Geschichtsträchtiges Kunsthandwerk:Zarte Bande

Lesezeit: 2 min

Die Sankt-Nikolaus-Kapelle in Hochmutting wurde Mitte der 1850er Jahre abgerissen. Auf dem prächtig verzierten Porzellanteller aus der Nymphenburger Manufaktur besteht sie weiter. (Foto: Catherina Hess)

Von König Ludwig III. bis Heinrich Himmler: Otto Bürger beleuchtet in seinem jüngsten Forschungsprojekt die Geschichte des Porzellans in Schleißheim. Damit folgt der Ortschronist auch der eigenen Leidenschaft

Von Irmengard Gnau, Oberschleißheim

Seinen Ursprung nahm der Traum bereits vor vielen Jahren. Schon als er ein junger Mann war, so erzählt es Otto Bürger, begann er die Faszination zu spüren. Ob es die edle Oberfläche ist, die kunstvolle Handwerksarbeit oder die generelle Wertigkeit, die Porzellan auszustrahlen vermag, das elegante Material übt schon seit Jahrzehnten eine besondere Anziehungskraft auf Bürger aus.

Es mag also wenig verwundern, dass der rührige Ortschronist von Oberschleißheim sich für sein jüngstes Forschungsprojekt einer Thematik angenommen hat, die viele für verstaubt halten mögen - und die Bürger gerade deshalb endlich ins rechte Licht rücken will. Teller, Figuren und edles Geschirr aus und über Schleißheim stehen im Fokus des Vortrags "Schleißheimer Porzellanträume", den Bürger am kommenden Montag, 3. Juli, im Bürgerzentrum halten wird.

Wie gewohnt hat Bürger dafür reichhaltige Informationen aus verschiedensten Quellen zusammengetragen. Denn Schleißheim ist in vielfacher Hinsicht mit dem Porzellan verbunden. Einerseits verfügen die historischen Königsschlösser am Ort über eine bemerkenswerte Sammlung. In Schloss Lustheim sind mehr als 2000 Stücke aus der ersten europäischen Porzellanmanufaktur, der Meißener, aus der Stiftung Ernst Schneider zu sehen. Das neue Schloss Schleißheim beherbergt zudem reich verzierte chinesische und japanische Vasen aus dem 17. und 18. Jahrhundert - "ein Stück barocker Zeitgeschichte der Wittelsbacher", wie Bürger betont.

Die Neunziger waren für ihn eine besonders fruchtbare Zeit

Auf der anderen Seite ist Schleißheim auch selbst zum Motiv für Porzellanhersteller geworden: Sowohl die Manufaktur in Meißen, als auch die bayerischen Konkurrenten aus Nymphenburg haben der heutigen Landkreiskommune in ihrer Produktpalette ein Denkmal gesetzt. So findet sich etwa auf dem sogenannten bayerischen Königsservice, das aus der Nymphenburger Porzellanwerkstatt stammt und ein Geschenk zur Goldenen Hochzeit des letzten bayerischen Königs Ludwig III. und Marie Thereses von Habsburg-Este im Jahr 1918 war, ein Teller mit dem Abbild des Schleißheimer Schlosses, in späteren Serien des Services auch weitere Motive. "Als ich das entdeckte, wusste ich: Dem muss ich nachgehen", sagt Bürger verschmitzt.

Für seine Nachforschungen besuchte der Oberschleißheimer unter anderem das Archiv der Nymphenburger Manufaktur, durchstöberte Auktionskataloge. In seinem Arbeitszimmer stapelt sich Fachliteratur, umgeben von über die Jahre gesammelten Lieblingsstücken. "Meine ersten beiden original Meißener Teller habe ich in den Sechzigerjahren als Offizier in Regensburg erworben", erzählt Bürger sichtlich beseelt. Es war mehr ein Zufall, dass der junge Mann die beiden Porzellanteile mit dem signifikanten blauen Zwiebelmuster damals erwarb.

Heute weiß Bürger viel mehr davor zu erzählen; dass in den Ornamenten auf den Tellern eigentlich Granatäpfel abgebildet wurden zum Beispiel, die aber, weil sie in früheren Jahrzehnten kaum einem Deutschen bekannt waren, als Zwiebeln gedeutet wurden und das Muster dementsprechend zu seinem Spitznamen kam. Eine besonders fruchtbare Zeit für seine Sammelleidenschaft erlebte Bürger, als er 1990 beruflich fünf Monate in Dresden verbrachte. Von dort aus sind es nur etwa 25 Kilometer bis nach Meißen. "Ich war jede Woche in der Manufaktur", erinnert sich Bürger mit einem schelmischen Lächeln.

Einen weiteren Seitenpfad vom Porzellan nach Schleißheim entdeckte Bürger noch: Quellen zufolge soll Heinrich Himmler, einer der höchsten Verantwortlichen des NS-Regimes, die Gründung der Porzellanmanufaktur Allach persönlich gefördert haben. Himmler arbeitete von 1922 bis 1923 als landwirtschaftlicher Assistent in Oberschleißheim.

Seine Erkenntnisse stellt Otto Bürger am Montag, 3. Juli, unter dem Titel "Schleißheimer Porzellanträume" im Oberschleißheimer Bürgerzentrum, Theodor-Heuss-Straße 29, vor. Der Lichtbildervortrag beginnt um 19 Uhr. Der Eintritt ist frei.

© SZ vom 01.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: