Grünwald:Die Metamorphose

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Die ADAC-Damen-Sternfahrt 1927 führte ins Café Fischer, ganz klar. Und war der Münchner Presse einen großen Bericht mit Foto wert. (Foto: Claus Schunk)

Das Café Fischer in Grünwald kann seit 1904 auf eine wechselvolle Geschichte blicken. 1000 Besucher im Garten, Tanz-Veranstaltungen und Fünf-Uhr-Tees - nun plant Familie Hölzl erneut ein moderneres Konzept

Von Claudia Wessel, Grünwald

Wenn die Sonne scheint, dann scheint sie immer auf die Terrasse des Café Fischer in der Rathausstraße 4, und das beinahe den ganzen Tag. Auch wenn noch ein kühles Lüftchen weht, kann man sich geschützt von der Wand schon niederlassen und mir nichts, dir nichts steht Maria Riedl da. "Was derfs denn sein?" Ihre langen blonden Haare hat sie zum Pferdeschwanz locker zurückgebunden, ihr Lächeln ist verbindlich und professionell und sicher seit 37 Jahren gleich. Denn so lange arbeitet sie schon hier. Als sie 1979 anfing, blickte sie gegenüber noch auf einen Bauernhof mit Pferdekoppel.

Gemeinsam mit ihrer Kollegin Marita Haak, die hier bereits als Lehrmädchen begann, hat sie als Bedienung den Laden geschmissen, in allen Zeiten. Denen, in denen die Ausflügler aus München in Scharen kamen. Und denen, als das Publikum mehr und mehr ausblieb, weil zum einen ein so ein großes Kaffeehaus nicht mehr im Trend lag, zum anderen Grünwald nicht mehr das aufregende Ausflugsziel war, sondern immer mehr Leute zum Kurztrip in den Flieger nach Malle stiegen.

"Achtung, es ist wieder eine Trambahn gekommen!"

"Früher haben sich die Leute um die Stühle gestritten", erinnert sich Maria. Da haben sich die Bedienungen zugeraunt: "Achtung, es ist wieder eine Trambahn gekommen", und dann gab es Arbeit. "Ich glaub, damals ist auch noch mehr gefeiert worden", vermutet Maria.

Seit beinahe vier Jahrzehnten als Bedienungen an den Kaffeetischen unterwegs: Maria Riedl und Marita Haak (von links). (Foto: Claus Schunk)

Sie erinnert sich an so viele Stammgäste, die heute viel zu groß wirkenden Tische waren immer belegt, viele Grüppchen kamen jeden Tag. 200 Plätze drinnen und ebenso viele draußen auf der Terrasse und unter den Kastanien hinter dem Haus voll zu bekommen war kein Problem. Sicher auch, weil es in Grünwald fast noch keine anderen Cafés und auch wenig andere Gastronomie gab.

Heutzutage sieht man eine größere Anzahl von Gästen nur noch am Wochenende. "Das reicht einfach nicht", sagt Franz Hölzl, Inhaber des Appartement-Hotels Hölzl, zu dem das Café Fischer gehört. Deswegen überlegt er gemeinsam mit seinem 27 Jahre alten Sohn Ferdinand, mit dem bereits die vierte Generation im Familienbetrieb am Ruder ist, wie man das Lokal erneut auf einen modernen Stand bringen könnte.

Vierte und dritte Generation im Familienbetrieb: Ferdinand und Franz Hölzl (von links). (Foto: Claus Schunk)

Längere Öffnungszeiten

Die letzte Renovierung war 1974. Aus dieser Zeit stammt die heutige Einrichtung. Überholt ist nach der Meinung der Hölzls nicht nur das zu große Kaffeehaus, sondern auch die Öffnungszeit nur bis 18 Uhr. Denn in Grünwald gibt es nicht so viel Laufpublikum, viele Grünwalder sind nämlich tagsüber in München oder anderswo, so Hölzl. Deswegen soll abends länger offen sein. Nicht zuletzt deshalb, weil man damit auch die Hotelgäste im Haus halten kann. Somit fiel die Entscheidung für einen Restaurantbetrieb.

Doch auch Frühstück sowie Kaffee und Kuchen kann man im neuen Café Fischer, das dann vielleicht anders heißt, noch bekommen. Geöffnet sein soll von morgens bis nachts. Mediterrane Küche wird es geben, so viel verrät Franz Hölzl, der Umbau der Räume wird gemeinsam mit dem neuen Wirt gemacht, an den das Restaurant vermietet wird.

Das Café Fischer erlebt damit einen weiteren Wandel, von denen es schon viele mitgemacht hat seit seiner Eröffnung 1904 - sechs Jahre, bevor die Trambahn bis nach Grünwald fuhr. Damals hieß es noch "Café Tümmler", hatte 40 Sitzplätze und wurde von der Grünwalderin Mia Tümmler betrieben. 1919 übernahm der schwäbische Konditormeister Engelbert Fischer das Haus, baute das Café aus und einen Garten mit 800 Plätzen dazu und nannte es "Fischers Konditorei Kaffee Grünwald".

Im Sommer spielten Salonorchester

Als solches wurde es schnell bekannt und berühmt. Im Sommer spielten Salon- und Tangoorchester im Garten vor rund 1000 Besuchern, im Winter machten die zahlreichen Faschingsbälle denen in München Konkurrenz. Und dann gab es etwas, das bei der damaligen Jugend heiß begehrt war: den Fünf-Uhr-Tee mit Tanz. Ein erfolgreicher PR-Schachzug von Engelbert Fischer war 1929 die Erfindung von "Fischers Trambahn-Rundreise" inklusive Kaffee und Kuchen beim Fünf-Uhr-Tee.

Wie viele Menschen schon in den 1920er Jahren ins Café Fischer strömten, zeigen viele alte Fotos. An manchen Sonntagen kamen bis zu 2000 Münchner in das Tanz-Café nach Grünwald. Auf Schwarz-Weiß-Bildern aus dieser Zeit lehnen sich schicke Ladies im Zwanzigerjahre-Look auf die Motorhauben von sehenswerten Autos, drängen sich die Gäste auf der damals noch vorhandenen Dachterrasse ebenso wie im Garten, auf einem kleinen Balkon sieht man ein Streichorchester, das die Leute in Stimmung bringt.

1934 erfolgte dann wiederum ein Umbau: Ein Saal wurde errichtet, um das Tanzvergnügen auch unabhängig von der Witterung zu gestalten. Engelbert Fischer starb 1953. Sein Nachfolger wurde sein Schwiegersohn Karl Hölzl, ein Konditormeister, der die Fischer-Tochter Charlotte geheiratet hatte - ein geniale Verbindung, die Eltern von Franz Hölzl. Die letzte große und damals sehr bedeutende und erfolgreiche Renovierung fand 1974 statt. 1975 wurde das "moderne, großzügige Konditorei-Tagescafé samt einem eleganten Verkaufsraum für Back- und Konditoreiwaren" eröffnet, wie man einem aus diesem Anlass gedruckten "Hölzl Journal" entnehmen kann.

41 Jahre später ist dieses Konzept von der Zeit überholt worden. Lebensstil und Bedürfnisse der Gäste haben sich erneut weiterentwickelt, das Café Fischer entwickelt sich mit. Zum Abschiednehmen haben die Liebhaber des derzeitigen Cafés aber noch einen ganzen Sommer lang Zeit. Erst am 30. September fragt Maria zum letzten Mal: "Was derfs denn sein?"

© SZ vom 21.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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