Biber in Ismaning:Die Nageprobe

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In den Isarauen sowie an Bächen und anderen Gewässern bei Ismaning sollen mittlerweile mehr als hundert Biber leben. Jetzt stellt sich die Frage: Wie viele können Mensch und Natur vertragen?

Von Irmengard Gnau, Ismaning

Für manche Tierschützer ist es immer noch ein Grund zur Freude, dass der Biber nach Jahren, in denen er praktisch als ausgerottet galt, wieder in Bayern heimisch geworden ist und sich gut vermehrt. Ismanings Bürgermeister Alexander Greulich (SPD) wird dagegen ernst, wenn die Sprache auf den Nager kommt.

Der Lokalpolitiker betrachtet die vermehrte Aktivität des Bibers in seiner Gemeinde mit großer Sorge - und warnt vor akuten Gefahren. "Es hat mittlerweile ein Ausmaß angenommen, das für Ismaning nicht mehr verträglich ist. Wenn Leib und Leben von Menschen betroffen sind, geht es zu weit", sagt Greulich.

Mehr als hundert Tiere leben inzwischen auf Ismaninger Flur, davon geht auch die Untere Naturschutzbehörde aus, die im Landratsamt für den Umgang mit dem geschützten Wildtier zuständig ist. Die Nager fühlen sich in Ismaning wohl; in den Isarauen, aber auch in den vielen kleineren Bächen und Gewässern, die durch das Gemeindegebiet fließen, finden sie einen attraktiven Lebensraum vor. Doch indem sich der Biber ausbreitet, gerät er immer häufiger in Konflikt mit den Menschen. Seiner Natur zufolge nagt der Biber, gräbt und baut Dämme und Burgen.

Wertvolle Renaturierung

Nagespuren: Der junge Biber wurde lebend gefangen und an der Isar ausgesetzt. (Foto: Catherina Hess)

Dieses Verhalten kann aus naturschutzfachlicher Sicht durchaus wertvoll sein; wenn Biber etwa künstlich begradigte Fluss- und Bachauen quasi kostenlos renaturieren und damit, wie es im Jahresbericht des Landratsamts zum Bibermanagement heißt, zum Hochwasserschutz beitragen, die Neubildung von Grundwasser fördern und neue Lebensräume für seltene Tier- und Pflanzenarten schaffen. Kommt der Biber dem Menschen aber zu nahe, kann seine Aktivität zur Gefahr werden.

Ein Biber bei der Arbeit: Oft überschwemmt das Tier durch seine Dämme angrenzende Felder und Wiesen, was die streng geschützten Säugetiere nicht allen Landwirten sympathisch macht. (Foto: Patrick Pleul/dpa)

In Ismaning sieht Greulich diesen Fall inzwischen gegeben. Er zählt Beispiele auf: Am Seebach, der mitten durch den Ort fließt, habe der Biber mehrfach Bäume angenagt und Wege untergraben, etwa in dem Wohngebiet unweit der alten Papierfabrik. Für die Gemeinde, die für die Verkehrssicherheit verantwortlich ist, ein großes Risiko.

Je nach Strecke sorgt Greulich sich besonders um die Sicherheit der Schulbusse. Auch auf den landwirtschaftlichen Flächen im Nordosten der Gemeinde, die von Bächen durchzogen sind, ist der Biber aktiv. Hier fürchten vor allem die Landwirte, mit ihren schweren Maschinen auf den Feldwegen in Biberbauten einzubrechen. Unberechtigt scheint diese Sorge nicht: An der Bruckmairstraße kommt es wegen Biberlöchern seit Monaten zu Sperrungen.

