Architektouren:Die Madonna öffnet sich zur Welt

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Wo einst eine Hecke eine Wiese abschottete, öffnet sich heute ein weiter Platz vor dem Pfarrhaus. (Foto: Claus Schunk)

Die Pfarrei Rosenkranzkönigin in Neubiberg präsentiert sich bei den Architektouren am Wochenende mit einem umgestalteten Pfarrhaus und einer Marienfigur hinter Glas. Insgesamt stehen am Wochenende im Landkreis ein Dutzend Objekte zur Besichtigung.

Von Daniela Bode, Neubiberg

Der Platz vor der Kirche der Pfarrei Rosenkranzkönigin in Neubiberg ist kaum wiederzuerkennen. Er ist zur Kaiser- und zur Hauptstraße hin offen. Ein dünnes Beton-Vordach führt entlang der Fassade des Pfarrbüros und der Kirche und weiter bis zur Bushaltestelle an der Hauptstraße. Auf dem Vorplatz wechselt sich Beton- mit Kopfsteinpflaster ab, auf einem Kies-Karree sind neun japanische Kirschbäume gepflanzt, dazwischen thront die Figur der Rosenkranzmadonna auf einer Säule. Der Platz vor der Kirche scheint den Besucher willkommen zu heißen. Ganz anders als früher, als dort nur eine Wiese war, abgeschirmt von einer Hecke.

Am Sonntag führt der Architekt durchs Haus

"Wir haben eine Öffnung geschaffen, eine Sichtbarkeit nach außen", sagt Architekt Clemens Pollok vom Büro Pollok und Gonzalo Architekten in München, das viel Erfahrung mit der Modernisierung von Sakralbauten hat. In den vergangenen beiden Jahren wurden ein Vorplatz für die Kirche und das Pfarrhaus geschaffen, der an den öffentlichen Straßenraum angebunden ist, und das Pfarrhaus wurde neu gestaltet. Das Ergebnis ist am Sonntag bei den Architektouren zu sehen. Pollok wird von 14 Uhr an durch die Räume und über den Platz führen (Treffpunkt: Vorplatz). Bei den Architektouren, eine Veranstaltung der Bayerischen Architektenkammer, sind am Wochenende bayernweit 284 ausgewählte Bau-Projekte zu besichtigen, die sonst zum Teil nicht zugänglich sind.

Die Umgestaltung in Neubiberg begann, als Sylwester Walocha 2010 die Pfarrei übernahm. Zunächst ließ er die Priesterwohnung renovieren. Dann sollte das Pfarrbüro modernisiert werden. "Wir wollten uns ein bisschen öffnen", sagt Walocha, der den Pfarrverband Neubiberg-Waldperlach leitet. Es ging auch darum, das Gebäude behindertengerechter zu gestalten, wie Kirchenpfleger Ingo Heinemann ergänzt. Vom Landesamt für Denkmalpflege kam schließlich die Anregung, den gesamten Kirchenvorplatz im Auge zu haben. "Mit der Aufforderung haben wir das Ordinariat dazu gebracht, einen neuen Ausdruck für die Verbindung zwischen Hauptstraße, Neubiberg und dem Pfarrhaus zu schaffen", sagt Architekt Pollok. Auch vom Bürgermeister und von der Gemeinde sei die Idee der Öffnung sehr positiv aufgenommen worden.

Weitere offene Bauwerke: Holzsaal mit Blick auf die Wildschweine

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(Foto: Andreas Kagerbauer)

Grünwald - 4,5 Meter hoch, aufsteigende Bankreihen, Fichtenholzwände und ein bullernder Holzofen in der Ecke - der Holzbau mit 80 Quadratmetern Nutzfläche erinnert an eine überdimensionale finnische Sauna mit Glasfront. Der Panoramasaal im Walderlebniszentrum Grünwald dient als Mehrzweckgebäude für Vorträge und Lehrveranstaltungen. Bei der Eröffnung freute sich einer der Architekten vom Staatlichen Bauamt, Andreas Kagerbauer, besonders über den Eichenfußboden. "Das Holz stammt von Bäumen hier aus dem Wald, die jahrelang abgelagert wurden", sagte er damals. Es bietet sich ein wunderbarer Blick durch die haushohen Fenster. Von dort aus kann man die Wildschweine im Gehege beobachten, wenn sie gefüttert werden. Bauherr ist das Staatliche Bauamt Freising. Das Gebäude in der Sauschütt in Grünwald kann am Sonntag von 11 bis 12 Uhr besichtigt werden.

