Bisignano/Feldkirchen:Der Reiz des Südens

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In Feldkirchens Partnergemeinde Bisignano kann man italienische Lebensart unverfälscht erleben. Die 10 000-Einwohner-Stadt in Kalabrien empfängt Besucher mit großer Gastfreundschaft. Dazu liefert die Natur alles, was für eine ausgezeichnete Küche benötigt wird. Und das Meer ist auch gut erreichbar

Von Franziska Dürmeier, Bisignano/Feldkirchen

Manchmal ist der deutsche Italienreisende enttäuscht. Dann sucht er nach unberührten Pinienlandschaften, aromatischer mediterraner Küche und ureigenster Tradition, dem sogenannten Authentischen, wie Reiseanbieter es gerne nennen. Und was findet er? Seine Landsleute und überfüllte Strände. Deshalb heißt es für viele: weiter weg, tiefer rein ins Unbekannte. Oft geht es ins Landesinnere, oft weiter in den Süden. Ein solcher Ort, der bislang eher Individualreisenden vorbehalten ist, ist Bisignano in der süditalienischen Region Kalabrien, etwa 33 Kilometer nördlich der Stadt Cosenza.

Die Ortsteile erstrecken sich auf mehreren idyllischen Hügeln im Landesinneren und sind umgeben von Olivenhainen und Weinreben. Gerade Wein und Olivenöl aus Bisignano sind daher beliebte Exportprodukte. Das dort angebaute Gemüse hat einen exzellenten Ruf und wird andernorts verkauft. Zudem wachsen in den Weiten der kalabrischen Landschaft wilde Feigen, Orangen und Zitronen. Die 10 000-Einwohner-Stadt liegt am Fuße des Sila-Gebirges etwa 350 Meter über dem Meeresspiegel. Möchte man wandern, bietet sich das Sila-Gebirge im Südosten an, möchte man baden, der Badeort Tropea am Tyrrhenischen Meer weiter südwestlich.

Bisignano erstreckt sich über mehrere Hügel im Landesinneren Kalabriens. Die Stadt ist umgeben von Olivenhainen und Weinbergen. (Foto: Gemeinde Feldkirchen)

Wenn auch der Tourismus in dem kleinen Städtchen noch nicht so ausgeprägt ist, in Feldkirchen ist der ferne Ort wohlbekannt. Denn seit den Sechzigerjahren herrscht reger Austausch zwischen den beiden Gemeinden: Gastarbeiter aus Bisignano fanden bei einer kleinen Feldkirchner Gartenbaufirma Arbeit, manche kehrten zurück, wenn auch nur zeitweise, andere blieben. Wie Antonio Augieri. Seit den Siebzigerjahren ist er in Feldkirchen. Als er bei der Firma May zu arbeiten begann, war er gerade einmal 16 Jahre alt. Er ist einer der 30 Bisignanesi, die in dem inzwischen etwa 100 Mitarbeiter starken Betrieb immer noch tätig sind. In manchen Jahren stammte fast die Hälfte der Mitarbeiter aus dem süditalienischen Ort.

Aus den regelmäßigen Heimreisen der Italiener wurden bald Reisen mit der Firma, und schließlich reiste die ganze Gemeindeverwaltung von Feldkirchen mit. Aus einer Zweckbekanntschaft wurde Freundschaft. Seit 2005 sind die beiden Orte Partnergemeinden.

Wenn sich Volker May, Seniorchef der Firma, an die Anfänge zurückerinnert, macht er das bescheiden. Dabei war er die Schlüsselfigur. Er war es, den 1960 ein Bisignaneso vor dem Neptunbrunnen nahe dem Münchner Stachus auf Arbeit ansprach. Und er war es, der damals bereitwillig personelle Verstärkung für seine Firma annahm und dann später bei vielen Fahrten in den Süden dabei war.

Zu Gast bei Freunden: Feldkirchner Trachtler verfolgen ein Fest mit Fahnenschwenkern im kalabrischen Bisignano. (Foto: privat)

Fragt man ihn nach dem italienischen Ort, steht bei den Erzählungen Eines im Vordergrund: die außerordentliche Gastfreundschaft der Bisignanesi. "Sie müssen ins Rathaus kommen." So hieß es gleich, als die Feldkirchner das erste Mal in einer größeren Gruppe anreisten. Nach einer Einladung zum Abendessen in ein Restaurant folgte tags darauf die Einladung zum Frühstück in ein Privathaus. Und das sollte nicht das Ende der kulinarischen Freuden sein.

