen. Im Sommer wird sie den Mittelschulabschluss nach einem einjährigen VHS-Kurs machen und dann möchte sie eine Ausbildung beginnen. Einige Praktika hat Nawal schon absolviert: beim Friseur, beim Zahnarzt und als Assistentin beim Hausarzt. Letzteres hat ihr am besten gefallen.

Die Syrerin Nawal Tafnikje möchte in diesem Jahr eine Ausbildung beginnen. (Foto: Claus Schunk)

Ein Thema wird bei ihr in diesem Jahr noch keine Rolle spielen, das Heiraten. "Noch sehr viele Sachen möchte ich machen, bevor ich heirate", sagt sie. "Ich möchte mich bei den Deutschen und bei dem Land bedanken. Alle waren immer sehr nett und haben uns viel geholfen." Womit sie unter anderem die Mitglieder des Grünwalder Helferkreises meint. Er veranstaltet regelmäßig ein Café für Bürger und Flüchtlinge, eine Kontaktmöglichkeit, die den jungen Leuten gut gefällt. "Letztes Mal war eine Geburtstagsfeier, wir haben Spaß gehabt und meine Brüder haben getanzt", erzählt Nawal. Schlechte Erfahrungen habe sie bisher nicht gemacht, sagt sie.

Auf einen Ausbildungsplatz hofft auch Ali aus Afghanistan. (Foto: Johannes Simon)

Ali hingegen geht mit gemischten Gefühlen ins neue Jahr. Vor etwa zwei Jahren ist er aus Afghanistan geflohen, seit einem Jahr lebt der 17-Jährige als Asylbewerber in Ismaning, ohne seine Eltern oder Familie. Er hat Deutsch gelernt und besucht seit September die Berufsintegrationsklasse an der Außenstelle der staatlichen Berufsschule München-Land in Feldkirchen. Wie es für ihn weitergehen wird aber, weiß er nicht. "Wir können zur Schule gehen, aber wir dürfen keine Ausbildung machen", sagt er und klingt frustriert. Eine Ausbildung ist sein Ziel, um danach einen Beruf ergreifen und in Deutschland arbeiten zu können. Bei BMW habe er bereits eine Einstiegsqualifizierung, also ein Langzeitpraktikum mit weiterführender Perspektive, in Aussicht gehabt, erzählt Ali. Doch weil er die Arbeitsgenehmigung nicht bekommen habe, konnte er die Stelle nicht antreten. Die Situation zerrt an den Nerven des 17-Jährigen.

Solange sein Asylverfahren läuft, hat er eine Aufenthaltsgestattung, die er regelmäßig verlängern lassen muss. Doch die Angst vor der Abschiebung drückt ihn. Oft liege er nachts wach, sagt Ali. Auch Kontakt zu Deutschen zu finden, sei nicht so leicht. Gerade als Muslim erfahre er häufig Skepsis. "Aber wir sind doch keine Terroristen, wir sind aus unserem Land geflohen", sagt er. Sein Wunsch für 2018 wäre, dass er doch noch eine Ausbildung beginnen kann. Und vielleicht wieder ein bisschen besser schlafen.

© SZ vom 02.01.2018 / cw, gna - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: