Bürgerversammlung Oberhaching:Ein Bürgermeister beschwert sich

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Einmal in der Woche lädt Oberhachings Bürgermeister Stefan Schelle die Bürger zur Sprechstunde. (Foto: Claus Schunk)

In seiner Sprechstunde muss sich Stefan Schelle mit Kleinigkeiten wie ungeschnittenen Hecken und Parkverboten herumschlagen - er wünscht sich mehr Gelassenheit

Von Iris Hilberth, Oberhaching

Meist laufen Bürgerversammlungen nach demselben Schema ab: Erst berichtet der Bürgermeister über die großen und kleinen Baustellen der Gemeinde, über Pläne, Visionen und natürlich übers Geld. Die großen Themen der kleinen Politik eben. Und wenn dann nach dem Grußwort des Landrats und dem Polizeibericht die Bürger das Wort haben, geht es häufig um Parkverbote, Raser in verkehrsberuhigten Zonen und Hundekot - die eigentlichen Aufregerthemen.

So ist das auch in Oberhaching. Nur eines war diesmal anders: Bevor das Mikrofon im Saal herumgegeben wurde, machte sich am Mittwochabend Bürgermeister Stefan Schelle (CSU) Luft und richtete eine zwar charmant formulierte, aber dennoch klare Ansage an die Bürger. Der Tenor: Es wird Zeit für mehr Gelassenheit, mehr Augenmaß und mehr Eigenverantwortung.

Jeden Donnerstagnachmittag zwischen drei und sechs hat Bürgermeister Schelle Sprechstunde. Dann gehört sein Ohr den Bürgern. Die Oberhachinger machen offenbar regen Gebrauch davon und laden allerlei Beschwerden im Büro des Rathauschefs ab. Über manche aber kann der Bürgermeister nur den Kopf schütteln. "Es gibt schon wahrlich fürchterlich viele Kleinigkeiten, über die man sich mit Begeisterung und Intensität noch viel fürchterlicher aufregen kann", sagte der Bürgermeister.

Schelle zählt die Top-Platzierungen der Beschwerde-Hitliste auf

Die Lebenszeit sei doch zu kurz und zu wertvoll, um sich wegen Kleinigkeiten aufzuregen, findet Schelle, etwa wenn die Jugend bei den Nachbarn feiert, die Kinder auf der Straße lärmen oder ein Radlfahrer die Straßenverkehrsordnung nicht einhält. "Die meisten kommen, weil der Nachbar die Hecke nicht geschnitten hat, im Herbst sind es die Laubbläser und ums Parken geht es sowieso", zählte Schelle die Top-Platzierungen auf der Beschwerde-Hitliste auf.

In diesem Jahr kamen freilich noch die zahlreichen Baustellen und die damit verbundenen Verkehrsbehinderungen etwa durch die Sperrung der Münchner Straße hinzu. Auch die Terminverschiebungen bei der Sanierung des Kapellensteigs waren immer wieder ein Thema. Als Schelle in der Versammlung ankündigte, die Brücke über die M 11 werde nun tatsächlich am 21. November eingehoben, erntete er Gelächter. Dabei hat die Gemeinde mit dieser Baustelle gar nichts zu tun, das Staatliche Bauamt ist zuständig.

"Es wird nicht immer alles funktionieren", sagte Schelle bei der Bürgerversammlung, "das können wir gar nicht." Vor allem appellierte er an mehr Eigenverantwortung und Rücksicht, um die Lebensqualität für alle in Oberhaching zu erhalten. Die Aufforderung an das Rathaus, dem Nachbarn ein Parkverbot hinzustellen, sollte man doch noch einmal überdenken.

"Das ist kein Grant", sagt Schelle

Auch die Ablehnung eines Geothermieanschlusses mit dem Argument "So billig war Heizöl lange nicht mehr", ärgert ihn. "Da heißt es immer: Politiker, macht was! Jetzt haben wir was gemacht, um den CO₂-Ausstoß zu reduzieren, und dann stellen die wegen 120 Euro nicht um", kritisiert der Bürgermeister die Haltung mancher Hausbesitzer.

Ähnliches hat er beim Thema Mobilität erlebt. Seit Jahren bemüht sich die Gemeinde um die Förderung des Radverkehrs, da nerven solche Aussagen: "Bitte Fahrrad fördern, damit ich mit meinem Auto wieder mehr Platz habe." Auch die in Oberhaching zunehmende "hausgemachte Verkehrsberuhigung" kann den Bürgermeister richtig sauer machen. Da werden Autos nach Absprache mit der Nachbarschaft so geparkt, dass keiner mehr durchkomme, auch die Rettungskräfte nicht.

Und natürlich das Dauerthema Hecken, die an einigen Stellen die Gehsteige überwuchern. "Da fragt mich tatsächlich einer, warum er seine Hecke schneiden soll", wundert sich Schelle. "Wir können das auch machen und ihm dann die Rechnung schicken. Oder wir schneiden sie relativ weit unten ab, dann hat er weniger Pflegeaufwand", schlug er vor.

"Das ist kein Grant," betonte Schelle. Aber obwohl mancher sich bei seinen Ausführungen vielleicht sogar kabarettistisch unterhalten fühlte, merkte doch jeder im Saal, dass es dem Bürgermeister ernst ist mit seinem Wunsch nach mehr Gelassenheit. Er selbst, so Schelle, versuche es auch wie Karl Valentin zuhalten, der sagte: "Ich freu' mich, wenn es regnet. Denn wenn ich mich nicht freu', dann regnet es auch."

© SZ vom 18.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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