Badeunfälle:Kommunen in der Zwickmühle

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Die Frage nach der Verantwortung, wenn am Eisweiher etwas passiert, treibt Bürgermeister Greulich um. (Foto: Catherina Hess)

Die Gemeinde Ismaning baut aus Sorge vor einer Haftung bei Badeunfällen Einstiegshilfen an einem Weiher ab. Auch das Landratsamt prüft wegen eines Präzedenzfalls den Schutz vor Rechtsansprüchen

Von Irmengard Gnau, Ismaning

Der 49-jährige Mann, der vergangene Woche mit seinem Neffen den Feringasee durchschwimmen wollte, als ihn plötzlich die Kräfte verließen, hatte Glück: Die Wasserwacht war zur Stelle und rettete den Schwimmer gemeinsam mit aufmerksamen Passanten aus seiner Notlage. Wie aber sieht es an kleineren Gewässern aus, an denen keine ehrenamtlichen Helfer über die Badenden wachen? Diese Frage treibt derzeit Alexander Greulich (SPD) um. Der Ismaninger Bürgermeister hat diesen Sommer nach reiflicher Überlegung mit seinen Kollegen im Gemeinderat beschlossen, die beiden Einstiegstreppen am Eisweiher, einem kleinen Weiher am Taxetwald im Süden der Gemeinde, abbauen zu lassen. Aus Sorge, die Kommune und damit auch die kommunalen Entscheidungsträger, könnten sonst im schlimmsten Fall in die Haftung geraten.

Nachdem der Bürgermeister die Badestelle gemeinsam mit Experten aus der Verwaltung, der Rechtsabteilung und des Bauhofs eingehend inspiziert hatte, war die Entscheidung gefallen: Die beiden Treppen, die bislang den Einstieg in den Eisweiher erleichtert haben, wurden abgebaut. Eine Entscheidung, über die viele Gemeinderäte und auch der Bürgermeister nicht glücklich sind. Doch: "Die Rechtssprechung drängte zum Handeln", sagt Greulich. "Je mehr wir an Einrichtungen am Weiher anbringen, desto mehr erhöhen wir unsere Haftung", fürchtet der Jurist. Seine Sorge fußt auf einem Gerichtsurteil von Februar 2020. Das Amtsgericht Schwalmstadt weist darin dem Bürgermeister des nordhessischen Neukirchen eine Teilschuld wegen Unterlassens zu, nachdem in seiner Gemeinde 2016 drei Kinder aus nicht genau geklärten Gründen in einem Teich ertrunken sind. Der Bürgermeister hat Revision eingelegt, dennoch hat das Urteil Diskussionen über die Verkehrssicherungspflicht an Gewässern ausgelöst.

Nun ist der Ismaninger Eisweiher nicht vergleichbar mit dem Feringasee, dem Garchinger See oder anderen großen Badeseen in der Umgebung, die in den Sommermonaten Tausende Erholungssuchende aus dem ganzen Landkreis anlocken. Der Eisweiher ist nur etwa zwei Hektar groß und ziemlich flach; eine Wasserwachtstation oder ähnliches gibt es dort nicht, der Weiher wird vor allem von den Anwohnern genutzt. Nichtsdestotrotz stellt sich aber auch dort die Frage, ab wann ein Weiher als öffentlich ausgewiesene Badestelle gilt und inwiefern die Kommune eine Aufsichtspflicht hat. Über diese Fragen gehen die juristischen Meinungen auseinander. Greulich sieht die Kommunen in einer Zwickmühle. Er verweist auf das "Recht auf Genuss der Naturschönheiten und auf Erholung in der freien Natur", welches die Bayerische Verfassung in Artikel 141, Absatz 3, Satz 1 zu einem "jedermann zustehenden subjektiven Recht im Range eines Grundrechts" garantiert. "Wir wollen unsere Bäche und Gewässer erlebbar machen für unsere Bürger - aber wie soll das gehen, wenn die Haftungsrechtsprechung zunehmend dagegen steht?", fragt der Ismaninger Bürgermeister.

Auch das Landratsamt prüft zurzeit, ob und inwieweit es mit Blick auf die Verkehrssicherungspflichten an weiteren Badestellen tätig werden muss. Die Behörde ist zuständig für die Verwaltung und Betreuung der Erholungsgebiete rund um den Unterschleißheimer See, Poschinger Weiher, Feringasee, Heimstettener See sowie den Deininger Weiher. Am Unterschleißheimer, Feringa- und Heimstettener See sowie am Poschinger Weiher halten Ehrenamtliche der DLRG beziehungsweise der Wasserwacht des Roten Kreuzes Aufsicht, diese Gewässer sind also quasi außen vor. Allein der Deininger Weiher hat keine eigene Wasserwachtstation. Trotzdem besteht nach Einschätzung des Landratsamts kein akuter Handlungsbedarf an dem idyllisch gelegenen Weiher. Badeinseln, Badestege, Sprungtürme oder ähnliche Baulichkeiten, die ein erhöhtes Verletzungs- oder Ertrinkungsrisiko mit sich brächten, gebe es am Deininger Weiher nicht, argumentiert die Behörde. "Es befinden sich dort lediglich mehrere Leitern sowie zwei Rampen, um ins Wasser zu gelangen. Anlagen, die den Komfort erhöhen, zum Beispiel Duschen, oder aber der Hygiene dienen, zum Beispiel Toiletten, lösen nach unserer derzeitigen Einschätzung indes keine Aufsichtspflicht aus", heißt es.

Ismanings Bürgermeister wünscht sich gleichwohl Unterstützung von höherer Stelle, um den Kommunen Unsicherheiten in der Haftungsfrage zu nehmen und unbeschwerten Badespaß zu ermöglichen. Als erstes Bundesland hat Schleswig-Holstein kürzlich ein Gesetz erlassen, das mehr Rechtssicherheit bei Ausweisung und Betrieb von Badestellen bringen soll. "Ich hoffe, dass sich auch der Gesetzgeber im Freistaat bald dieses Themas annimmt und da nachbessert", sagt Greulich.

© SZ vom 14.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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