Bildung der Zukunft:Hightech im Klassenzimmer

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Die Digitalisierung spielt an den Schulen im Landkreis mittlerweile eine große Rolle. Doch Inhalte lassen sich nicht allein mit Tablets, Beamern und Whiteboards vermitteln. Vielmehr geht es darum, die Schüler mit Medienkompetenz auszustatten

Von Bernhard Lohr, Landkreis

Edeltraud Ullrich hat als Schülerin noch auf einer kleinen Schiefertafel geschrieben. Später wechselte sie an die große und vermittelte als Lehrerin mit Kreide in der Hand Einmaleins und Rechtschreibung. Als sich dann für sie als Rektorin der Grundschule Pullach die Frage stellte, ob an ihrer Schule moderne Whiteboards sinnvoll wären, war das für sie keine Frage. Die Schulmöbel, auf die sich Bilder projizieren lassen, wurden angeschafft. In den Pullacher Klassenzimmern ist die Digitalisierung vor Jahren schon angekommen. Das Bewährte wurde dabei aber nicht über Bord geworfen. Die klassische Tafel, auf der Kreide manchmal unschöne Geräusche macht, gibt es noch.

Die Kosten für die Technik müssen von den Rathäusern getragen werden

Das Kultusministerium hat im Juli die Schulen in Bayern aufgefordert, individuelle Medienkonzepte zu erarbeiten. Rektorinnen an Grundschulen wie Edeltraud Ullrich sollen wie die Leiter von Mittel- und Realschulen sowie Gymnasien bis Ende des Schuljahrs 2018/19 ermitteln, was aus technischer, pädagogischer und organisatorischer Sicht notwendig ist. Das soll gemeinsam mit den Sachaufwandsträgern - also den Kommunen - geschehen, wie es aus dem Ministerium heißt. Die Kosten für Laptops, Tablets und Beamer fallen in die Budgetverantwortung der Rathäuser.

Und die haben im reichen Landkreis München schon viel Geld in die technische Ausstattung der Schulen gesteckt. Auch sonst ist einiges am Laufen. Das Gymnasium Ottobrunn nimmt als eine von acht Schulen in Bayern am Modellversuch "Digitale Schule 2020" teil. Die Grund- und Mittelschule am Sportpark in Unterhaching ist Medienreferenzschule. Schulleiterin Hannelore Mathis an der Grund- und Mittelschule Erich Kästner in Höhenkirchen-Siegertsbrunn freut sich gerade darüber, dass eine Kooperation mit dem Software-Konzern Adobe zustande gekommen ist. Man sei die erste Grund- und Mittelschule, die als Adobe-Pilotschule in Deutschland anerkannt worden sei, sagt sie. Kürzlich stellte ein Trainer den Lehrern die kostenlosen Apps des Konzerns vor. Den Kontakt hatte der Bundestagsabgeordnete Jimmy Schulz vermittelt, der sich als Breitband-Experte der FDP für die Digitalisierung an Schulen einsetzt. Unternehmen sehen darin eine Chance, Produkte an Schulen zu platzieren. Und manchen Pädagogen und Eltern graut es. Schließlich geht es nicht nur darum, technisch aufzurüsten.

Rektorin Edeltraud Ullrich sagt, Digitalisierung und der Ruf nach einer besseren Bildung seien "zunächst mal Schlagworte". Die gelte es, mit Inhalt zu füllen. Die Frage sei doch, ob mehr Tablets, Beamer und Whiteboards im Unterricht die Bildungsqualität erhöhten, so die Schulleiterin. "Wo will man hin?", fragt sie. Ullrich erlebt an ihrer Grundschule im wohlhabenden Pullach nicht nur die Segnungen einer zahlungskräftigen Kommune. Ihre Schüler wachsen mit allen Lockungen der modernen Zeit auf. Viele haben in jungen Jahren Smartphones in der Tasche. In der Schule müssen sie die Handys ausschalten. Aber zu Unterrichtszwecken, also zur kurzen Recherche, sollten sie auch genutzt werden können, sagt Ullrich. Das sei nur sinnvoll. Stifte, Hefte, Bücher und die klassische Schultafel kommen an ihrer Schule weiter zu ihrem Recht. Das Whiteboard in den Klassenzimmern wird jeweils von zwei Tafeln flankiert. Beides funktioniere nebeneinander, sagt Rektorin Ullrich.

