Amtsgericht München:Unterbrochen ist nicht abgebrochen

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In den ungewohnten Höhen der Anden ist ein Münchner ernsthaft erkrankt. Vor Gericht wollte er sich nun einen Teil der Kosten seiner Südamerika-Reise erstreiten.

E. Müller-Jentsch

Abgebrochen, unterbrochen - für einen reiselustigen Münchner sind solche sprachlichen Definitionen nur Spitzfindigkeiten von Versicherungsjuristen. Er war in den südamerikanischen Anden ernsthaft erkrankt und hatte fünf Tage lang in einer Klinik behandelt werden müssen. Für ihn war damit der Traum geplatzt, einmal die Höhepunkte Südamerikas zu sehen. Er versuchte, sich mit dem Gedanken zu trösten, dass wenigstens die Reiseversicherung einen Teil der Kosten erstatten würde. Doch vor Gericht musste er nun feststellen, dass es durchaus auf sprachliche Genauigkeit ankommt.

Touristen-Attraktion Machu Picchu: Inka-Stadt in den Anden. (Foto: Reuters)

Wer Südamerika kennenlernen will, muss die Klöster und Kathedralen der spanischen Kolonialzeit gesehen haben, die Zeugnisse präkolumbianischer Kulturen ebenso bestaunen, wie die phantastischen Landschaften der Andenkette, Machu Picchu, den Titicacasee und die berühmten Iguassú-Wasserfälle. Ein Ehepaar hatte eine entsprechende Studienreise als Pauschalpaket bei einem Münchner Veranstalter gebucht.

Doch in den ungewohnten Höhen der Anden oberhalb von 3000 Metern hatte es den Touristen böse erwischt: Flüssigkeit sickerte ins Lungengewebe und behinderte seine Atmung. Das Lungenödem musste in einem Krankenhaus behandelt werden. Fünf Tage dauerte der stationäre Aufenthalt. Die Ehefrau blieb bei ihrem Mann.

Mehrere der gebuchten Übernachtungen und Ausflüge konnten die beiden deshalb nicht in Anspruch nehmen. Deshalb wandte sich der Ehemann nach seiner Rückkehr an die Reiserücktrittsversicherung und verlangte den Ersatz der ausgefallenen Leistungen, knapp 2200 Euro.

Die Assekuranz winkte jedoch ab: In den Versicherungsbedingungen stehe, dass Entschädigung auf Grund einer unerwarteten schweren Erkrankung nur bei Abbruch der Reise gezahlt werde. Hier sei die Reise aber nur unterbrochen worden. Der Münchner versuchte zu kontern: Eine Unterbrechung setze voraus, dass die Reise an der Stelle fortgesetzt werde, an der sie unterbrochen wurde - das sei bei einer Rundreise aber nicht der Fall.

Vor dem Münchner Amtsgericht bekam die Versicherung recht. "Im allgemeinen Sprachgebrauch ist das Wort ,Abbruch' als eine plötzliche und vorzeitige Beendigung eines Vorgangs zu verstehen", sagte der Richter. "Dagegen liegt bei einem vorläufigen Einstellen eines Vorgangs, der später wieder aufgenommen wird, bloß eine Unterbrechung vor - der Kläger hat die Reise wieder aufgenommen, also hat er sie nicht beendet." Sonst würde jede noch so kurze Unterbrechung der Reise den Versicherungsfall auslösen, meinte er. "Und das ist ersichtlich nicht gewollt."

Das Urteil (Az.:223C27643/09) ist rechtskräftig.

© SZ vom 30.11.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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