Försterin:Im Wald Wurzeln geschlagen

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Försterin Franziska Kremitzl mochte als Schülerin gerne den Biologieunterricht. Doch die Arbeit im Wald, war ihr nicht in die Wiege gelegt. Erst ein Praktikum öffnete ihr die Augen. (Foto: Angelika Bardehle)

Franziska Kremitzl ist mit 28 Jahren neue Revierleiterin im Deisenhofener Forst und trägt Verantwortung für 1700 Hektar Wald. Selbstbewusst bewegt sie sich in einer Männerdomäne, in der es dazu gehört, auch mal zum Dienstgewehr zu greifen.

Von Michael Morosow, Oberhaching

Es wird noch eine Weile dauern, bis Franziska Kremitzl ihren neuen Arbeitsplatz bis in alle Winkel durchforstet hat, wobei das Verb "durchforsten" präzise ihre Tätigkeit beschreibt. Die 28 Jahre alte Bambergerin ist seit November die neue Revierleiterin im Deisenhofener Staatsforst. Sie löste Michael Schwammberger ab, der sich nach 30 Jahren in den Ruhestand verabschiedet hat. Die Freude am Beruf ist ihr anzumerken. "Es kreucht und fleucht im Wald, und auch die ersten Schmetterlinge sind schon unterwegs", berichtet Kremitzl, die im Auftrag der Bayerischen Staatsforsten die Verantwortung für 1700 Hektar Wald trägt.

In den vergangenen Wochen war ihr Tatendrang größer als die Möglichkeit, ihn ausleben zu können. Hüfthoch stand sie teilweise im Schnee, den Blick stets auch nach oben gerichtet, wo sich manche Wipfel durch den Schneedruck in Schräglage befanden und jeden Moment abbrechen konnten. Aber es drängt halt die Zeit, die letzten vom Borkenkäfer befallenen Bäume müssen noch aus dem Wald entfernt werden, "bevor die Käfer wieder ausschwärmen".

Franziska Kremitzl hat einen Beruf ergriffen, der vor noch gar nicht so langer Zeit eine reine Domäne der Männer war - und sie fühlt sich wohl darin. Auch wenn sie regelmäßig ihr Dienstgewehr auf Rehe ansetzen muss. "Das Jagen gehört einfach zur Aufgabe eines Försters", sagt die Försterin, auch wenn es sie jedes Mal wieder ein wenig Überwindung kostet, ein Tier erlegen zu müssen. "Ehrlich gesagt, klopft mir auch heute noch das Herz, wenn ich auf ein Tier anlegen muss", gibt sie unumwunden zu. Und nach jedem Schuss müsse sie es mit ihrem Gewissen neu vereinbaren. Aber letztlich siege die Vernunft über die Emotion.

"Meine Sorge gilt dem Wald, und der verträgt eben nur eine bestimmte Anzahl von Rehen", erklärt die junge Revierleiterin und ergänzt, dass in ihrem Revier mit 120 geschossenen Rehen die Abschussquote zu 98 Prozent erfüllt sei. So sensibel und nachdenklich ihr Umgang mit dem Schießgewehr ist, wenn es drauf ankommt, zögert sie keinen Moment. "Ängstlich und zimperlich darf man da nicht sein", weiß die Oberfränkin, schließlich müsse sie nicht selten alleine durchs Unterholz schlüpfen oder einen nächtlichen Jagdstreifzug unternehmen.

In diesem Studium sind Frauen deutlich in der Unterzahl

Franziska Kremitzl hat 2014 ihr Studium des Forstingenieurswesen an der Fachhochschule in Freising als Bachelor abgeschlossen, dabei auch den Jagdschein und den Motorsägen-Führerschein erworben. Danach hat sie in ein weiteres Jahr an der Staatlichen Forstschule in Lohr am Main verbracht, um mit dem Abschluss "staatlich geprüfte Forstingenieurin" die Voraussetzung für den Förster im Staatsdienst zu erfüllen. Mit nur einem Drittel weiblicher Studenten sind auch heute noch Frauen deutlich in der Unterzahl. "Aber die meisten Studienabbrecher sind männlich," sagt die neue Revierleiterin schmunzelnd. Bei den Bayerischen Staatsforsten mit seinen zehn Revieren ist sie eine von zwei Revierleiterinnen.

Der Försterberuf ist ihr dabei nicht in die Wiege gelegt worden. "Ich bin familiär nicht vorbelastet", sagt sie. Ihr Lieblings- und Leistungsfach am Gymnasium war Biologie, wobei sie aber schnell gemerkt habe, dass der Alltag als Biologin in einem Büro oder einem Labor nichts sei für sie. Im Gegenteil, schon immer habe sie es hinausgezogen in die Natur. So genügte ein einwöchiges Praktikum im Bamberger Stadtwald, um sie mit dem Waldvirus zu infizieren. "Ich war gleich Feuer und Flamme für dieses Leben", erinnert sie sich. Selbst wenn sie im Stress ist, weil vieles zu erledigen sei, "die Umgebung beruhigt", sagt die Försterin, die in ihrer Freizeit Flöte, Gitarre oder Mandoline spielt und in einer Rollenspielgruppe in München aktiv ist.

Aktuell bringt Franziska Kremitzl einen Hieb zu Ende, mit dem ihr Vorgänger Schwammberger begonnen hat. "90 Hektar, das ist knackig", beschreibt sie den Arbeitsumfang auf den so genannten Sturmflächen, auf denen 1990 die Orkanstürme Vivian und Wiebke gewütet hatten. Ihr Ziel ist es, den Wald optimal zu bewirtschaften und ihn langfristig zu einem Mischwald mit Eiche, Buche, Zitterpappel, Lärche umzubauen. Den Fichten sagt sie keine große Zukunft in ihrem Revier voraus, "die haben zu wenig Wurzelraum und Erde, weil gleich die Steine kommen", erklärt sie.

Keine Scheu vor Kreuzottern und Schlingnattern

Sie entscheidet nicht nur über Leben und Tod von Rehen, sondern auch über Wohl und Wehe von Bäumen. Malt sie einen gelben Strich auf eine Rinde, dann kennzeichnet sie damit einen "Zukunftsbaum", der möglichst viel Platz zum Wachsen bekommen soll. Dazu lässt sie "Bedränger", die ihm Platz und Licht nehmen, beseitigen, die sie mit Schrägstrichen in leuchtend Orange kennzeichnet.

Über sich selbst hat Franziska Kremitzl gedanklich wohl auch bereits einen fetten gelben Strich gezogen - auch sie will und wird bleiben in ihrem Revier, in dem auch schon Schlingnattern und Kreuzottern ihre Wege gekreuzt haben, dafür aber keine Wildschweine. "Da ziehen welche durch, aber sie bleiben nicht - ich bin nicht traurig darüber." Bald wird sie eine WG in Solln mit einer größeren vom Forstbetrieb gestellten Wohnung in Forstenried tauschen und darin mit ihrem derzeit in Bamberg lebenden Freund einziehen.

© SZ vom 13.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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