Nachhaltigkeit in Holz und Glas

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(Foto: Thomas M. Kortyka)

Grasbrunn - Ein verglastes Treppenhaus, flache Fenster, eine Loggia im Obergeschoss - man kann sich gut vorstellen, dass es sich hier angenehm leben lässt: Das Wohnquartier F2 in der Frühlingstraße 2 bis 4 in Neukeferloh aus vier Passivhäusern wurde in Holz-Hybridbauweise errichtet. Es bietet 13 großzügige Wohneinheiten bei minimalem Energieverbrauch. Eine zentrale Pelletheizung versorgt die Gebäude mit Energie. Das Projekt konnte sich im Wettbewerb um Innovation, Nachhaltigkeit und gute Gestaltung durchsetzen und wurde nun auch für die Teilnahme an den Architektouren ausgewählt. Bauherrin des Projekts ist die Kortyka Brecht Bauwerk GmbH in Dietramszell mit Architekt Thomas Kortyka als projektleitendem Architekten. Besichtigen kann man die Häuser am Samstag um 14 Uhr und am Sonntag um 11 Uhr. Treffpunkt ist an der Frühlingstraße 2.

Siebzigerjahre mit Update

Putzbrunn - 1972 wurde das Bürgerhaus Putzbrunn von den Münchner Architekten Georgens und Miklautz errichtet. Auch die Modernisierung, bei der das gesellschaftliche und kulturelle Zentrum der Gemeinde Putzbrunn erweitert wurde, übernahm das Architektenbüro. Im Oktober 2012 konnte das für 8,5 Millionen Euro umgebaute Bürgerhaus feierlich eingeweiht werden. In dem hochmodern ausgestatteten Gebäude finden nun auf 2500 Quadratmetern Nutzfläche unter anderem die erweiterte Gemeindebibliothek mit einer Sonnen-Leseterrasse, Seminarräume, Veranstaltungssäle, ein Bistro, Jugendräume inklusive Diskothek und der Sitzungssaal des Putzbrunner Gemeinderates ihren Platz. Das Bürgerhaus an der Hohenbrunner Straße 3 in Putzbrunn kann im Rahmen der Architektouren am Samstag und am Sonntag jeweils von 11 bis 16 Uhr besichtigt werden.

Außen Holz, innen Lehm

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(Foto: Wollmann und Lang)

Höhenkirchen-Siegertsbrunn - Ein individuell gestaltetes Einfamilienhaus, vollständig aus massiven Vollholzplatten gebaut, kann in Höhenkirchen-Siegertsbrunn besichtigt werden. Im Inneren ist vom Holz nicht viel zu sehen - die Wände sind mit hellem Lehmputz beschichtet. Laut Architekt Anton Mang ist Lehmputz ein Material mit vielen Vorteilen für das Raumklima. Innen sichtbares Holzelement ist jedoch die raumprägende Balkendecke, die alle Räume des Erdgeschosses verbindet. In jedem Raum des wohnlichen Hauses schaffen große Fensteröffnungen Bezüge zu Teilen des Gartens, wie ein gerahmter Ausblick. Geplant wurde das Objekt in der Zaunstraße 5 vom Büro Architekten Wollmann und Mang. Beide Architekten werden die Besucher am Sonntag zwischen 14 und 16 Uhr durch das Haus mit der grünen Fassade führen.

Einladender Blickfang

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(Foto: Thomas Weinberger)

Ottobrunn - Das neue Gemeindezentrum der Freien evangelischen Gemeinde in Ottobrunn ist ein Blickfang. Das Gebäude, das sich über zwei Hausnummern zieht, besteht aus Holz, an der Front zur Rosenheimer Landstraße hin bilden kleine Fenster ein Kreuz. Der Baukörper fällt nach Osten hin ab, in der Mitte sieht er wie von beiden Seiten zusammengeschnürt aus. Der Eingangsbereich an der Bahnhofstraße soll dadurch wie ausgebreitete Arme auf die Menschen wirken, die wie auf einem Kirchplatz zusammen kommen, sagte Pastor Andreas Müller einmal. Das Gebäude, unter dessen Dach auch die Kinderbetreuungseinrichtung Tollhaus untergebracht ist, wird am Sonntag seine Pforten für Besucher öffnen. Die Architekten vom Büro Allmann Sattler Wappner in München werden Interessierte durch das Gebäude führen. Das Gemeindezentrum in der Bahnhofstraße 2 bis 4, an der Ecke zur Rosenheimer Landstraße wird von 15 bis 16.30 Uhr geöffnet sein.

