Proteste und Rechtsruck:In Sorge um die Demokratie

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"Wir wollen ja keine gleichgeschaltete Gesellschaft, in der jeder das Gleiche sagt": Ursula Münch, Leiterin der Akademie für Politische Bildung Tutzing. (Foto: Stephan Rumpf)

Angesichts der aktuellen Krisen im Land fragen die Garchinger Stadtratsfraktionen die Politikwissenschaftlerin Ursula Münch um Rat.

Von Celine Imensek, Garching

"Eine Demokratie ist kein Schlaraffenland, sondern ein Zustand der täglichen, wohl geübten und zur Gewohnheit gewordenen Wachsamkeit und Disziplin in den Grundfragen des politischen Lebens." Mit diesem Zitat des Politikwissenschaftlers Eric Voegelin schließt Ursula Münch, Direktorin der Akademie für Politische Bildung in Tutzing, am Donnerstagabend im Werner-Heisenberg-Gymnasium ihren Vortrag. Im Angesicht des Rechtsrucks bei der bayerischen Landtagswahl und der Aussicht auf Triumphe der AfD bei Landtagswahlen in diesem Jahr ging es um die Frage, ob der Vertrauensverlust in die Politik und der zunehmende Protest eine Gefahr für die freiheitliche Demokratie darstellen.

Das Angebot sollte sich - auch aufgrund des Veranstaltungsortes - vor allem an junge Leute und Erstwähler richten. So sagt eine der Initiatorinnen, die Lehrerin Simone Schmidt: "Die Jugendlichen hier sind sehr aktiv und haben ein großes Interesse an Politik." Doch in den gut, aber nicht vollständig gefüllten Reihen finden sich nur wenige, die als Schüler durchgehen könnten. Stattdessen hören etwa ein Drittel des Stadtrats, der Erste und Zweite Bürgermeister und einige Eltern aufmerksam zu, während Münch über den politischen Zustand des Landes referiert.

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Bei der Landtagswahl im vergangenen Oktober verzeichnete die AfD ein Plus von vier Prozent, bei der parallel dazu abgehaltenen Juniorwahl - einer simulierten Wahl unter Minderjährigen - kam die in Teilen rechtsextreme Partei sogar auf ein Plus von knapp sechs Prozent. Diesen Ausgang hatten Simone Schmidt (Bürger für Garching) und Stadträtin Ulrike Haerendel (SPD) zum Anlass genommen, Münch nach Garching einzuladen. "Es gibt Anzeichen, dass es auch hier an den Rändern bröselt", so Haerendel.

Mit Ursula Münch hatten die beiden Kommunalpolitikerinnen am Donnerstag eine Expertin geholt, die sachlich und objektiv die gegenwärtige Lage beschreibt. Dass ihre Kritiker sie gleichwohl als AfD-Feindin beschreiben, stört die Politikwissenschaftlerin nicht: "Dann bekenne ich mich eben dazu." Und auf den Vorhalt, die AfD sei doch demokratisch gewählt, sagt Münch: "Es bleibt die Frage, ob die Vertreter der AfD auf dem Boden der freiheitlich demokratischen Grundordnung stehen."

Durch die Zersplitterung der Parteienlandschaft droht ein Teufelskreis

Münch warnt vor einem "Teufelskreis", den die verbreitete Unzufriedenheit mit den großen Parteien auslöse: Wenn immer mehr kleine Parteien gewählt würden, müssten sich immer mehr Parteien zu Koalitionen zusammenfinden. Dadurch werde wiederum das parlamentarische Handeln immer eingeschränkter, was die Grundlage für noch mehr Unzufriedenheit liefere, wie am Beispiel der Ampelkoalition zu sehen sei. Diese Unzufriedenheit führt Münch auf die Vielzahl an aktuellen Krisen zurück, welche zu Ängsten sowie Orientierungs- und Haltlosigkeit führten. Hinzu kämen starke gesellschaftliche Veränderungen wie die anhaltende Individualisierung und der Wandel in der Mediennutzung.

Münch zeigt sich um die Demokratie tatsächlich besorgt: "Ich glaube schon, dass eine Mehrzahl der Menschen vernünftig ist. Es gibt aber trotzdem Warnzeichen. Wenn wir das nicht besser in den Griff kriegen, indem die Politik weniger Fehler macht, mehr Leistung zeigt und alles besser einordnet, dann sehe ich schon eine gewisse Gefährdung." Einen Ausweg bietet laut Münch der gesellschaftliche Zusammenhalt: Durch Austausch in festen Gruppen wie Vereinen, der Kirche oder Parteien würde Wissen vermittelt, Gemeinwohl gefördert und Haltlosigkeit behoben.

In einer früheren Fassung war irrtümlich zu lesen, Simone Schmidt sei Stadträtin.

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