Filmemacherin:Von Garching über Hollywood nach Berlin

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In der Reihe "Schöne neue Welt" zeigt der MDR am Sonntagabend Nieberts 40-minütigen, mehrfach ausgezeichneten Kurzfilm "Iry" von Anna Niebert aus Garching. (Foto: Filmstill)

Die 23-jährige Anna Niebert ist Producerin und dreht Kurzfilme. An diesem Samstag ist ihr Streifen "Iry" im MDR zu sehen.

Von Irmengard Gnau, Garching

Wenn alles gut geht - so müsste vermutlich jeder Text beginnen, der in diesen denkwürdigen, von der Pandemie geprägten Tage verfasst wird - wenn also alles gut geht, wird Anna Niebert an diesem Sonntagabend mit ihrer Familie daheim in Garching gemütlich vor dem Fernseher sitzen. Vielleicht werden sie Popcorn knabbern, bestimmt aber wird Niebert aufgeregter sein als üblicherweise vor einem Filmabend. Denn um kurz nach 23 Uhr wird es ihr Name sein, der da über den Bildschirm flimmert.

Den bundesweiten Kurzfilmtag am 21. Dezember, dem kürzesten Tag des Jahres, läutet der MDR am Vorabend mit einer Kurzfilmnacht unter dem Titel "Schöne neue Welt" ein und zeigt zu deren Eröffnung Nieberts Film "Iry". Mit dem 40-Minüter hat Niebert vor zwei Jahren ihr Studium der Multimediakunst, Fachrichtung Regie, an der Fachhochschule Salzburg abgeschlossen.

Die inzwischen bei mehreren Filmfestivals ausgezeichnete ungewöhnliche Liebesgeschichte spielt in einer nahen Zukunft, in der eine App die idealen Partner anhand ihrer Irismusterung füreinander bestimmt. Protagonistin Luna muss sich entscheiden zwischen ihrem Freund, den sie auf herkömmliche Weise kennengelernt hatte und dem vorausgewählten angeblichen Idealpartner.

"Es ist spannend, wie sich das Kennenlernen heute verändert hat durch die ganzen Apps", sagt Niebert. Im Film verknüpfen Niebert, Regiepartner Maurice Miller und Kameramann Maximilian Miller diese Entwicklung mit Theorien zu Seelenverwandtschaft und formen daraus einen zugleich gruslig-dystopischen wie doch romantischen Blick in die Zukunft, dargestellt unter anderem von Hugo-Egon Balder.

Schon im Alter von acht Jahren drehte sie ihre ersten Filme

Dass ihre eigene Zukunft in der Filmbranche liegen würde, davon war Anna Niebert schon als Kind überzeugt. Mit acht Jahren drehte die gebürtige Garchingerin ihre ersten Filme, in der Hauptrolle meist die jüngere Schwester oder die Nachbarskinder. Während ihrer Zeit auf dem Werner-Heisenberg-Gymnasium spielte die heute 23-Jährige im Schultheater, doch sie merkte bald, dass sie nicht unbedingt selbst auf der Bühne stehen wollte. Im Studium schließlich kristallisierte sich endgültig heraus: Ihre Rolle würde hinter der Kamera sein, als Regisseurin beziehungsweise Produzentin.

Hat in Salzburg Regie studiert: Anna Niebert. (Foto: oh)

Einen Kindheitstraum hat sie sich dabei schon erfüllt: Sie hat es bereits in die sprichwörtliche Traumfabrik geschafft. Während des Studiums gelang es Niebert, ein Praktikum bei einer US-Produktionsfirma in Los Angeles zu ergattern. Wie das von einer Salzburger Studentenbude aus gelingt? Durch Hartnäckigkeit, eine Spur Draufgängertum und eine Prise glücklichen Zufalls oder, wie es die 23-Jährige ausdrückt: "Einfach anrufen." Bei einem ihrer vielen Versuche erreichte sie am anderen Ende der Leitung zufällig den Executive Producer der Produktionsfirma, dessen Großvater wiederum Deutscher war und der sich auf dieser gemeinsamen Basis für sie einsetzte - das Praktikum war in der Tasche.

Nach ihrem Bachelorabschluss zog es Niebert ein zweites Mal in die USA, wo sie unter anderem an Musikvideos und Werbespots arbeitete. Eine eindrückliche Zeit, obgleich sie sagt: "Von Hollywood wird man ziemlich schnell enttäuscht." Wenn nicht gerade Oscarnacht sei, spüre man wenig vom berühmten Glamour der Zentrale der US-amerikanischen Filmwirtschaft. Die Metropole Los Angeles faszinierte sie dafür insgesamt umso mehr. "LA ist eine inspirierende Stadt, jeder ist entweder in der Musik- oder in der Filmbranche", sagt Niebert.

Dennoch zog es die Garchingerin zurück nach Deutschland. "Ich wollte unbedingt zum Spielfilm", sagt Niebert. Seit Anfang 2020 lebt sie in Berlin und arbeitet bei der renommierten Produktionsfirma Kordes und Kordes, zunächst als Produktionskoordinatorin, heute als Junior Producerin. Gerade begleitet sie die Postproduktion von "Die Schule der magischen Tiere"; den ersten Teil der beliebten Kinderbuchserie hat Kordes und Kordes verfilmt, Mitte Februar soll der Film in den deutschen Kinos starten. Organisation und Koordination liegen Niebert; gleichwohl will sie sich nicht nur auf die Produktion beschränken. Parallel zu ihrem Hauptjob betreibt sie weiterhin Nebenprojekte, meist mit ihrem Partner, Kameramann Maximilian Miller.

So entstanden zuletzt die Kurzspielfilme "Kaulquappen" über Neunjährige, die ihren Körper entdecken, und "Rose", der sich mit der Frage beschäftigt: Was bedeutet Einverständnis? "Bei eigenen Sachen kann man sich austoben", sagt Niebert. Was bleibt noch als großer Traum für jemanden, der schon in Hollywood war? Niebert lacht. Als Regisseurin einen eigenen Langfilm drehen, das wäre schon was. Es muss ja nicht gleich der internationale Kinostart sein. "Für die kleine Leinwand wäre auch schön", sagt Niebert. Das wäre dann Stoff für die nächste Familienfilmnacht in Garching.

Zusatzinfo: Der Kurzfilm "Iry" von Anna Niebert u.a. ist am Sonntag, 20. Dezember, von 23.05 Uhr an in der Kurzfilmnacht auf MDR zu sehen, im Anschluss in der Mediathek.

© SZ vom 19.12.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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