Coronavirus im Landkreis München:Wecken, aufstehen, lernen

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Funktioniert Mebis? Sind die Lehrer und Mitschüler schon online? Eindrücke vom ersten Tag der zweiten Runde Distanzunterricht

Von SZ-Autoren

Homeschooling, zweite Runde. Seit Montag sitzen die Schüler wieder vor dem heimischen Laptop. Ob das Lernportal Mebis abstürzt? Die Lehrer über Weihnachten in Sachen digitaler Unterricht dazu gelernt haben? Erfahrungsberichte vom ersten Tag Distanzunterricht.

Weckunterricht

Die Corona-Krise bringt viele neue Wortschöpfungen hervor: Der Begriff der ersten Stunde nach den Weihnachtsferien ist "Weckunterricht". Im Elternbrief des Lise-Meitner-Gymnasiums heißt es, dass die Lehrer der ersten Stunde den Unterricht "im Normalfall über eine BBB-Videokonferenz (das heißt Weckunterricht)" gestalten und die Anwesenheit kontrollieren sollen.

Der Duden kennt den Begriff noch nicht. Für Unterhachinger Eltern ist er verbunden mit der Hoffnung, ihre Teenager aus dem Bett zu kriegen, die Lehrer nehmen offenbar an, dann wenigstens in der zweiten Stunde aufgeweckte Mittelstufenschüler in ihrem Online-Unterricht begrüßen zu dürfen. Zehntklässler empfinden Unterricht um acht Uhr morgens generell als Zumutung, Wecken sowieso.

Aber sie geben sich geschlagen und sitzen am Montagmorgen zwar mürrisch, aber tatsächlich vollzählig vor den Laptops. Was nicht geht, ist BBB: Big Blue Button. Fazit der ersten Stunde: Wecken hat funktioniert, Unterricht nicht.

Weckunterricht soll übrigens am LMGU in allen Fächern außer Sport gegeben werden. Vielleicht wäre dabei gerade dies die Lösung: einmal zum Schulhaus radeln und zurück oder zweimal um den Häuserblock laufen - und schon sind alle wach.

Die Fritzbox streikt

Schreck in der Morgenstunde: Noch vor dem ersten Kaffee blinkt die Fritzbox nervös, was sie in all den Ferienwochen nicht ein einziges Mal getan hat und was überhaupt kein gutes Zeichen ist für den Start in die neue Distanzlern-Woche. Also kein Internet, nicht einmal das Telefon geht, um in der Schule anrufen zu können und von der technischen Störung zu berichten - und um Gnade für den Filius zu bitten, dass dieser nicht um Punkt acht vor dem heimischen Computer sitzen kann.

Beim Internetanbieter ist um diese unchristliche Zeit natürlich noch niemand zu erreichen, frühestens mit Unterrichtsbeginn ist die Hotline freigeschaltet. Dass man dann jemanden erreicht, ist damit nicht gesagt. Am besten doch erst einen Kaffee trinken und ruhig bleiben. Der Sohn nimmt es ohnehin gelassen, was wohl an seiner kurzen Nacht liegen könnte. Und dann das Wunder: DSL ist wieder verbunden, wie von Geisterhand und ohne Support. Die Schule in Abstandszeiten kann pünktlich um acht losgehen. Tut sie aber nicht. Die erste Video-Konferenz ist erst für 8.15 Uhr terminiert. Das hatte der Sohn vergessen.

Jonglieren am Laptop

Die Internetverbindung steht, der neue Laptop funktioniert, das coole Hintergrundbild aus der Lieblingsserie ist eingerichtet. Um acht kann es also losgehen an diesem ersten Tag Homeschooling nach den langen Weihnachtsferien. Nur: Was macht die Gruppe 1 der Klasse, wenn die Gruppe 2 Natur- und Technik-Übung hat? Sport wie normalerweise? Aber wie? Eine Arbeitsanweisung auf Microsoft Teams kommt um kurz nach acht. Die Kinder dürfen jonglieren üben. Der Sohn probiert ein wenig, es klappt schon ganz gut.

