Garching:Eine Patrona für alle

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Künstlerin Lioba Leibl mit ihrem Entwurf der überlebensgroßen Madonnenfigur, die in Garching aufgestellt werden soll. (Foto: privat)

Lioba Leibls Entwurf für die Madonnenfigur, die der Förderverein St. Severin auf öffentlichem Grund in Garching aufstellen will, ist bewusst demütig angelegt

Von Gudrun Passarge, Garching

Eine Madonna, die sich einen Zacken aus der Krone bricht - Lioba Leibl will eine recht ungewöhnliche Interpretation der Patrona Bavariae für Garching schaffen. Der Entwurf der Künstlerin aus Hebertshausen für eine 2,45 Meter hohe Bronzeskulptur hat den Gefallen einer siebenköpfigen Jury gefunden. Bis Herbst 2017 soll die Skulptur auf einer Grünfläche an der Bürgermeister-Hagn-Straße und am Römerhofweg gegenüber vom Augustiner-Biergarten aufgestellt werden, wie Günter Koller, Vorsitzender des Fördervereins St. Severin, ankündigte. Anlass ist das 50-jährige Bestehen der Pfarrei St. Severin. Die Figur wird samt Aufstellung 95 000 Euro kosten, wofür der Verein noch Spenden sammelt, ein Drittel hat er schon zusammen.

Lioba Leibls Patrona Bavariae setzte sich gegen zwei andere Entwürfe durch. Gedacht ist die Figur auch als Dank für 70 Jahre Frieden und Wohlergehen, verbunden mit der Bitte um eine Zukunft ebenfalls in Frieden, wie die Aufgabe für die Künstler formuliert war. Nach Angaben Kollers fiel der Jury unter Leitung von Professor Ludwig Mödl "die Auswahl sehr schwer". In dem Gremium saßen auch Bürgermeister Dietmar Gruchmann (SPD), der Pfarrer und andere Vertreter der Pfarrgemeinde. Ihnen gefiel offenbar die unkonventionelle Art, mit der sich Leibl dem Thema genähert hat. Koller sagt, er schätze die Art der zeitgenössischen Kunst Leibls "und auch die Gestaltung des kleinen Grundstücks rundherum. Figur und Platz verwachsen zu einem Gesamtkunstwerk."

Sie näherte sich dem Thema mit Demut

Die Künstlerin erläuterte bei der Vorstellung ihres Entwurfs im Stadtrat, dass man sich in der heutigen Zeit zwei wichtige Fragen zur bayerischen Patronin stellen müsse: Erstens, ob es einen guten Grund gibt, heutzutage noch eine Madonna aufzustellen, zweitens, ob man das im öffentlichen Raum tun sollte, in einer multikulturellen Stadt wie Garching. Die 56-Jährige hat sich dem Thema über die Demut genähert. Nicht im Sinne der Unterwürfigkeit, sondern über das lateinische Wort humilitas, in dem auch das Wort humus für Boden stecke. Demut bedeutet für Leibl, dass alle auf dem gleichen Boden stehen, "sie haben den gleichen Wert, die gleiche Würde".

So schlägt sie den Bogen zur Humanität, die nur von gleich zu gleich funktioniere. Ihre Maria nehme einen der vier Sterne aus ihrem Kranz und reiche ihn dem Betrachter. Sie breche sich also einen Zacken aus der Krone und teile ihre Würde mit dem Gegenüber. Die übrigen sieben Sterne des Kranzes sollen nach Leibls Entwurf in den Boden eingelassen werden, zusammen mit den Worten: "Die Würde des Menschen ist unantastbar" und "Friede und Gerechtigkeit in der Welt". Für die Künstlerin repräsentieren diese Worte die Grundlagen des christlichen Abendlandes. "Nur wenn jedes Lebewesen seine Würde behält, gibt es ein gutes Leben in Freiheit", sagte sie. Ihre Figur leiste somit eine Bekenntnis zum Grundgesetz und zu den christlichen Wurzeln der abendländischen Kultur.

Diese Gedanken setzen sich auch in ihrer Platzgestaltung rund um die Marienfigur mit Kind fort. Sie sieht eine wassergebundene Wegedecke vor, die sie auch benötigt, um die Sterne einzulassen. Zwei Bänke gegenüber der Statue sollen einladen, in Ruhe zu reflektieren. Eine dritte Bank steht in etwas größerer Entfernung. Leibl hat mit ihrer Wegeführung den Maibaum-Platz mit dem Biergarten verbunden und auch noch einen Trampelpfad zu den Fahrradständern vorgesehen.

"Kunst funktioniert nur dann, wenn sie offen ist."

Bei der Bepflanzung setzt sie auf Blumen und Bäume mit Symbolcharakter. Markante Punkte sind zwei große Linden, die von jeher besondere Bedeutung zum Beispiel als Gesetzesbäume hatten. Wildrosen, Iris sibirica und Gräser sowie Rhododendren und Hecken hinter den Bänken vervollständigen das Bild. "Ich denke, dieser Platz wird zur Verschönerung Garchings beitragen", sagte Leibl.

Während Bürgermeister Gruchmann betonte, dass Leibls Madonna mit ihren gesellschaftspolitischen Aussagen nicht nur religiöse Zwecke erfülle und insofern gut im öffentlichen Raum aufgehoben sei, sagte Götz Braun (SPD), er lehne die Statue dort ab: "Das ist ein katholisches Symbol, das gefällt mir an diesem Platz überhaupt nicht." Das sei allerdings seine ganz persönliche Meinung, betonte er. Das wiederum rief Peter Riedl (Unabhängige Garchinger) auf den Plan, der betonte, man lebe im abendländisch-christlichen Kulturkreis. "Wir sind hier in Bayern und ich sage, sie gehört da hin. Das ist durchaus legitim, auch in Garching." Leibl ergänzte die Diskussion mit dem Hinweis, dass Maria auch im Islam vorkomme. Ihre Statue könne übergreifend als Gebende gesehen werden, die einen Stern weiterreicht. "Kunst funktioniert nur dann, wenn sie offen ist, sonst ist es Propaganda", sagte Leibl. Ein Beschluss wurde nicht gefasst, da nur die Kenntnisnahme des Stadtrats gefragt war.

© SZ vom 02.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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