Florian Hahn:"Weniger Afghanistan, mehr Europa"

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Florian Hahn arbeitete als Verteidigungsexperte auch eng mit Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen zusammen. (Foto: Claus Schunk)

Der Bundestagsabgeordnete Florian Hahn berichtet über seine neue Aufgabe als europapolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion. Seine Forderung: Europa müsse in der Lage sein, sich selbst zu verteidigen

Interview von Stefan Galler, Landkreis

Bisher war Florian Hahn der sicherheitspolitische Sprecher der CSU-Landesgruppe, nun vertritt er die gesamte CSU/CSU-Fraktion als europapolitischer Sprecher im Bundestag. Doch welche Aufgaben hat man in dieser Funktion und was befähigt den Abgeordneten aus Putzbrunn im Landkreis München für diesen Job? Wir erreichen Florian Hahn in Paris.

SZ: Herr Hahn, sind Sie schon in Ihrer neuen Mission als europapolitischer Sprecher unterwegs?

Florian Hahn: Ja, es gehört zu dieser Aufgabe, dass man sich mit den wichtigsten Partnern direkt unterhält. Ich bin in dieser Woche auf Einladung der französischen Regierung hier. In den nächsten Wochen werde ich auch Tagestrips in andere EU-Länder unternehmen. Frankreich hat als unser wichtigster Partner hierbei natürlich eine Sonderstellung. In Zukunft heißt es für mich: weniger Afghanistan, mehr Europa.

Sie sind ein ausgewiesener Verteidigungsexperte, gehören auch weiterhin dem Verteidigungsausschuss des Bundestages an. Wie kam es dazu, dass Sie nun diese neue Aufgabe übernommen haben?

Ich war ja nicht nur Sprecher der Landesgruppe für Verteidigung, sondern auch für Außenpolitik, Entwicklungshilfe - und Europa. Vor allem durch meine Tätigkeit im Verteidigungsausschuss war speziell die Sicherheitspolitik in der letzten Legislatur ein besonderer Schwerpunkt meines Handelns.

Waren Sie dennoch überrascht, dass nicht ein klassischer Außenpolitiker in das Sprecheramt gehievt wurde?

Nein, das war eigentlich logisch, dadurch, dass das Themenfeld schon vorher Gegenstand meiner Sprechertätigkeit gewesen ist. Die CSU hatte Anspruch auf den Posten, es gab einen Gegenkandidaten, letztlich habe ich mich in der demokratischen Abstimmung klar gegen den Kollegen durchgesetzt.

Wie werden die Schwerpunkte der Arbeit aussehen?

Es stehen einige sehr wichtige Themen an: Die Ausgestaltung des Brexit, wie entwickelt sich die Wirtschafts- und Währungsunion weiter, wie wird mit möglichen Betrittskandidaten umgegangen, derzeit etwa mit Serbien. Und dann steht die Neuauflage des mehrjährigen Finanzplans der EU demnächst an, 2019 muss diese verabschiedet werden. Ich habe mich diesbezüglich auch schon mit EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger ausgetauscht.

Inwiefern können Sie Ihre Kompetenz in Verteidigungsfragen einbringen?

Wir beschäftigen uns auf allen Ebenen zusammen intensiv mit dem wichtigen Thema, wie wir unsere europäische Verteidigung ausbauen können, etwa im Rahmen des Programms PESCO (Permanent Structured Cooperation; Zusammenarbeit von EU-Staaten auf dem Gebiet der Sicherheits- und Verteidigungspolitik; d.Red.).

Wie stehen Sie zu einer gesamteuropäischen Armee?

Franz-Josef Strauß hatte schon in den Fünfzigerjahren die Vision einer europäischen Armee. Wir haben das folgendermaßen im CSU-Grundsatzprogramm verankert: Wir müssen in Europa gemeinsam in der Lage sein, uns selbst zu verteidigen. Es geht dabei weniger um gemeinsame Streitkräfte, als darum, unabhängig von Dritten in der Verteidigung handlungsfähig zu sein. Aktuell sind wir noch absolut abhängig von den Vereinigten Staaten.

