Berufsorientierung:Neigung statt Noten

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Nachwuchs dringend gesucht: Spenglermeister Sascha Mergler möchte die Schüler von der abwechslungsreichen Handwerksarbeit in seinem Familienbetrieb überzeugen. Künftige Bewerber sollten dann vor allem schwindelfrei sein. (Foto: Claus Schunk)

Mehr als 40 Unternehmen, Betriebe und Behörden haben sich bei der ersten regionalen Ausbildungsmesse des Landkreises München in Unterhaching präsentiert. Sie alle suchen händeringend nach Lehrlingen.

Von Mariella Kockler, Unterhaching

Ob Global Player wie Airbus oder heimische Traditionsbetriebe: Mehr als 40 Unternehmen, Betriebe und Behörden haben sich am Donnerstag auf der ersten regionalen Ausbildungsmesse des Landkreises München in Unterhaching präsentiert. Ziel der Schau: Dem Fachkräftemangel in Ausbildungsberufen entgegenwirken, indem man den Kontakt zwischen Schülern und den Firmen aus ihren Heimatgemeinden herstellt.

Denn der Kampf um die besten Nachwuchskräfte ist hart; allein im vergangenen Jahr blieben im Landkreis 258 Lehrstellen unbesetzt. Gleichzeitig herrscht nahezu Vollbeschäftigung, weshalb auf immer mehr Ausbildungsstellen im Raum München immer weniger Bewerber kommen, wie Unterhachings Bürgermeister Wolfgang Panzer (SPD) bei der Eröffnung der Messe betont. Landrat Christoph Göbel (CSU) sieht hier insbesondere auch die Chance für die Unternehmen: Sie sollen nicht nur zeigen, wie dringend motivierte Arbeitskräfte gesucht werden, sondern auch, wie attraktiv das Ausbildungsangebot im Landkreis tatsächlich ist.

Interessierte Jugendliche beim Stand des Autohauses Gruber. (Foto: Claus Schunk)

Um engagierte Nachwuchskräfte buhlen auf der Ausbildungsmesse vor allem mittelständischen Betriebe und Familienunternehmen, denn alle teilen sie die eine Sorge: zu wenige Bewerber. "In den vergangenen Jahren ist das Problem, Auszubildende zu finden, richtig schlimm geworden", sagt Detlef Kiefer, der mit seinem Betrieb für Elektrotechnik zum ersten Mal auf einer Messe dabei ist. Sofern überhaupt eine Bewerbung ankomme, sei die meist so schlecht, dass er sie direkt in den Müll werfen könne, beklagt Kiefer. Dabei spielen die Schulnoten der Bewerber für ihn gar keine so große Rolle, viel wichtiger sei der Lernwille der Lehrlinge: "Die jungen Leute sind in der Schule oft faul, deswegen sind sie aber noch lange nicht dumm", betont Kiefer.

Die schönen Seiten des Handwerks

Bei Heizung Huber können Interessierte direkt praktische Erfahrungen sammeln. (Foto: Claus Schunk)

Weniger Noten, mehr Neigung: Für die wenigsten Handwerksbetriebe auf der Messe ist die schulische Leistung ihrer Bewerber mittlerweile noch ausschlaggebend. Auch Sascha Mergler sucht für seinen Unterhachinger Spengler- und Dachdeckereibetrieb händeringend Nachwuchs und ist gewillt, jedem, der genügend Interesse am Handwerk mitbringt, eine Chance zu geben. "Am Endes des Tages sieht man, was man mit seinen Händen geschaffen hat. Das ist das Schöne", sagt Mergler. An seinem Stand versucht er, die Jugendlichen auf die schönen Seiten des Handwerkberufs aufmerksam zu machen, denn das Berufsimage hat sich aus seiner Sicht längst gewandelt: Weg vom unattraktiven, hart arbeitenenden Handwerker mit Alkoholproblem hin zu einer gefragten Berufsgruppe mit verbesserter Bezahlung. So wie alle Betriebe hofft auch er, heuer durch die Ausbildungsmesse auf den einen oder anderen Bewerber mehr.

Bei der Zielgruppe kommt das regionale Konzept der Veranstaltung gut an: Einige hundert Schüler und Berufseinsteiger schieben sich am Vormittag gemeinsam mit ihren Lehrkräften durch die Hachinga-Halle. Einen konkreten Berufswunsch haben zwar wohl noch die wenigsten von ihnen - einige besuchen gerade einmal die 7. Klasse -, trotzdem nutzen sie die Chance, sich umzuhören nach dem potenziellen Traumjob: In Grüppchen schlendern die Schüler von Stand zu Stand; gucken hier, plaudern dort und stauben nebenbei gratis Trinkflaschen, Kugelschreiber und sogar Schwimmnudeln ab.

Spaß, gute Arbeitszeiten und Gleichberechtigung sind wichtig

"Es gibt eine gute Auswahl an Ausbildungsberufen, vor allem im kaufmännischen und handwerklichen Bereich", sagt der 15-jährige Quirin, der sich zusammen mit seinen Klassenkameradinnen Emily und Tiziana umsieht. Die beiden Mädchen hingegen sind von der Auswahl weniger überzeugt: Sie hätten sich gewünscht, dass auch Ausbildungsberufe aus dem kosmetischen Bereich wie Visagistin oder Friseurin auf der Messe vertreten sind. Auch über Ausbildungsplätze in der Medienbranche hätten sich die beiden Neuntklässlerinnen gerne informiert. Allen drei Jugendlichen ist vor allem Spaß, gute Arbeitszeiten und Gleichberechtigung in ihrem zukünftigen Beruf wichtig.

Der Verdienst sei nicht ausschlaggebend, sollte jedoch trotzdem angemessen sein. Auch Oskar, 15, von der Realschule Neubiberg ist mit seinen Schulfreunden unterwegs. Im Februar hatte die Klasse an der Fahrt des Ausbildungstourbusses von Landratsamt und IHK zu Betrieben im Landkreis teilgenommen. Einige Unternehmen, die besucht wurden, sind nun auch wieder vertreten. Nicht nur deshalb fehlt Oskar die Abwechslung: Insgesamt sei die Messe eine gute Idee, er hätte sich aber weniger Kaufmännisches und mehr Angebote aus der Automobilindustrie gewünscht. Etwas, das es bei der nächsten regionalen Ausbildungsmesse vielleicht schon gibt.

© SZ vom 29.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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