Ayinger Ortsgeschichte:Wenn dem Römer die Toga verrutschte

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Grabungsleiter Alois Spieleder berichtet über die Funde der jüngsten Ausgrabungen in Großhelfendorf. Darunter ist auch eine Münze, die in den Resten einer antiken Toilette entdeckt wurde.

Von Michael Morosow, Aying

Wer auf Ayinger Flur eine Schaufel in die Erde treibt, kann daraufhin nicht selten gleich einen Archäologen verständigen. Wie 2012 auf der Kramerwiese im Ortsteil Peiß, wo sich Historikern quasi mit jedem Spatenstich ein neues Kapitel der Ayinger Geschichte öffnete und sie aus drei unterschiedlichen Erdschichten ebenso Zeugnisse einer Siedlung aus dem 15. Jahrhundert vor Christus entdeckten wie von einer aus dem Mittelalter und obendrein auf Spuren eines Heerlagers aus dem Dreißigjährigen Krieg stießen.

Bei den Ausgrabungen in Großhelfendorf wurden neben der Römerstraße unter anderem Perlen gefunden. (Foto: Alois Spieleder/Privat)

Und die Gemeinde Aying gräbt sich weiter tiefer und tiefer durch zu ihren Wurzeln. Nach der aufsehenerregenden Entdeckung eines mittelalterlichen Erdstalls im Jahr 2016 neben dem Friedhof und der Freilegung von Grundrissen eines römischen Kastells im Osten Ayings im Jahr darauf, hat ein archäologisches Grabungsteam nun in Großhelfendorf-Nord ein 80 Meter langes Teilstück der Römerstraße freigelegt und, en passant, Reste einer größeren Siedlung aus der Merowingerzeit gefunden.

Auch Grabstellen kamen bei den Ausgrabungen zum Vorschein. (Foto: Alois Spieleder/Privat)

Wenn am Dienstag, 12. Februar, Grabungsleiter Alois Spieleder vom Freisinger Büro X-Cavate Archaeology PG eine Stunde vor Beginn der Gemeinderatssitzung dem Gremium und den Besuchern von den Ergebnissen der jüngsten Ausgrabung berichtet, dann liegen das Teilstück der Römerstraße und die frühmittelalterlichen Siedlungsreste bereits lange wieder unter der Erde. Am Ende der archäologischen Arbeiten und der Dokumentation der Funde wurden die Flächen mit Geotextil bedeckt, über das eine Sandschicht geschüttet wurde. So bleiben der mit Schotter aus der Umgebung befestigte antike Verkehrsweg und die alte Siedlung zumindest in ihrem Bestand erhalten. Abermals in Augenschein nehmen lassen sich die historischen Funde wohl so schnell nicht. Sie ruhen auf beiden Seiten der Staatsstraße 2078 teils unter den Fundamenten eines Wohngebietes und eines Supermarktes. Beides errichtet auf kommunalen Grund, weshalb die Gemeinde wie jeder andere Bauherr für die Kosten der archäologischen Grabungen aufkommen muss.

Archäologe Marcel Troppmann bei der Arbeit. (Foto: Angelika Bardehle)

Die Gemeinde schaut genau hin

Im Gegensatz vielleicht zu dem ein oder anderen privaten Bauherrn, der aus Angst vor Bauverzögerung und Grabungskosten gerne mal einen Schädel oder ein Schwert beim Aushub übersieht, lässt die Kommune lieber genau hinschauen, was sich unter den Verdachtsflächen der Gemeinde verbirgt, und in Aying und Umgebung gibt es sehr viele Verdachtsflächen. Wie teuer die Gemeinde die Bergung, Kartierung und Konservierung der Funde kommen wird, kann Bürgermeister Johann Eichler nach eigenen Worten gegenwärtig noch nicht sagen, aber die Kosten gehen seiner Schätzung zufolge auf einen sechsstelligen Betrag zu.

Die Entdeckung des 80 Meter langen Abschnitts der Römerstraße hat Eichler dabei nicht sonderlich überrascht. Jedes Kind, das in Großhelfendorf zur Schule gehe, wisse von der Existenz der Römerstraße gleich in der Nähe. "Das haben wir in Heimat- und Sachkunde gelernt", hatte der Bürgermeister bereits zu Beginn der Ausgrabungen gesagt. Aber einen Blick drauf werfen konnten er und andere an der Gemeindegeschichte interessierte Bürger nur während der Zeit zwischen Freilegung und Konservierung.

Eine 3,16 Meter lange, acht Zentimeter breite und drei bis fünf Zentimeter tiefe Spurrille ist darauf zu erkennen, in das Pflaster gerieben von den Eisenrädern schwerer Karren und Reisekutschen. Ebenfalls mit in Stein geritzten Rillen hatten es die Archäologen auch nebenan auf dem Areal der mittelalterlichen Siedlung zu tun. Es sind die Rillen eines Beschwerungsgewichtes für einen Webstuhl. Von den in Holz errichteten Gebäuden, die hier vor etwa 1200 Jahren standen, ist bis auf wenige Reste kaum noch etwas erhalten, aber aufgrund der Pfostenstellungen lassen sie sich rekonstruieren.

"Von so einer Siedlung bleibt in der Regel nicht mehr viel übrig", weiß Alois Spieleder. Was überdauert hat, haben die Mitglieder der Grabungsmannschaft gefunden, darunter vier Hofgrablegen, Grabstellen eines so genannten Separatfriedhofs, wie er in der Merowingerzeit üblich war.

Einen netten Fund machten die Archäologen in einer Abfallgrube, an der die Menschen damals auch ihre Notdurft verrichteten: eine römische Münze. Wie diese dort hingekommen ist, kann zwar nicht mehr verifiziert werden, aber Grabungsleiter Alois Spieleder weiß, dass die alten Römer ihr Geld oft in der Bauchfalte der Toga getragen hatten und die Toga bei bestimmten Verrichtungen gerne verrutschte.

© SZ vom 24.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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