Grünwald:Aus dem Nähkästchen eines Spitzenpolitikers

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Der Chefredakteur des Bayerischen Rundfunks, Christian Nitsche (links), im Gespräch mit Theo Waigel. (Foto: Claus Schunk)

Der frühere Bundesfinanzminister Theo Waigel plaudert beim Kamingespräch im Freizeitpark Grünwald über Waffen, Fußball und Frotzeleien mit Altkanzler Helmut Kohl

Von Claudia Wessel, Grünwald

Der Kamin im Kaminzimmer war nicht an, besonders angenehm war der Aufenthalt im Hauptgebäude des Freizeitparks am Donnerstagabend vielmehr dank der Klimaanlage. So konnten sich die etwa 30 Zuhörer ganz entspannt auf die wunderbaren Anekdoten und quasi nebenbei verratenen Geheimnisse von Theo Waigel, 80, konzentrieren. Dieser war der erste Gast bei der Premiere der Kamingespräche, die die Deutsche Olympische Gesellschaft mitten im heißen Sommer starten lässt. Fast arbeitsloser Moderator war Christian Nitsche, 48, Chefredakteur des Bayerischen Rundfunks. Angesichts des druckreifen Redeflusses des CSU-Politikers hätte er eigentlich gar nichts sagen und fragen brauchen, und manchmal war er auch aufgrund der dargebotenen Inhalte kurz sprachlos.

Etwa als Waigel verriet, dass er in seiner aktiven Zeit, vor allem, als er auf der Todesliste der RAF stand, einen Revolver besaß. "Hatten Sie den denn immer dabei?" fragte Nitsche. Nur wenn er alleine im Wald spazieren ging, so Waigel. Bei ganz konkreter Gefährdungsstufe empfehle er das Politikern auch heutzutage.

Man erfuhr einiges quasi aus dem Nähkästchen eines Politikers. Etwa, dass er einst gegen den finnischen Notenbankchef Fußball gespielt hat - als er Mitglied der Bundestagsmannschaft war. Da es ja schließlich ein Gespräch über Sport war, wie es das Konzept der Kamingespräche ist, erfuhr man viel über Waigels Liebe zum Fußball. Schon 1949 lag ein Ball unterm Weihnachtsbaum, der ihn in seinem Dorf Oberrohr zum Helden machte. Die Lederkugel hatte ihm sein Vater geschenkt, obwohl der Landwirt den sinnlosen Zeitvertreib eigentlich nicht guthieß.

Waigel plauderte aber auch Spannendes über Helmut Kohl aus. "Er hatte eine raffinierte Methode, um sich Menschen anzunähern", so Waigel. Kohl fragte immer als erstes nach der Herkunft, nach den Eltern und bat, diesen Ort kennenzulernen. So habe er es auch mit Michail Gorbatschow gemacht, woraufhin sie mit diesem in den Kaukasus gereist seien. Auch eine Angewohnheit Kohls in den Kabinettssitzungen verriet Waigel: "Er kam immer rein und sagte als erstes: 'Ihr habt ein schönes Leben, braucht nichts zu arbeiten'". Einmal aber sei er, Waigel, ihm zuvorgekommen und habe gesagt: "Herr Bundeskanzler, Sie haben ein schönes Leben, Sie lassen uns arbeiten." Daraufhin habe Kohl kurz verärgert innegehalten und gesagt: "Waigel, Sie sind ein Drecksack." Geduzt hätten sie sich erst in den letzten beiden Jahren ihrer Bekanntschaft.

Zweimal bekam Waigel das Angebot, Präsident des TSV 1860 München zu werden. Er lehnte ab. "Ich wäre heute kaputt." Natürlich kam das Gespräch auch auf seine Frau Irene Epple-Waigel, ehemalige Skirennläuferin. Sie trage ihm noch heute nach, sagte er, dass er ihr während ihrer aktiven Zeit nie zu ihren Erfolgen gratuliert habe. Damals - zwischen 1973 und 1981 - habe er sich eben noch nicht getraut, die hübsche Frau anzusprechen. Geheiratet hat er sie 1994. Auch der Euro kam zur Sprache. Den hält er nach wie vor für gut. "Wenn Sie mich fragen, wie lange es ihn noch geben wird: Herr Nitsche, Ihre Beerdigung wird sicher auch noch in Euro bezahlt werden."

© SZ vom 27.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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