Damit liegt sie ziemlich auf der Linie von Susanne Pechler, Psychiaterin und Psychotherapeutin am Isar-Amper-Klinikum in Haar. Die Therapeutin an der Ambulanz für Medienabhängigkeit sagt, vertiefendes Lernen, echte Wissensvermittlung funktioniere mit Büchern, weniger mit Hilfe von Google und Wikipedia. Wichtig wäre für die Schüler, hinaus zu gehen und Sport zu machen, sagt Pechler. Medienbildung an Schulen sei wichtig, damit Heranwachsende sich einen "Realitätscheck" antrainierten, um zu unterscheiden lernten zwischen Wirklichkeit und Fiktion.

Es sind eher Pädagogen als Finanzexperten gefragt, sagt Bürgermeister Schelle

Auch Andreas Hautmann, Direktor des Carl-Orff-Gymnasiums in Unterschleißheim, hält es für wichtig, die Schüler, aber auch die Eltern und Lehrer auf die neue digitale Welt vorzubereiten. Seine Schule ist gut ausgestattet, ein moderner Erweiterungsbau wurde errichtet. Die klassische Tafel hat man auch am Carl-Orff-Gymnasium behalten, weil Direktor Hautmann den Aufwand mit der Wartung der neuen Technik scheut. "Der Mix aus alten und neuen Methoden ist das Beste", sagt er. Schulungen zur Medienkompetenz gehören zum Programm,wofür Fachleute von Organisationen wie "Klicksalat" ins Haus geholt werden.

Die technische Ausstattung schaffen die Kommunen an. Sie schließen Verträge mit Software-Firmen, die dann die Geräte warten und die Lehrer beraten. Eine Lehrerin aus dem Kollegium ist in Pullach zudem als Systembetreuerin bestimmt, wofür vom Kultusministerium eine Stunde in der Woche zur Verfügung gestellt wird. Das sei viel zu wenig, sagt Schulleiterin Ullrich. Da müsse draufgesattelt werden.

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Das sieht Ismanings Bürgermeister Alexander Greulich (SPD) ganz deutlich auch so. Er beobachtet, dass die Digitalisierung an den Schulen im Landkreis München dank solventer Kommunen vorankommt. "Es läuft", sagt er für Ismaning. Technische Ausstattung: läuft. Interne Fortbildung der Lehrer: läuft. Software-Betreuung: läuft. Doch der Freistaat drücke sich vor der finanziellen Verantwortung, seinen Beitrag an dieser großen gesellschaftlichen Aufgabe zu leisten. Das Kultusministerium sei wieder einmal spät dran, wenn jetzt eine Digitalisierungs-Offensive verkündet werde. Wie bei der Kinderbetreuung und beim Ausbau der Ganztages-Angebote an den Schulen blieben die Kommunen auf sich gestellt. Und wenn eine Gemeinde nicht das Geld habe, bleibe die Digitalisierung auf der Strecke. Das Versprechen von gleichen Bildungschancen für Kinder werde zur Farce, sagt Greulich.

Oberhachings Bürgermeister Stefan Schelle (CSU) sieht dagegen die größere Herausforderung darin, eine Antwort darauf zu finden, wie man die Digitalisierung an den Schulen "richtig" angeht. Es seien "eher die Pädagogen gefragt als die Haushälter", sagt er. Die Ausstattung könne man bereitstellen. Aber was dann? Lernen sei ein hoch komplizierter Vorgang. Was da die schnelllebige Welt der Informationshäppchen anrichte, sei vielen noch nicht klar. Die Arbeitswelt verlange nach Beschäftigten, die sich in der digitalen Welt zurechtfänden - die aber auch teamfähig seien. Es dürfe nicht passieren, dass man sich "Egomanen" heranbilde, die sich in "Scheinwelten" bewegten, sagt Schelle.

© SZ vom 18.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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