Kunstperformance:Wenn die Kunst den Atem anhält

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Wie geht es weiter mit Kunst und Kreativität im öffentlichen Raum? Über diese Frage nachzudenken, dazu will die 32-jährige Künstlerin Kerol Montagna mit ihrem Kunstprojekt im Garten hinter dem Ottobrunner Rathaus anregen. (Foto: Angelika Bardehle)

Bildhauerin Kerol Montagna hat ihrer Gartenlaube in Ottobrunn zusammen mit Unterstützern einen überdimensionalen Mundschutz verpasst - ein augenzwinkernder Appell, nicht nur auf Mitmenschen, sondern auch auf die Kultur zu achten.

Von Angela Boschert, Ottobrunn

Überall tragen sie jetzt Mundschutz. In Ottobrunn sogar die Gartenlaube, jenes Kunstprojekt, das etwas versteckt hinter dem Rathaus liegt. Das begehbare Gartenhaus mit seinen drei Außenwänden aus einem verglasten Holzgestell und der hölzernen Rückwand, trägt seit neuestem einen riesigen grauen Mundschutz - den mutmaßlich größten der Welt. Und dieser steht natürlich für eine Botschaft: Er mahnt nicht nur daran, andere zu schützen, sondern der überdimensionale Mundschutz steht auch dafür, dass das Kunstprojekt und Kunst allgemein im öffentlichen Raum geschützt werden muss.

"Als ich wach im Bett lag und sich meine Kleine im Bauch bewegte, kam ich plötzlich auf die Idee, wie ich die Gartenlaube schützen und für eine spätere Weiterbenutzung bewahren könnte", erzählt Kerol Montagna, die sich seit 2014 um die Ausstellungen und Kunstprojekte in der Gartenlaube kümmert und demnächst ein Kind erwartet. Die ausgebildete Bildhauerin ist freischaffende Künstlerin und arbeitet als Betreuerin der Gartenlaube der Kunst, wie das Kunstobjekt vollständig heißt. Pietro Tondello unterstützt sie seit 2017 als Kurator.

Gleich am nächsten Morgen erzählte die 32-Jährige Tondello von ihrer Idee. Die beiden fanden in Montagnas Nachbarin, Gisela Fischer, eine Mitwirkende, die nähen kann. In einem Brainstorming wurde die technische Umsetzung entwickelt. Denn die Zeltplane sollte mit Hilfe von Zeltstangen in Form gehalten werden. Am Samstag vor einer Woche schnitten sie die zweimal drei Meter große Form der grauen Zeltplane zurecht und Fischer nähte in ihrem Garten die Maske. Bei ihrer Installation am Sonntag trugen Montagna, Fischer und Alex Bucea, Montagnas Mann, ein und Videotechniker, natürlich selbst Mundschutzmasken. Mit kräftigen Spanngurten statt Gummibändern befestigt, hängt die Maske seither vor dem Eingang zur Gartenlaube und fordert zum Nachdenken auf.

Montagna hatte schon seit Wochen überlegt, wie die Gartenlaube in der aktuellen Corona Situation genutzt werden könnte. Seit Ende März können sie und Tondello keine Ausstellungen bieten, die letzte wäre für das Kunstobjekt "If I had a body" des jungen Kunststudenten Roman Cherezov von 14. März bis 18. April geplant gewesen. "Die Gartenlaube stand und steht leer, ist aber zugänglich. Ich wollte sie vor dem Leerlauf schützen und mich gleichzeitig künstlerisch mit dem aktuellen Thema beschäftigen", erklärt die Bildhauerin. Mit einem Augenzwinkern nimmt die Gartenlaube das Element Mundschutzmaske, welche nun im täglichen Ablauf präsent ist, auf und wirkt als "Vorbild". Auf diese Weise werde Kunst im öffentlichen Raum gezeigt, geschützt und wieder lebendig, sagt Montagna. Dieser Herausforderung stellt sie sich mit ihren Projekten immer wieder.

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Die Gartenlaube war eine Diplomarbeit

Die Gartenlaube der Kunst hatte Montagna als Diplomarbeit an der Münchner Akademie der Bildenden Künste in der Klasse von Hermann Pitz entwickelt. Sie hatte mit Holz- und Glasbestandteilen ein altes Gewächshaus aus dem Ruhrgebiet umgebaut, das nun als begehbarer und einsehbarer Ausstellungsraum fungiert und den Austausch zwischen arbeitendem Künstler drinnen und zusehendem Besucher draußen ermöglicht. Zugleich erinnert es an die ursprüngliche Funktion des Gewächshauses: Ruhepol, Entwicklungsraum, Rückzugsort. Die Gartenlaube kann als Atelier dienen oder auch als Ausstellungsraum mit dem Reiz, dass die Glasfenster das sich im Tagesverlauf ändernde Licht hinein lassen. Das Besondere an der Ausstellungssituation sei die Umgebung, erklärt Montagna, die ein enges Verhältnis zur Natur hat.

Vier bis fünf Mal im Jahr veranstalten sie und Tondello in der Gartenlaube Kunstaktionen von und mit jungen Künstlern. Beim Fototermin begleitet sie die sieben Jahre alte Mischlingshündin Sybilla, eine italienische Diva, die profihaft vor und bei der Gartenlaube posiert. "Die Laube ist ihre zweite Heimat", sagt Montagna, die wie Hündin Sybilla aus Parma in Italien stammt und seit 2010 in Deutschland lebt.

Bis zur Wiederaufnahme der Ausstellungen, ihrer Kunstkurse und Workshops sowie als Bildhauerin für Kunstprojekte in verschiedenen Museen arbeitet die Künstlerin an ihrem Nachwuchs und konzentriert sich auf Zeichnen und kleine Keramikskulpturen - beides Kunsttechniken, die ihr helfen, in der Corona-Situation den Kopf frei zu bekommen.

© SZ vom 02.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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