Bahnausbau:Banger Blick auf die Blockverdichtung

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Neue Gleise wird es nicht geben. Trotzdem sollen im Bereich Haar bald mehr Güterzüge in kürzeren Abständen verkehren können. (Foto: Claus Schunk)

Die Dialogforen zum Streckenausbau für den Brenner-Basistunnel beginnen. Haar fürchtet Lärm und Folgen für die S-Bahn

Von Andreas Junkmann und Bernhard Lohr, Haar/Ebersberg

"Der Brenner ist zwar ein gutes Stück weg, strahlt aber trotzdem in die Region ab." Das sagt Franz Lindemair in weiser Vorausahnung, dass ihm schwierige Gespräche bevorstehen werden. Der Sprecher der Deutschen Bahn im Bereich Großprojekte Süd ist an der Konzeption der Dialogforen zum Aus- und Neubau der Zulaufstrecke durch die Gemeinde Haar und den Landkreis Ebersberg beteiligt. Zusammen mit Gesamtprojektleiter Matthias Neumaier und dem für den Abschnitt Grafing-Trudering verantwortlichen Leiter Dieter Müller fand Anfang der Woche ein erster Austausch mit den Gemeinden statt. Haars Bürgermeister Andreas Bukowski (CSU) war mit Zweitem Bürgermeister Ulrich Leiner (Grüne) dabei. Und Bukowski kündigte am Dienstag im Gemeinderat an, "hellhörig" zu sein, damit Haarer Interessen bei Lärmschutz und S-Bahnangebot gewahrt blieben.

Die Gespräche seien offen und konstruktiv gewesen, sagte Dieter Müller bei einem Pressetermin am Mittwoch über die ersten beiden Zusammenkünfte am Montag in Grafing und am Dienstag in Ebersberg. Dabei ging es jeweils um verschiedene Bauabschnitte: Während etwa zwischen Großkarolinenfeld und Grafing eine zusätzliche etwa 20 Kilometer lange zweigleisige Strecke gebaut werden soll, wird zwischen Grafing und Trudering die bestehende Trasse ausgebaut. Ziel ist es, im Bereich Haar die Kapazität auf den Gleisen hin zum Brenner-Tunnel zu steigern oder wie Neumaier sagt: "Der Verkehr soll zunehmend von der Straße auf die Schiene verlagert werden."

Was sich unter Klimaschutz-Gesichtspunkten positiv anhört, freut die Anwohner der Trasse eher weniger. Denn mehr Verkehr bedeutet in aller Regel mehr Lärm. Das war ein zentrales Thema in den ersten Gesprächsrunden. Den Lärmschutz habe man jedenfalls auf dem Schirm - und man sei in der Vergangenheit auch nicht untätig gewesen, heißt es von der Bahn. Etwa 75 Millionen Euro seien zu diesem Zweck in die Trasse zwischen München und Kiefersfelden geflossen. Im Bereich Gronsdorf und Haar wurde kürzlich das Jahr 2022 als "potenzieller Baustart" für eine 700 Meter lange, drei Meter hohe Lärmschutzwand auf der Südseite der Gleise genannt. Damit sollen zum Großteil auf Kosten der Gemeinde in den vergangenen Jahren errichtete Schutzwände ergänzt werden. Der Standard, den man sich im Haarer Rathaus erhofft, wird damit aber nicht erreicht. Die Bahn-Vertreter sagten bei dem Pressetermin, es müssten erst Untersuchungen zeigen, ob der von vielen Gemeinden geforderte Lärmschutz nach Neubau-Standard zwischen Grafing und Trudering nötig sei und umgesetzt werde.

Die Bahn will in den Dialogrunden, an denen auch Bürgervertreter und regionale Verbände teilnehmen, über den Baufortschritt informieren. Die Betroffenen sollen ihr Know-how einbringen. In Haar ist eine der großen Fragen, wie viele Züge genau auf den bestehenden vier Gleisen verkehren werden. Von der Bahn hieß es, das müssten erst Untersuchungen zeigen. Ziel sei eine optimierte Blockverdichtung. Dazu sollen die Abstände zwischen den Streckensignalen von derzeit zwischen 1200 und 1500 Metern auf rund 1000 Meter verkürzt werden. Die Züge sollen in geringerem Abstand die Trasse passieren. Der S-Bahn-Verkehr dürfe dadurch nicht beeinträchtigt werden, versprechen die Planer. Bukowski warnte, wenn Güterzüge über S-Bahngleise rollen sollten, wäre das für die S-Bahn ein "zusätzliches Blockadeelement".

Die nächsten Gespräche sind für November angesetzt, in der Zwischenzeit sollen mit den Kommunen Kriterien entwickelt werden, um die "Belange von Mensch und Natur am besten zu berücksichtigen". Zwar sind die Dialogforen nicht für jeden zugänglich, die Gesprächsprotokolle werden aber Tage danach auf www.brennernordzulauf.eu hochgeladen. Man wolle, höchstmögliche Transparenz schaffen, sagen die Planer.

© SZ vom 23.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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