Steht die Weiterentwicklung dieser Idee aktuell weit oben auf der Tagesordnung?

Kanzlerin Merkel und Frankreichs Staatspräsident Macron haben vereinbart, die deutsch-französische Zusammenarbeit in der Vereidigungspolitik voranzubringen. Es wird hierbei auch darum gehen, gemeinsame Fähigkeiten zu entwickeln, etwa auf Gebieten wie Luftabwehr, Cyberrüstung, Weltall. Da schließt sich dann der Kreis wieder zu meinem Wahlkreis, ich möchte nur hinweisen auf die Bundeswehr-Universität in Neubiberg, wo das größte deutsche Cyberforschungszentrum entsteht oder auf den Ludwig-Bölkow-Campus, wo Spitzenforschung in Luft- und Raumfahrt betrieben wird.

Die CSU hat sich nicht zuletzt im Wahlkampf und bei der Klausurtagung im Winter im Kloster Seeon immer wieder kritisch gezeigt, was ein "Mehr Europa", also eine weitergehende Verzahnung der Einzelstaaten innerhalb der EU angeht. Wie ist Ihre Meinung dazu?

Ich bin ein total überzeugter Europäer. Und im weltweiten Wettbewerb haben wir vor dem Hintergrund der Globalisierung und Digitalisierung als Einzelstaaten auch gar keine Chance mehr, uns zu behaupten. Unsere Sicherheit und unsere Zukunft muss Europa sein. Aber das gilt mehr für die großen als für die kleinen Dinge. Wir dürfen uns nicht in bürokratischen Details verzetteln, sondern müssen Europa richtig gestalten, um Stabilität, Sicherheit und Wohlstand zu generieren.

Aber die CSU hat mehrfach ihre Skepsis geäußert, die nationalstaatlichen Identitäten der Mitgliedsländer noch weiter aufzuweichen. Liegt man damit sogar näher an der europafeindlichen Einstellung der AfD als am Koalitionspartner SPD?

Mit Kritik an Europa ist man doch nicht gleich gegen Europa. Der grundlegende Unterschied ist, dass die AfD die EU rückabwickeln will, weil sie Europa als Idee ablehnt. Damit würde allerdings unsere Existenz mittelfristig aufs Spiel gesetzt werden. Europa ist unser größter Markt, 60 Prozent des deutschen Handels laufen über den europäischen Binnenmarkt. Da wären wir doch verrückt, wenn wir Europa den Rücken zuwenden würden. Man sieht ja jetzt schon am Beispiel Großbritannien, wie sich ein solcher Schritt auswirkt.

Welche Aufgabe fällt aus Ihrer Sicht der EU in der Flüchtlingspolitik zu?

Zunächst mal ist es die erste europäische Aufgabe, dass wir dafür sorgen, dass die Außengrenzen kontrolliert werden und wir wissen, wer zu uns kommt und wie viele das sind. Das Flüchtlingsthema ist ein gesamteuropäisches und es geht nicht, dass einzelne Länder plötzlich alle Tore öffnen und dann erwarten, dass sich die anderen bei der Bewältigung der Konsequenzen beteiligen. Was Deutschland hier gemacht hat, war ein Fehler. Deutschland darf nicht hegemonial handeln.

Dennoch haben einige EU-Mitgliedsstaaten wie etwa Ungarn klar betont, keinesfalls Flüchtlinge aufzunehmen. Ist das nicht fehlende Solidarität?

Zwar beteiligt sich Ungarn nicht an der Verteilung der Flüchtlinge, aber immerhin schafft es das Land, seine Außengrenze absolut zu kontrollieren, womit es seinen Teil dazu beiträgt, dass der Zuzug begrenzt wird. Wir haben in Deutschland keine EU-Außengrenzen, die wir schützen müssen, deshalb reden wir uns da immer leicht.

© SZ vom 29.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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