Frauen in der Politik:"Andere Lebenswelten"

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Homeschooling, soziales Miteinander: Beim ersten kommunalpolitischen Frauenstammtisch in Neubiberg haben Gemeinderätinnen über Parteigrenzen hinweg festgestellt, dass mehr Frauen in der Politik gefragt sind. Sie könnten neue Sichtweisen einbringen

Von Daniela Bode, Neubiberg

Ohne die Corona-Pandemie hätte der erste kommunalpolitische Frauenstammtisch in Neubiberg in gemütlicher Atmosphäre in einem Café stattgefunden. Nun saßen die Teilnehmerinnen - einige örtliche Gemeinderätinnen der Grünen, der SPD, der Freien Wähler und der CSU und ein paar interessierte Frauen - , vor ihren Rechnern und trafen sich digital in einer Video-Konferenz. Etwas weniger gemütlich als geplant. Aber dennoch ein guter Startschuss für das neue Format. "Ich glaube, das kann gut werden", sagte Nicola Gehringer, Gemeinderätin der CSU. Sie freute sich unter anderem, zum ersten Mal länger persönlich mit Lucia Kott, seit Mai Gemeinderätin der Grünen, gesprochen zu haben. Genau dieser Austausch unter Frauen ist es, der eine Intention des Stammtischs ist. Ebenso kristallisierte sich in der Diskussion heraus, warum mehr Frauen in die Politik gehen sollten - so lautete das Thema des Abends. Ein Aspekt, der mehrmals aufkam: Frauen haben eine andere Sichtweise als Männer.

Die Idee für das Format war schon im Kommunalwahlkampf im Frühjahr aufgekommen. Grüne und SPD machten am Weltfrauentag Veranstaltungen und besuchten sich gegenseitig. "Da hat man schon gesehen, wie befruchtend das sein kann, sich über Parteigrenzen hinweg auszutauschen", sagte Elisabeth Gerner, die für die SPD als Bürgermeisterkandidatin angetreten war und nun im Gemeinderat sitzt.

Gerner wie auch die anderen Gemeinderätinnen würden gerne mehr Frauen in der Kommunalpolitik sehen. Den Stammtisch sieht Gerner als gute Möglichkeit, "mit Frauen ins Gespräch zu kommen". Idee ist, über vorgegebene Themen zu sprechen genauso wie über Themen, die Frauen vorbringen. Man kann auch einfach zuhören. Alles in lockerer Atmosphäre. Auch Kott betonte in der Video-Konferenz, dass das Format Gelegenheit sein solle, sich "niederschwellig" auszutauschen und Frauen die Möglichkeit geben solle, sich an sie zu wenden, wenn sie meinten, "das versteht eher eine Frau als ein Mann". Um möglichst vielen Frauen einen Besuch des Stammtischs möglich zu machen, soll er an verschiedenen Tagen zu verschiedenen Zeiten etwa alle sechs Wochen stattfinden.

Schon dieses erste Treffen, das von Ulrike Dowie und Meike Leopold von den Neubiberger Grünen moderiert und organisiert wurde, zeigte, dass es viele gute Gründe gibt, warum mehr Frauen in die Politik gehen sollten. "Die Hälfte der Gesellschaft sind Frauen, dann sollte sich das auch abbilden", sagte Gerner. Sie sagte zudem, wie wichtig es sei, die weibliche Sichtweise einzubringen. Frauen sind "anders sozialisiert" als Männer, sie "schauen mehr auf das soziale Miteinander", sagte sie. Kott sprach davon, dass Frauen andere Lebenswelten hätten als Männer, ohne Stereotypen bedienen zu wollen. "Wenn sie viel zu Hause und mit den Kindern unterwegs sind, haben sie ganz andere Wege als die, die in der Stadt berufstätig sind." Ein Beispiel dafür, dass bei Frauen Themen aufkommen, an denen manche Männer möglicherweise nicht so nah dran sind, ergab sich direkt in der Diskussion. Es kam das Phänomen zur Sprache, dass in vielen Fällen eher die Frauen noch im Homeoffice arbeiteten und das Thema Homeschooling der Kinder bei ihnen angesiedelt sei.

Grünen-Gemeinderätin Carola Pfeiffer kritisierte in diesem Zusammenhang den Mangel bei der Digitalisierung an den Schulen. "Es fehlt an der Hardware, es fehlt an der Ausbildung der Lehrer dafür, wo hakt es?", fragte sie. Als Gehringer berichtete, die Gemeinde habe iPads angeschafft und lege eine neue Leitung in die Grundschule Neubiberg, fragte Pfeiffer: "Ich habe zwei Töchter, die an die Schule gehen. Warum weiß ich davon nichts?" Sie bemängelte den fehlenden Informationsfluss seitens der Schule. Das Thema wollen die Gemeinderätinnen im Auge behalten. Kott dankte Pfeiffer für die Schilderung ihrer Lebenswelt: "Genau deshalb müssen mehr Frauen in die Politik."

Wie es ist, in der Kommunalpolitik mitzumischen, können Interessierte beim Stammtisch erfahren. Denn im Gespräch mit den Gemeinderätinnen können sie sehen, wie man in unterschiedlichen Lebensphasen die Gemeinderatsarbeit hinbekommt. Stephanie Konopac (Freie Wähler) etwa ist schon lange bei den Freien Wählern, übernahm aber erst 2019 ein Amt als Gemeinderätin. Außer dem Austausch gab es schon konkrete Ideen, wie man mehr Frauen für die Kommunalpolitik interessieren kann. Eine davon ist, gezielt Veranstaltungen zu organisieren, die sich auf Frauen beziehen wie "Finanzen für Frauen". Von der Idee, eine digitale Frauen-Sprechstunde vor der Gemeinderatssitzung einzurichten, nahmen die Teilnehmerinnen wieder Abstand. Dafür gibt es ja nun den Stammtisch.

© SZ vom 05.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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