Greulich will diese Probleme ernst genommen sehen und fordert mehr Unterstützung von der Unteren Naturschutzbehörde. Diese habe zuletzt zwar vermehrt Genehmigungen erteilt, um Biberreviere auf Ismaninger Flur aufzulösen - die Ultima Ratio, wenn Präventivmaßnahmen nicht greifen. Acht Biber wurden nach Auskunft der Behörde dabei im laufenden Jahr im Geltungsbereich jener Entnahmebescheide erschossen; ein Jungtier, das sich im Eisweiher angesiedelt hatte, wurde lebend gefangen und an der Isar wieder ausgesetzt. Angesichts der Vermehrung der Biber hält Greulich diese Maßnahmen aber für unzureichend. Man wolle den Biber nicht ausrotten, doch da dieser in der Region keine natürlichen Feinde habe, müsse man sich fragen, wie viele Tiere eine Fläche vertrage, argumentiert der Bürgermeister.

Besondere Sorge macht Greulich der nahe Mittlere Isarkanal. "Wenn der Damm brechen würde, stünde Ismaning samt dem S-Bahntunnel unter Wasser", fürchtet er. Dieser Befürchtung tritt Theodoros Reumschüssel, Pressesprecher Wasserkraft des Betreibers Uniper Kraftwerke GmbH, entgegen. Man gehe von einem Biberrevier am Mittleren Isarkanal und im nördlichen Teichgut aus, bestätigt er. Bei der Sicherheit gebe es jedoch keine Abstriche. Uniper nehme regelmäßige Kontrollen an Dämmen und Deichen vor und reagiere entsprechend.

Immense Kosten

"Wenn wir Bautätigkeit feststellen, die die Standsicherheit des Dammes gefährdet, werden wir sofort tätig", versichert Reumschüssel. So sei beispielsweise Anfang März am Kanal auf Ismaninger Gemeindegebiet eine Fluchtburg von Bibern entdeckt und daraufhin verfüllt worden. Zudem wurde ein Weidezaun installiert, der die Tiere künftig abhalten soll. Insgesamt versuche man, mit langfristigen Methoden ein Leben mit dem Biber zu gestalten.

"Wir brauchen eine für Mensch und Tier tragfähige Lösung", fordert Greulich. Für Ismaning hat die große Zahl der Nager längst auch einen finanziellen Aspekt. "Die Schäden gehen mittlerweile in die Hunderttausende", sagt Greulich. Seit 2006 hätten sich die Kosten für Material und Fremdleistungen, Bau- und Vorsorgemaßnahmen gegen den Biber in Ismaning auf 120 000 Euro summiert, rechnet der Bürgermeister vor. Seit einem Jahr habe sich zudem der interne Verwaltungsaufwand der Gemeinde deutlich erhöht, es würden derzeit etwa eineinhalb Arbeitskräfte von Bauhof und Umweltamt zur Kontrolle, Behebung und für Präventivmaßnahmen eingesetzt - Kostenpunkt: circa 100 000 Euro jährlich. Die Gemeinde geht davon aus, dass der Bedarf weiter steigen wird, mittelfristig rechnet sie mit einem Verwaltungsaufwand von etwa 150 000 Euro pro Jahr. Zudem könnten der Gemeinde - je nach dem letztlich beschlossenen Umfang und der Gewährung von Zuschüssen durch den Freistaat - für weitere größere Präventions-und Sicherungsmaßnahmen Kosten in Höhe von bis zu einer halben Million Euro entstehen.

Die Untere Naturschutzbehörde sieht aufgrund der artenschutzrechtlichen Regelungen keine Möglichkeit, die Biberpopulation in Ismaning zu beeinflussen. Es bestehe aber die Möglichkeit, das Abwandern beziehungsweise Zuwandern in ungeeignete Gebiete und Konfliktbereiche beispielsweise durch Elektrozäune zu verhindern. Diese Maßnahmen würden in Absprache mit der Gemeinde dort eingesetzt, wo es geboten sei. Greulich ist das nicht genug. Er hofft auf eine Meinungsänderung auf höherer politischer Ebene und bringt inzwischen auch härtere Maßnahmen ins Spiel: etwa den Biber von der Roten Liste geschützter Tiere zu nehmen, um die Population regulieren zu können. "Wir verlangen nichts Unmäßiges", sagt er, "sondern einen angemessenen Ausgleich zwischen Mensch und Natur."

© SZ vom 01.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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