"Köstliches Essen", erinnert sich May an einen Besuch im Jahr 2008, "wir haben viel zu viel gegessen." "Wir sind fast nicht zum Schlafen gekommen, wir waren immer eingeladen", fügt Feldkirchens Partnerschaftsbeauftragter Alfred Gleixner hinzu. "Es waren Tage der offenen Arme." Stets habe es musikalische Begleitung gegeben wie ein Gitarrenduo beim Abendessen. Und die Atmosphäre habe immer einer Hochzeit oder einer Geburtstagsfeier geglichen, so feierlich sei es zugegangen, erinnert sich Gleixner. Eine Polizeieskorte habe damals den Empfang der Feldkirchner begleitet, manche Straßen seien eigens für die deutschen Besucher gesperrt worden.

SZ-Grafik. (Foto: N/A)

Die Musik spielt in Bisignano eine große Rolle, der Instrumenten- und allen voran der Geigenbau sind dort beheimatet. Das spiegelt sich auch im Zimmer des Feldkirchner Bürgermeisters Werner van der Weck wider. In einer Ecke lehnt ein zehnseitiges gitarrenähnliches Saiteninstrument, ein Gastgeschenk der Bisignanesi. Der Korpus ist hinten abgerundet, das Schallloch aufwendig verziert. Die handgefertigten Instrumente machten Instrumentenbauer Vincenzo De Bonis zu einer Berühmtheit. Auch internationale Musiker schätzen sein Handwerk. Wie eine wunderbar klingende Mandoline höre sich das Instrument an, beschreibt van der Weck seinen Klang. "Wenn Sie es hören, denken Sie an Süditalien." Van der Weck und andere Mitarbeiter der Feldkirchner Verwaltung haben bei der Reise 2008 Vincenzo de Bonis kleine Werkstatt in Bisignano besucht.

Wenn der Bürgermeister, Volker May und Antonio Augieri gemeinsam die Fotos der damaligen Reise durchgehen, schauen sie immer wieder auf die Aufnahmen vom Palio-Fest. Es ist eine alte italienische Tradition, die noch in manchen Städten, wie und eben Bisignano, bis heute aufrechterhalten wird. Serenadensänger tragen ihren Liebsten Gesänge vor, die Ortsteile treten in einen spielerischen Wettstreit, der ganze Ort ist dann verzaubert, es wird getanzt und musiziert und es werden große Fahnen geschwungen. Wer also im Sommer in Bisignano weilt, sollte sich dieses Fest nicht entgehen lassen. Einmal mehr steht in dem kalabrischen Ort die Musik im Vordergrund.

Freunde und Verwandte der Bisignanesi lassen sich hingegen ein bestimmtes deutsches Fest auch nicht entgehen. "Ende September und Anfang Oktober bekommen wir gerne Besuch aus Bisignano", sagt Alfred Gleixner, "das wird sehr gerne genutzt." Damit meint er natürlich das Oktoberfest, das für die Italiener immer wieder ein Anziehungspunkt ist. Und eine bayerische Tradition hat auch schon in Bisignano Einzug gehalten: der Maibaum. Weil die italienischen Mitarbeiter auch vor dem Maibaum auf dem Betriebshof der Firma Maibaumwache halten mussten, wurde der Gedanke mit nach Bisignano getragen; und schließlich ein Maibaum aufgestellt.

Wie in anderen Regionen Süditaliens spielt in Bisignano Religion eine große Rolle. Immerhin machte der Franziskanermönch Bruder Umile da Bisignano (1582-1637), der 2002 vom Papst heiliggesprochen wurde, den Ort international bekannt. Umile ist deshalb bis heute ein weit verbreiteter Vorname in Bisignano. Für architektonisch Interessierte bietet sich deshalb auch ein Spaziergang zur sakralen Architektur an: zum Dom, zur Kirche St. Francesco di Paola und zur Klosterkirche der Reform.

Trotz der hohen Temperaturen von etwa 40 Grad im Sommer, die sich Augieri zufolge allerdings aufgrund der niedrigeren Luftfeuchtigkeit angenehmer anfühlten als 40 Grad in München, wird es im Winter richtig kalt. Im Februar 2005 seien die deutschen Besucher auf der Hinreise gar im Schnee stecken geblieben, erzählt Volker May. Und auch wenn Gebirge und Meer etwa eine halbe bis eine Autostunde entfernt liegen, für Besucher hat das seine Vorteile: "Es ist nicht so überlaufen und es gibt dort immer noch eine selbstverständliche Herzlichkeit", sagt May. Gleixner stimmt zu: "Es ist eben nicht Sonne, Strand und Meer - es ist eher das unverfälschte Italien, etwas anderes."

© SZ vom 15.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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