"Etwas so Großes wie eine Kirche", sagt Pfarrer Simion Felecan, "baut man von oben nach unten". Als er auf seinen Kopf zeigt mit dem vollen grauen Haar, wird einem klar, wie das der rumänisch-orthodoxe Priester meint: "Die Utopie entsteht im Kopf der Menschen, und dann wird sie Realität." Und so sieht diese Wirklichkeit also aus. Die Kirche "Heilige Maria" ist von unten bis hinauf zum Turm aus Holz gefertigt, geschnitzt von Meistern aus der Maramuresch, einer Berglandschaft im Norden von Siebenbürgen.
Dieser Sonntag ist der große Tag für die Gemeinde "Mariä Verkündigung", die Weihe ihrer neuen Kirche, und hohe Gäste sind geladen. Aus Rumänien der Metropolit Andrei von Cluj, aus Nürnberg der Metropolit Serafim, zuständig für Deutschland, Mittel- und Nordeuropa, aus Stockholm Bischof Macarie, aus München der Weihbischof Sofian Brașoveanul von der Rumänisch-orthodoxen Erzdiözese für Deutschland, Österreich und Luxemburg.
Sie alle und die mehr als 1500 Gäste, die das 3200 Quadratmeter große Grundstück entlang der Bahngleise an der Fasangartenstraße füllen, dürfen an diesem Sonntagvormittag bewundern, was aus einer Idee werden kann, wenn sie von den Gläubigen aufgegriffen wird. Sie sehen, wie man es schafft, ohne einen einzigen Euro von Kirche oder Staat aus eigener Kraft nicht nur einen früheren Bahnhof zum Gemeindezentrum umzubauen, sondern daneben noch eine Kirche zu errichten.
Es ist für diese Menschen, von denen viele noch zur Zeit des Diktators Nicolae Ceaușescu aus Rumänien geflüchtet sind, Balsam für die Seele. Sie haben sich hier ein Stück Heimat gebaut, Holzkirchen wie diese prägten von jeher Rumäniens Dörfer. Ein Zaun wie dieser mit dem Schindeldach über dem Torbogen umschließt in ihrer Heimat noch heute die Bauernhöfe. Und viele Menschen beten noch in diesen Holzkirchen, denn die Kommunisten haben es nie geschafft, den Glauben der Bevölkerung zu brechen. Anfang der 1960er Jahre wurden Klöster geschlossen, Theologen und Priester verhaftet.
Pfarrer Simion Felecan, 1944 in der Gemeinde Voivodeni in Nordsiebenbürgen geboren, ließ sich von diesen Schikanen nicht beirren, er begann 1964 das Studium der Theologie und wurde 1969 Diakon an der Kathedrale von Cluj. Knapp zwei Jahrzehnte später, 1987, ging er den Weg vieler seiner Landsleute, er kehrte von einer Auslandsreise nicht mehr zurück und beantragte Asyl in Deutschland. In München stieß er auf die Gemeinde "Mariä Verkündigung", rumänisch "Buna vestire", die 1979 von Exil-Rumänen gegründet worden war.
Die Gottesdienste, schon bald von Simion Felecan zelebriert, feierte man als Gast bei den evangelischen und katholischen Christen. Der Traum vom eigenen Gotteshaus aber blieb stets präsent. 1995, bei einem Treffen des Pfarrgemeinderats, wurde der Beschluss gefasst, ein solches Zentrum samt Kirche zu bauen. Eine erste Spendensammlung noch an jenem Abend des 26. Februar 1995 erbrachte die Summe von 400 Mark. Wie lange würde es dauern, bis das Geld für eine solch große Aufgabe gesammelt wäre?
Es war dann eine dramatische Episode aus dem Zweiten Weltkrieg, die für das Projekt der Gemeinde die Wende brachte. Johann Christian Kunst, ein Banater Schwabe aus Hatzfeld im Westen Rumäniens, geriet 1944 als deutscher Soldat in Österreich in die Hände der Roten Armee und sollte in die Kriegsgefangenschaft nach Sibirien verschleppt werden. Zwei rumänische Offiziere, die bis zum 23. August 1944 noch an der Seite Deutschlands gekämpft hatten und nun zur sowjetischen Armee gehörten, ermöglichten ihm die Flucht. Später ließ sich Johann Kunst in der Nähe von München nieder und heiratete eine rumänische Kinderärztin. Da sie keine Kinder hatten, beschlossen Johann und Mărioara Kunst, ihr Geld für den Kirchenbau zu spenden.
So gelang es, für 400 000 Euro das Grundstück von der Deutschen Bahn zu kaufen und danach, innerhalb von 179 Tagen, die Kirche aus Holz in den Himmel wachsen zu lassen. Es ist beeindruckend, was die Meister aus der Maramuresch aus einer 300 Jahre alten Eiche gefertigt haben. Der Stamm des Baumes, der noch ein Setzling war, als die Rumänen in Siebenbürgen immer energischer die gleichen Rechte wie die Ungarn und Siebenbürger Sachsen forderten, stützt jetzt den Altar hinter der Ikonostase. Aus seinen Zweigen wurde das Gerüst der Kirche gehauen. Die gesamte Inneneinrichtung, darunter die Stühle entlang der Wände, wurden aus Lindenholz geschnitzt.
An den hellen Wänden hängen die Ikonen, Darstellungen aus der Bibel und jener heiliggesprochenen Menschen, die den Rumänen wichtig sind. Der Heilige Andreas gilt als Beschützer ihres Landes, weil er einst in der Dobrudscha, am Schwarzen Meer, missioniert haben soll. Constantin Brâncoveanu ist zu sehen, Fürst der Walachei, der 1714 in Konstantinopel zusammen mit seinen vier Söhnen hingerichtet wurde. Nur der Übertritt zum Islam hätte ihn - und seinen erst zwölf Jahre alten Sohn Matei - retten können. Heute wird er als Heiliger verehrt. Auf der anderen Seite der Wand blickt Stefan der Große herab, der 1504 nach einem vom Kampf geprägten Leben starb. Als Woiwode der Moldau zeichnete er sich im Kampf gegen die Osmanen und die Tataren aus, dem Papst galt er als Retter der Christenheit.
Für Pfarrer Simion Felecan, inzwischen 72 Jahre alt, wird diese Kirche auch eine Erinnerung an seine Kindheit sein. In seinem Heimatdorf Voivodeni steht eine ähnliche Holzkirche, erbaut von 1820 bis 1822, geweiht den Erzengeln Michael und Gabriel. Und wer an diesem Sonntag seinen Blick nach oben zum Kreuz richtete, blieb an einer Stelle hängen. Die Schindeln wölben sich und geben ein Auge frei - es ist, so sagt es der Volksmund in Rumänien, das Auge Gottes.