Corona-Pandemie:Angst vor der Tafel

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Senioren aus der Wohnanlage Sankt-Valentin-Hof in Unterföhring fürchten wegen der Lebensmittelausgabe durch die Nachbarschaftshilfe um ihre Gesundheit

Von Selina Trummer, Unterföhring

Die Nachbarschaftshilfe Unterföhring hat Streit mit ihren Nachbarn in der Wohnanlage Sankt-Valentin-Hof. Einige der überwiegend älteren Bewohner stören sich an der Lebensmittelausgabe für Bedürftige, die dort teilweise im Eingangsbereich stattfindet. Sie fürchten wegen der Menschenansammlung in Zeiten der Corona-Pandemie um ihre Gesundheit.

Christine Brennberger, selbst Bewohnerin der Wohnanlage, hat sich nach eigenen Angaben schon des Öfteren über Probleme mit der Nachbarschaftshilfe beschwert, die ihr Büro im selben Gebäude hat. Vor kurzem sei sie an einem Mittwoch gerade mit dem Taxi aus der Klinik zurückgekommen und habe gesehen, wie die Lebensmittelausgabe zum wiederholten Mal im Eingangsbereich der Wohnanlage stattgefunden habe. Eigentlich sollte die Ausgabe im Freien stattfinden.

Die Wohnanlage sei nicht ausschließlich eine Seniorenresidenz, erläutert Bürgermeister Andreas Kemmelmeyer (Parteifreie Wählerschaft). Es handle sich um eine Anlage für ältere Menschen, aber auch für Menschen mit Beeinträchtigung. Die Nachbarschaftshilfe sei seit jeher in diesem Gebäude untergebracht, die Bewohner seien erst danach zugezogen. In der momentanen Situation sei es sehr wichtig, die Tafel weiterhin stattfinden zu lassen, betont Kemmelmeyer. Jeden Mittwoch werden die gesammelten Lebensmittel an rund 25 bis 30 Bedürftige ausgegeben. Der Grund für die Abhaltung der Ausgabe im Eingangsbereich sei eine große Baustelle vor dem Eingang, die die Ausgabe im Freien unmöglich mache. Dies sei aber nur eine Übergangslösung, die zuvor auch besprochen worden sei. Außerdem werde großer Wert auf die Einhaltung aller Hygienevorschriften gelegt und das Ganze gehe in einer Stunde über die Bühne.

Die Leute warten vor der Tür. (Foto: Privat)

"Das ist sehr bedenklich", sagt Brennberger zu dieser Situation. Mit Auf- und Abbau handle es sich nämlich nicht nur um eine Stunde, sondern den gesamten Vormittag. Mieter, die in diesem Zeitraum die Wohnanlage verlassen wollten, seien dazu gezwungen, durch die Menschenansammlung zu laufen. Das sei vor allem gefährlich, weil der Großteil der Bewohner in die Risikogruppe falle. Kemmelmeyer sieht das anders. "Viele dieser Leute fahren ja auch mit dem Bus", sagt er. Außerdem müsse man als Bewohner ja nicht genau in dieser Stunde den Eingang nutzen. Falls doch, gehe jeder zur Seite, um die Einhaltung des Mindestabstands zu garantieren. Zusätzlich sei eine Mieterversammlung geplant, um alle Beteiligten an einen Tisch zu bringen und das Problem zu besprechen.

Nachbarschaftshilfe-Vorsitzende Susanne Vazzoler versucht unterdessen, alles richtig zu machen. Auch sie selbst gehöre mit knapp 60 Jahren zur Risikogruppe, sagt sie. Alle Kunden hätten einen Mundschutz bekommen, die Tüten seien schon gepackt und der Abstand werde immer eingehalten. "Die Kunden kommen nur einzeln rein, der Rest steht draußen Schlange. Auch wenn es regnet", betont sie. Es gebe nun mal gerade keine Alternative. Aber einstellen könne die Nachbarschaftshilfe die Tafel nicht. Vor allem nicht in dieser Situation, denn die Menschen bräuchten mehr Hilfe denn je. Außerdem seien nicht alle Bewohner direkt betroffen. Einige, darunter Christine Brennberger, müssen laut Vazzoler nicht einmal diesen Eingang nutzen.

Die Lebensmittelausgabe der Nachbarschaftshilfe findet derzeit im Eingangsbereich der Wohnanlage statt. (Foto: Privat)

"Ich bin nicht generell gegen soziale Arbeit, sondern nur an diesem Standort", sagt Brennberger, die seit zehn Jahren in der Wohnanlage lebt. Sie wolle doch einfach in Ruhe und Würde lange selbständig wohnen können, so die 72-Jährige.

© SZ vom 26.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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