Einen Teil der Stunde nutzen er und zwei Klassenkameraden, sich per Videokonferenz über die Ferien zu unterhalten. Hätte ein unangenehmerer Schulstart sein können. Zwei Stunden später lauscht der Sohn der Mathelehrerin, die am Bildschirm Stoff zu Strecke und Gerade erklärt. Wird schon alles werden, denkt man sich als Eltern. Zumal manche Lehrer in dieser besonderen Zeit so flexibel sind und sogar am Sonntag auf Fragen zum Stundenplan antworten.

Aufrüsten - für was?

Da hat man alles vorbereitet - neues Headset und Wlan-Verstärker - damit auch nichts schiefgeht, wenn um 7.55 Uhr die erste Stunde beginnt, und dann scheitert es an der Technik, die von der Schule bereitgestellt wird: Das Programm Homeworker ist überlastet und über Alfaview sind Lehrerin und Mitschüler zwar zu hören, aber die eigene Tochter nicht. Alle reden von Mebis, aber die Alternativen sind auch keineswegs weniger störanfällig.

Die Folge: Nach zwei Stunden Musik sagt die Deutschlehrerin ihre Doppelstunde ab, stattdessen gibt es Arbeitsaufträge. Es folgen noch zwei Stunden Ethik und danach ist der erste Tag geschafft. Die Siebtklässlerin auch: Wann sind wieder Ferien, fragt die Zwölfjährige, während ihre Schwester noch am Esstisch über den Arbeitsblättern sitzt, welche die Grundschullehrerin am Sonntag verschickt hat.

Es ruckelt wirklich kaum

Mit allen möglichen Unzulänglichkeiten hatte man gerechnet, vor allem damit, dass technische Probleme den geordneten Re-Start vereiteln würden. Doch Fehlanzeige: Der Online-Unterricht, den das Gymnasium Neubiberg am Montag anbietet, funktioniert reibungs- und (fast) ruckellos. Um acht beginnt die Natur- und Technikstunde für den Sechstklässler, nur eine Mitschülerin hat verschlafen, alle anderen sind pünktlich drin im Big-Blue-Button-Check. Später eine Mathestunde, dann kann der verpasste Schlaf nachgeholt werden - schließlich ist der Tagesrhythmus nach den Ferien völlig beim Teufel.

Damit hat der Zehntklässler weniger Probleme. Voll motiviert lauscht er dem Deutsch- und Lateinunterricht. Alles andere als chaotisch auch bei ihm der Jahresauftakt: Der Klassenleiter hat sogar mit den Kollegen einen detaillierten Wochenplan ausgearbeitet, welche Stunden an welchen Tagen und zu welchen Uhrzeiten stattfinden werden.

Und Papa putzt

Eltern von Kindern, die etwa eine Montessorischule besuchen, haben derzeit das Vergnügen, anders als ihre Söhne oder Töchter wenigstens hin und wieder in die Schule zu kommen. Sie müssen ihre Arbeitsstunden leisten und da gilt es natürlich, pünktlich zum Schulbeginn nach den Weihnachtsferien mit Besen, Eimer und feuchtem Lappen das Klassenzimmer zu säubern. Mittlerweile steht dort auch eine moderne digitale Tafel, deren Bildschirm nur mit einem Spezialmittel abgewischt werden darf. Die ganze Schule blitzt. Die Fenster sind ohne Makel, die Toiletten clean, die Böden in der Aula und im Eingang blitzen so wie die Küche

Alles ist so sauber wie vielleicht noch nie und wird es erst einmal bleiben, wenn alle die, die ihr Pausenbrot sonst auf den Boden krümeln, zuhause sitzen und Homeschooling betreiben.

© SZ vom 12.01.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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