Buchlesung:Reisetipps für ein Land im Krieg

Lesezeit: 3 min

Die ehemalige ZDF-Nahost-Korrespondentin Nicola Albrecht spricht in der Gemeindebücherei Unterhaching mit Zuhörern über ihr Buch "Mein Israel und ich". (Foto: Claus Schunk)

Während im Nahen Osten Bomben fallen, erzählt die Journalistin Nicola Albrecht in Unterhaching von ihrem Roadtrip durch Israel. Geht das? Unbedingt, findet die ehemalige ZDF-Korrespondentin.

Von Hannah Küppers, Unterhaching

Kann man, während in Israel und im Gazastreifen Bomben fallen und Menschen sterben, einen geselligen Abend über einen Roadtrip durch Israel veranstalten, Fotos von schönen Landschaften zeigen und in der Pause israelisches Streetfood anbieten?

Man kann, sagt Nicola Albrecht. Als Korrespondentin für das ZDF hat sie von 2014 bis 2020 mit ihrer Familie in Tel Aviv gelebt. Am Freitagabend erzählte sie in der Gemeindebücherei Unterhaching von ihrer Reise über die Road 90, die 480 Kilometer lange Nationalstraße, die den Norden mit dem Süden Israels verbindet. Sie zeigt Fotos vom Sonnenaufgang am See Genezareth und dem kargen Jordan-Land, von Beduinen und Restaurantbesitzern, mit denen sie sich auf ihrer Reise angefreundet hat, und liest Abschnitte aus ihrem Buch "Mein Israel und ich" vor. "Das Land ist mir sehr ans Herz gewachsen, es ist eine zweite Heimat geworden", sagt Albrecht.

Den Roadtrip von Metula an der libanesischen Grenze bis ans Rote Meer hat die Journalistin zuletzt gemacht, als sie die ständigen Konflikte im Land mürbe gemacht hatten. Immer wieder für das Fernsehen den Nahost-Konflikt in 90 Sekunden zu erklären, habe sie frustriert. Sie begab sich zwei Wochen auf die Nationalstraße, um den Kontakt zu den Menschen wiederzufinden und das Land abseits der lebendigen Metropolen zu erleben.

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Es wirkte: Ob Berufskrankheit oder reine Menschenfreundlichkeit - Albrecht knüpfte schnell Freundschaften. Man lud sie zum Abendessen ein, sie blieb mehrere Tage in einem Beduinenlager, sie lernte Avi kennen, einen Apfelplantagenbesitzer in Metula. Einige Wochen nach dem Angriff der Hamas am 7. Oktober erhielt Albrecht eine Nachricht von Avi: "Erzählst du noch unsere Geschichten?", fragte er sie. Albrecht hatte zu diesem Zeitpunkt entschieden, mit ihren fröhlichen Bücherabenden erst einmal nicht fortfahren zu können. "Es ist keine Frage von Können. Du musst", erwiderte Avi. "Bleib unsere Botschafterin."

Nicola Albrecht zeigt Fotos von Avi an diesem Abend, sie erzählt von seinem beliebten Restaurant, das er öffnet, wenn er Lust und Zeit dazu hat. Sie nutzt ihre Rolle als Botschafterin und reist mit ihrem Buch durch Deutschland, um "Fragen zu beantworten und aufzuklären", wie sie sagt. Man müsse im Diskurs bleiben, auch und gerade jetzt. Dass sie während der Pause bei israelischem Fingerfood ein Besucher fragt, wer eigentlich normalerweise die Menschen im Gazastreifen und im Westjordanland versorgt, verwirrt sie. Es herrsche viel Unwissenheit, viele hätten völlig falsche Vorstellungen von der Situation im Land. Wenig Wissen gepaart mit großen Gefühlen, das präge oft den Diskurs über den Nahost-Konflikt, den die Journalistin besonders in Deutschland als sehr emotional wahrnimmt. "Ich verstehe manchmal nicht, warum sich die Deutschen immer so eine Deutungshoheit bei dem Thema anmaßen", sagt sie.

Die Vorstellungen von Leben und Versorgung im Gazastreifen kann die Autorin an diesem Abend noch konkretisieren, auf ihrem Laptop findet sie schnell Foto-Präsentationen und zeigt Bilder vom Tunnel nach Gaza, dem Zugang für Journalisten, von bunten Märkten oder Eselkarren, von Interviews mit Hamas-Anhängern und bewaffneten Soldaten. Aber sie möchte vor allem das Bild vom Gemüsemarkt nach der Fragerunde an der Leinwand lassen. "Das hier soll kein deprimierender Nahost-Abend sein", betont sie schon zum zweiten Mal. Albrecht konzentriert sich lieber auf praktische Reisetipps: ein Yoga-Festival mitten in der Wüste, Wanderrouten und Übernachtungsempfehlungen oder die Frage, was tun bei einer Reifenpanne. Für die Planung eines Roadtrips durch Israel ist die Buchautorin ausgezeichnete Ansprechpartnerin.

Die Road 90, die 480 Kilometer lange Nationalstraße, die den Norden mit dem Süden Israels verbindet: Über ihre Reise entlang dieser Straße hat Nicola Albrecht ihr Buch "Mein Israel und ich" geschrieben. (Foto: Nicola Albrecht)

Bleibt nur die Frage, wann diese Reisetipps das nächste Mal nützlich sein könnten. "Ich hoffe, dass dieser Krieg bald aufhört", sagt Albrecht. Optimismus hat sie während ihrer Zeit in Israel gelernt. "Morgens fallen Raketen und abends trinkt man Wein und aufs Leben", gibt sie einen gängigen Spruch ihres Freunds Avi wieder. Auch für Albrecht war es, als sie 2014 mit ihrer Familie nach Israel kam, völlig normal, bei der Wohnungssuche immer als Erstes nach dem Schutzraum zu fragen und ihren Sohn in einem Kindergarten anzumelden, in den am Tag zuvor noch eine Bombe gestürzt war.

Doch sogar die Lebenslust der Israelis leide unter dem andauernden Krieg. Der Wille weiterzumachen und die Hoffnung, bald in Frieden leben zu können, nehme langsam ab, weiß sie von Freunden, mit denen sie in Kontakt steht. Ein Freund habe ihr erzählt, dass er sich jede Nacht zum Schlafen auf seine Kinder lege, damit entweder alle überleben oder alle gemeinsam sterben. Da wirkt das Foto vom bunten Gemüsemarkt dann doch etwas fehl am Platz.

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