Frühpädagogik:Der Trickfilm aus dem Kinderhaus

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Der Hai-Angriff auf dem Fußboden. Die Herstellung eines Trickfilms ist eine mühsame Angelegenheit, wie die Mädchen im Kinderhaus feststellen. (Foto: Florian Peljak)

Bei einem Modellversuch in Garching lernen Jungen und Mädchen frühzeitig, mit Computern kreativ zu arbeiten. Bei der Mediennutzung achten die Erzieherinnen streng auf das Einhalten von vereinbarten Regeln.

Von Gudrun Passarge, Garching

Auf dem Boden: ausgeschnittene Seepferdchen, ein Delfin, Schildkröten, Fische, zwei Haie. Darüber gebeugt: fünf Mädchen, sehr konzentriert. Sie schieben die Figuren immer hin und her. Ein Tablet hält die Konstellationen fest. Die fünf wollen einen Trickfilm machen. Zwölf Fotos brauchen sie für eine Sekunde. "Da sehen sie gleich mal, wie viel Arbeit es ist, 90-Minuten-Trickfilme herzustellen", sagt Erzieherin Silke Müller-Ersfeld.

Alltag im Minikinderhaus am Mühlbach. Die Garchinger Kinderbetreuungsstätte nimmt seit September 2018 an einem zweijährigen bayernweiten Modellversuch teil: "Medienkompetenz in der Frühpädagogik stärken". Die Leiterin des Minikinderhauses Sybille Kink erklärt die Motivation so: "Es geht darum, den Kindern zu erklären, dass man mit Computern kreativ arbeiten kann."

Die selbstgemachte Zeitung ist eine begehrte Lektüre bei den Garchinger Kindern. (Foto: Florian Peljak)

Das Garchinger Kinderhaus besuchen 70 Kinder, 20 im Kindergartenalter, 50 gehen in den Hort. Mediennutzung war ihnen nicht fremd. Schon vor dem Modellversuch haben sie gemeinsam ein Bilderbuch mit einer Weihnachtsgeschichte gestaltet und einen Film über den Tagesablauf im Kinderhaus gedreht. Als dann die Ausschreibung für den Modellversuch kam, den das Staatsinstitut für Frühpädagogik (IFP) leitet, unterstützt vom bayerischen Sozialministerium, haben sich die Garchinger beworben.

In der selbstgemachten Zeitung finden sich auch Bastelanleitungen. (Foto: Florian Peljak)

Sie wurden unter 218 Bewerbern ausgewählt. "Unser Pluspunkt war wohl, dass wir schon mal was mit Medien gemacht haben", sagt Kink. Die am Modellversuch teilnehmenden Einrichtungen werden sich im Juni zu einem Landesnetzwerktreffen zusammenfinden. Den Austausch mit den anderen, stellen sich die Garchinger interessant vor.

Die Erzieherin sieht es als sinnvoll an, in Kindertagesstätten mit Medien zu arbeiten, "weil die Kinder damit aufwachsen, von klein auf". Selbst im Kinderwagen habe sie schon Kinder gesehen mit einem Smartphone in der Hand. Die Kinder sollen den sicheren Umgang mit den Medien üben, übrigens lernen auch die Erzieher sehr viel, manchmal auch von den Kindern, die sich schon gut auskennen mit den Geräten.

Alles passiert nach gewissen Vorgaben. Dazu hat die Einrichtung einen Mediennutzungsvertrag mit den Kindern geschlossen. Die Regeln wurden in der Kinderkonferenz vorgestellt. Ganz wichtig: "Ich halte meine Zeiten ein". Vorgesehen sind zweimal in der Woche eine halbe Stunde. Die Erzieherinnen überprüfen das anhand einer Liste. Hat sich jemand schon zweimal ein Tablet ausgeliehen, dann muss er sich für den Rest der Woche anders beschäftigen.

Das funktioniere erstaunlich gut, sagt Kink. Am Anfang hätten sie damit gerechnet, überrannt zu werden, "aber das war gar nicht so. Die Kinder gehen genauso gerne raus und nutzen auch die anderen Räume wie vorher." Die zweite Überraschung war die positive Haltung der Eltern. "Bei uns im Haus gibt es diese Eltern nicht, die Vorbehalte haben", sagt Kink, im Gegenteil, sie hätten sich sehr offen gezeigt und fragten auch nach geeigneten Apps.

Als Startpaket haben die teilnehmenden Einrichtungen die Hardware zur Verfügung gestellt bekommen, Tablets, Beamer, Leinwand, Stativ, Mikrofone, Lautsprecher. Jeweils sechs bis sieben Häuser werden von einem Mediencoach begleitet. Das ganze Team bekommt Fortbildungen und alle sechs Wochen etwa kommt der Mediencoach in die Einrichtung. Ausgestattet waren die Tablets schon mit bestimmten Apps, seit kurzem können die Kinderhäuser auch selbst Vorschläge machen, welche Apps sie gerne runterladen würden.

Das IFP überprüft dann, ob sie pädagogisch sinnvoll sind. Gefragt sind solche Dinge wie Istop-Motion, um Trickfilme zu drehen oder Puppet Pals, um Theaterstücke zu inszenieren. Die Garchinger haben einen Medienraum, in dem auch Bücher und Hörspiele in den Regalen aufgestapelt sind. Gerade kommt ein Mädchen herein, um sich ein Tablet auszuleihen. Sie möchte damit malen, sagt sie. Sybille Kink berichtet, sie suchten jetzt auch nach Apps, die sie bei der Hausaufgabenhilfe für die dritten und vierten Klassen nutzen könnten.

Der Versuch läuft erst seit September 2018, aber das Kinderhaus hat schon einiges vorzuweisen. Etwa die "Infozeitung Minikinderhaus" (IZ), die 16 Viertklässler nahezu in Eigenregie erarbeitet haben. Auf Papier übrigens. Zwei Chefredakteure und deren Team haben Interviews geführt, zeigen auf vielen Fotos, wie man einen Papierflieger bastelt und stellen "außergewöhnliche Menschen aus Garching" vor, in diesem Fall Paula, die als einzige im Hort die Grundschule West besucht, alle anderen kommen aus der Grundschule Ost. "Es war teilweise etwas chaotisch", sagt Kink über die Entstehung der Zeitung, die beim Faschingsfest verkauft wurde. "Aber ich war immer nur begleitend dabei." Bis zum Sommerfest ist die zweite Ausgabe geplant.

Aus dem Nebenzimmer ist Gekicher zu hören. Die fünf Regisseurinnen sind gerade dabei, ihren Trickfilm "Die Helden des Ozeans" zu vertonen. Eine der Schildkröten und ein kleiner Fisch werden von den anderen ausgegrenzt. Das ändert sich jedoch mit großem Trara, nachdem die beiden die anderen vor einem Hai-Angriff retten. "Dann feiern sie eine große Party, weil sie ja das Leben gerettet haben", sagt eines der Mädchen. Doch das kommt erst später, jetzt ist erst mal Kampfgetümmel.

© SZ vom 29.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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