Markanter Küchenkomplex

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(Foto: Florian Nuffer)

Garching - Das prominent am See positionierte Solitärgebäude des Betriebsrestaurants "Freiraum" ist ein Eckpfeiler der Servicestruktur des Business Campus in Garching. Die Rückseite des Kubus wird gefasst durch einen anthrazitfarbenen, fast geschlossenen Block aus Küchenräumen, der den umliegenden Bürokomplexen ein gewisses Gewicht entgegensetzt. Die Front mit den Gasträumen wirkt mit viel Glas und Pfosten-Riegel-Systemen dagegen filigran. Beschichtete Fassadenroste geben dem Baukörper je nach Tageszeit, Licht und Blickrichtung seinen Charakter. Fünf Koch- und Service-Stationen, Holztische und Vorhangbahnen in Olivgrün lockern als organische Akzente das industriell anmutende Innere auf. Geplant wurde das Projekt am Parkring 24 vom Team um Architektin Georgia Schmucker von der Gewerbeplan GmbH in Garching. Die Planer informieren am Samstag um 14 Uhr bei einer Führung über das Objekt mit seinen 1900 Quadratmetern Nutzfläche.

Vierseithof mit Kraftwerk

Ismaning - Um ihn vor dem Verfall zu schützen, ist der Goldachhof vor vier Jahren in den Besitz der Gemeinde Ismaning übergegangen. Die Münchner Architekten Eichlinger übernahmen 2012 die denkmalgerechte Restaurierung des 100 Jahre alten Ensembles. Der Vierseithof besteht aus einem Guts- und einem Personalhaus, einem historischen Taubenhaus und einer Maschinenhalle. Das alte Wasserkraftwerk konnte nach einer Sanierung wieder in Betrieb genommen werden. Der restaurierte Hof ist in Ismaning, Mayerbacherstraße 130, zu finden und kann am Samstag und Sonntag von 12 bis 17 Uhr besichtigt werden. Führungen durch das Wasserkraftwerk finden jeweils zur vollen Stunde von 13 bis 16 Uhr statt.

Kinderkrippe im Passivhausstandard

Oberschleißheim - Kompakter Baukörper mit Holzrahmenfassade: Die Kinderkrippe in Oberschleißheim entspricht dem Passivhausstandard. Der einfache, kubische Baukörper des Neubaues ist in Mischbauweise errichtet: Ein Stahlbetonskelett mit aussteifenden Kernen und die hochwärmegedämmte Holzrahmenfassade bilden die Grundlage für die kostengünstige Beheizung des Niedrigenergiegebäudes. Die architektonische Gestaltung wurde vom Münchner Büro Pfletscher und Steffan übernommen. Interessierte können die Krippe in der Professor-Otto-Hupp-Straße 38 am Samstag von 14 bis 15 Uhr und am Sonntag von 16 bis 17 Uhr besichtigen. Treffpunkt ist an beiden Tagen vor der Kinderkrippe.

Brückenschlag am Gymnasium

Garching - Der Neubau am Werner-Heisenberg-Gymnasium wurde im Oktober 2014 abgeschlossen. Er vereint Unterrichtsräume, Turnhallen, die Mensa und die Ganztagsbetreuung mit Aufenthaltsräumen. Die Komposition aus drei Baukörpern wurde von Architekt Peter Schwinde gestaltet. Sie passt sich den landschaftlichen Gegebenheiten an: Mühlbach, Überreitergraben, Hügel mit Theatron und ein großer Baumbestand wurden in die Planung miteinbezogen. Der Ganztagsbereich bietet durch seine Lage jenseits des Mühlbachs einen gewissen Abstand zur Schule und findet doch eine Verbindung durch Brücken. Der Neubau am Professor-Angermair-Ring 40 ist am Samstag von 11 bis 13 Uhr zu besichtigen.

Stadthäuser mit Blick ins Grüne

Unterföhring - Mitten in Unterföhring, wo früher einmal ein landwirtschaftlicher Hof lag, stehen nun sieben Stadthäuser in Massivbauweise mit Loggien aus Lärchenholz. Herausforderung bei der Planung war laut Architekt Stefan Wagner vor allem die lärmintensive Straße, an der die Häuser liegen. Doch nach Westen hin befindet sich der Grünraum Isar, sodass die dreigeschossigen Häuser in diese Richtung mit Loggien und kleinen Patios geöffnet werden konnten. Geplant wurden die Gebäude vom Büro 4 Wagner und Partner Architekten in Eching. Zwei der Häuser an der Münchner Straße 97 können am Sonntag zwischen 10 und 13 Uhr besichtigt werden.

