Landgericht München:Shoppen auf Unternehmenskosten

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  • Eine Sekretärin zweigt in ihrem Unternehmen 322 000 Euro ab, um ihre Kaufsucht zu finanzieren.
  • Vor Gericht macht sie ihre schwierige Kindheit und Beziehungsprobleme für die Sucht verantwortlich.
  • Die Angeklagte ist bereits zwei Mal wegen ähnlicher Taten zu Haftstrafen verurteilt worden.

Von Christian Rost

Sobald sie unter Druck stehe, sagt Claudia M., kaufe sie ein. Sie geht aber nicht etwa gezielt in einen Laden und sucht sich etwas Schönes aus, das sie glücklich macht. "Ich kaufe wahllos ein", erzählt die 47-Jährige. Ob es sich um fünf Paar gleiche Schuhe handelt, Berge von Klamotten oder einen Luxusfernseher, spielt dabei keine Rolle.

Weil sie als Sekretärin mit einem Bruttoeinkommen von 1400 Euro nicht über die notwendigen Mittel für ihre Kaufräusche verfügte, bediente sie sich von den Konten ihres Arbeitgebers. 322 000 Euro veruntreute sie von Juli 2012 bis Mai 2014 bei einem Transportunternehmen im Münchner Norden. Seit diesem Montag muss sich die Industriekauffrau wegen insgesamt 124 Fällen der Untreue vor der 7. Strafkammer am Landgericht München I verantworten.

Die Angeklagte stellte fiktive Aufträge in Rechnung

Claudia M. bekam den Job als Sekretärin bei der Firma nur eine Woche nach der Entlassung aus dem Gefängnis. Bereits zwei Mal ist sie wegen ähnlicher Taten zu Haftstrafen verurteilt worden, zuerst saß sie zwei, dann sechs Jahre hinter Gitter. Die lange Haftzeit entfaltete bei der Frau aber offenbar keine abschreckende Wirkung: Denn auch bei ihrem neuen Arbeitgeber, wo sie sich um Abrechnungen und die Organisation des Betriebs kümmern sollte, begann sie bald wieder damit, fremdes Geld auf ihr Konto umzuleiten.

Wie die Angeklagte am ersten Prozesstag einräumte, erfand sie Kurierfahrten von Subunternehmern und stellte die fiktiven Aufträge ihrem Arbeitgeber in Rechnung. Die Bezahlung auf ihr eigenes Konto leitete sie selbst in die Wege. Oder sie gab auf Rechnungen, die die Transportfirma für Aufträge von Medizinlaboren stellte, ihre eigene Kontonummer als Zahlungsempfänger an. Die tatsächliche Kontonummer ihres Arbeitgebers auf der Rechnung strich Claudia M. kurzerhand durch. Allein mit dieser Manipulation ergaunerte sie sich knapp 130 000 Euro. Im Mai 2014 flogen die Taten auf, die Kauffrau wurde festgenommen und kam in Untersuchungshaft.

Angeklagte verweist auf schwierige Kindheit

Ihre Kaufsucht führt die Angeklagte auf ihre Beziehungsprobleme zurück. Sie suche sich stets dominante Männer aus, berichtet die korpulente Frau. Die problematische Partnerwahl hänge vermutlich mit ihren negativen Erfahrungen in der Kindheit zusammen, so M. Ihr Vater habe sie stets abgelehnt und zu ihr gesagt: "Du taugst nichts", berichtet die Angeklagte. "Er wollte kein Mädchen haben, sondern einen Jungen."

Zu den Untreue-Taten bei ihrem letzten Arbeitgeber soll es ebenfalls wegen eines dominanten Partners gekommen sein. Mit einem Mann aus dem "Milieu" hatte sich Claudia M. eingelassen. "Er schlug mich und setzte mich unter Druck. Ich konnte mich aber nicht von ihm lösen." Angeblich hatte er mitbekommen, dass sie ihren Arbeitgeber ausnahm, und forderte einen Teil für sich. Sie habe ihm einen teuren Fernseher gekauft, sagt die Angeklagte, und auf die Frage des Vorsitzenden Max Boxleitner, wo die für das viele Geld gekauften Waren geblieben seien, meint sie: "Ich hab' viel an Bekannte verschenkt."

Glücklich ist sie damit nicht geworden, Claudia M. weiß, dass ihr nur eine Therapie helfen kann. Deshalb ist momentan ihr einziger Wunsch, einen Platz in einer psychotherapeutischen Einrichtung zu bekommen, wo man sich mit dem Phänomen Kaufsucht auskennt.

© SZ vom 27.01.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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