Gemeinderatssitzungen:Live-Stream unerwünscht

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Wer in Haar eine Gemeinderatssitzung verfolgen will, muss weiterhin ins Rathaus kommen. (Foto: N/A)

Die CSU scheitert mit ihrem Vorschlag, Haarer Sitzungen im Internet zu übertragen.

Von Bernhard Lohr, Haar

Wenn Thomas Herker eine Stadtratssitzung eröffnet, hebt er routiniert kurz auch den Blick und spricht alle die an, "die von zu Hause aus zuschauen". Der Bürgermeister der Stadt Pfaffenhofen an der Ilm hat sich vor Jahren dafür stark gemacht, Sitzungen aus dem Rathaus der 26 000 Einwohner zählenden Kommune live im Internet zu übertragen. Heute klicken sich im Durchschnitt 700 Zuschauer in den Stream der Stadtrats-Homepage ein oder schauen sich die Sitzung im Archiv an. Im Landkreis München schrecken die Kommunen noch vor der Übertragung von Sitzungen zurück. In Haar lehnte soeben eine Mehrheit des Gemeinderats die Einführung dieses Services ab.

Gemessen an den 700 Personen, die nach Angaben der Verwaltung in Pfaffenhofen Interesse an den Vorgängen im Rathaus zeigen, erreichen die öffentlichen Diskussionen im Haarer Rathaus nur verschwindend wenige. Je nach Thema sitzen manchmal fünf oder 15 Personen im Sitzungssaal, wenn Bürgermeisterin Gabriele Müller (SPD) die Tagesordnung eröffnet und die Anwesenden begrüßt. Die CSU stellte nun den Antrag, probeweise für zwölf Monate Sitzungen in Haar zu übertragen. So könne eine "bisher nie dagewesene Nähe" zu den Bürgern und ein "hohes Maß an Transparenz" erreicht werden, argumentierte Fraktionschef Dietrich Keymer. Doch außer seinen Leuten in der Fraktion überzeugte er damit niemanden.

Es geht auch um die Persönlichkeitsrechte der Zuschauer

Tatsächlich scheuen viele Kommunen bisher den Schritt ins Netz, weil dieser ganz grundsätzliche Rechtsfragen berührt. So müssten die Gemeinderäte, die Mitarbeiter im Rathaus sowie alle Sachverständigen oder Berater, die in Sitzungen das Wort ergreifen, zustimmen, dass ihre Vorträge ins weltweite Netz übertragen werden. Weil auch Persönlichkeitsrechte von Zuschauern im Saal berührt werden könnten, müsste nach der Expertise der Haarer Rathausverwaltung der Zuschauerbereich von der Übertragung ausgenommen werden. Die Geschäftsordnung des Gemeinderats wäre anzupassen.

Bürgermeisterin Gabriele Müller (SPD) warnte vor einem Missbrauch. Die Ende Mai in Kraft tretende Datenschutzverordnung werde da noch manches strenger fassen, als es bisher schon der Fall ist. Gemeinderäte seien auch nicht immer Kommunikationsprofis. Die Freiheit, sich ungezwungen und so "wie einem der Schnabel gewachsen ist" zu äußern, könnte verloren gehen. Womöglich dachte Müller in dem Moment auch an manche Auseinandersetzung im Haarer Gemeinderat, die sich gerade die Fraktionschefs von CSU, Dietrich Keymer, und SPD, Alexander Zill, knapp an der Gürtellinie liefern. Solch ein Schlagabtausch könnte dann geteilt werden und die Runde machen.

In Pfaffenhofen laufen die Sitzungen gesitteter ab

In Pfaffenhofen an der Ilm funktioniert der Live-Stream nach den Worten von Pressesprecher Marzellus Weinmann auch deshalb problemlos, weil die Sitzungen tatsächlich sehr gesittet verlaufen. "Ausfälle" seien sehr selten, sagt Weinmann. Die Live-Übertragungen und auch die bis zu vier archivierten Sitzungen würden, je nach Brisanz des Themas, von 400 bis 1000 Bürgern angesehen. Der Live-Stream sei eine "Erfolgsgeschichte". Offensichtlich geht man in Pfaffenhofen tatsächlich entspannt mit dem Thema um. Wer den archivierten Stream abruft, kann den Sitzungssaal in der Totale einsehen. Redner rücken bei ihren Stellungnahmen groß ins Bild. Diskussionen hat es laut Weinmann lediglich gegeben, als es um die Archivierung ging. Da habe man sich ein Limit gesetzt. Maximal vier Sitzungen zurück könne man abrufen.

In Haar kritisierte Alfons Meindl (SPD) den CSU-Vorstoß, mit dem kein "Millimeter die Akzeptanz" der Arbeit des Gemeinderats gefördert würde. Wer sich informieren und etwas mitbekommen wolle, könne die öffentlichen Sitzungen des Gemeinderats im Rathaus besuchen. Antonius van Lier (FWG) bezeichnete es als kritisch, Debatten von örtlichem Belang weltweit im Internet zu übertragen. Er deutete möglichen Missbrauch des Filmmaterials an. "Wir leben nicht in einer idealen Welt", sagte van Lier.

Dem hielt Bettina Endriss-Herz (CSU) entgegen, dass Senioren, Eltern mit Kindern und Menschen mit Behinderung, die eben nicht einfach so ins Rathaus kommen könnten, von einem Stream im Internet profitieren könnten.

© SZ vom 07.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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