Das Vordach reicht bis zur Bushaltestelle

Mit dem Vorplatz soll der Pfarrgemeinde die Möglichkeit gegeben werden, religiöse, soziale und theologische Inhalte sichtbar zu machen. "Es ist ein Glück für mich, den inneren Weg einer Pfarrei zu begleiten, und wenn sie den Bau als Chance sieht, das nach außen zu tragen", formuliert Pollok. Verschiedene Gesten machen das deutlich. Ein Beispiel dafür ist der neue Standort der Rosenkranzmadonna. Sie stand bisher unter ein paar Bäumen hinter der Kirche, wo sie kaum einer wahrnahm. Jetzt befindet sie sich auf dem Vorplatz und "ist sichtbar", freut sich der Pfarrer. Das Portal zur Kirche soll die Kontinuität von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft verdeutlichen. Für das neue Portal wurden die Kupferbleche der vier bisherigen Türen wiederverwendet. Das neue Vordach soll den Schutz symbolisieren, wie ihn der Mantel der Rosenkranzmadonna bietet. Das leichte Vordach ist bis zur Bushaltestelle an der Hauptstraße vorgezogen. "Mit dieser Geste wird eine Brücke geschlagen zwischen der kirchlichen und der politischen Gemeinde", sagt Pollok.

Gläubige beten am Fenster

Die Madonna im Inneren ist von Außen durch eine große Glasfläche zu sehen. (Foto: Claus Schunk)

Nicht nur der Vorplatz ist viel offener geworden, sondern auch das Pfarrbüro. Über eine Rampe können nun Rollstuhlfahrer und Mütter mit Kinderwagen problemlos das Haus erreichen. Im Inneren wurden Wände versetzt, Glasflächen eingezogen, klingelt man, öffnen sich die Türen von selbst. Die Räume haben viel mehr Licht als zuvor. Eine große Glasfläche öffnet das Pfarrhaus zum Vorplatz hin. Wer dort hineinschaut, erblickt die Figur einer Rosenkranzmadonna vor einer weinroten Wand. Besonders abends, wenn sie angestrahlt ist, bietet sie einen wunderbaren Anblick. "Diese Idee wurde sehr positiv aufgenommen", sagt Walocha. "Es kommen Menschen, die vor dem Fenster beten."

Außer den neuen Formen und Gesten wirkt die Wahl der Materialien gelungen. "Es ist eine sehr schlichte Vorortkirche. Damit muss man sehr respektvoll umgehen", sagt Pollok. So soll der Beton, aus dem das Vordach besteht, einerseits Stabilität ausdrücken, andererseits ist es so dünn, dass es fast zart wirkt. Auch die graue Farbe der Fassade des Pfarrhauses fällt auf, wirkt aber nicht aufdringlich.

Und wie kommt die neue Optik, die neue Aufteilung bei den Gläubigen an? "Es gefällt vielen Menschen und sie identifizieren sich damit", sagt der Pfarrer. Und er hofft, dass auch die, die noch nicht überzeugt sind, sich dort bald noch wohler fühlen werden. "Ich war selbst am Anfang unsicher, ob wir mit den Veränderungen nicht zu weit gehen. Im Nachhinein finde ich aber, es war eine gute Entscheidung", sagt der Pfarrer.

"Wenn Vertrauen da ist, gelingt es immer"

In Pollok hatte die Pfarrei einen im Sakralbau erfahrenen Architekten. Der hebt hervor, dass man immer mit dem Bauherrn im Gespräch gewesen sei, und sagt: "Wenn Vertrauen da ist, gelingt es immer." Nach ein paar kleinen Ausbesserungsarbeiten wird das Projekt bald abgeschlossen sein. Die Kosten des Vorhabens werden sich auf rund 1,4 Millionen Euro belaufen, wobei das Ordinariat 90 Prozent davon und die Pfarrei zehn Prozent zu tragen haben. Pfarrer Walocha freut sich über das geglückte Projekt und findet dafür auch ein paar geistliche Worte: "Alles, was wir hier versucht haben, soll den Menschen helfen, Zugang zu Gott zu finden, sich wohl zu fühlen und Gemeinschaft zu erleben." Der Weg der Kirche sei der Mensch - und dem versuchten sie gerecht zu werden.

© SZ vom 25.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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