Kurzkritik:Wutgetrieben

Thomas Bernhards "Alte Meister" im Teamtheater

Von Petra Hallmayer, München

An der Wand hängt ein leerer Rahmen, vor dem ein Mann auf einer Bank sitzt. Seit mehr als 30 Jahren kommt Reger in Thomas Bernhards Komödie "Alte Meister", die Andreas Wiedermann mit dem Theater Plan B inszeniert hat, jeden zweiten Tag ins Kunsthistorische Museum, um Tintorettos "Weißbärtigen Mann" zu betrachten und nach einem "gravierenden Fehler" in dem Gemälde zu suchen. Der Musikkritiker der "Times" ist eine typische Bernhard-Figur von maßloser intellektueller Arroganz. Er schwelgt in Schimpforgien, vernichtet in apodiktischen Urteilen Beethoven ("mehr Getöse als Musik") und Bruckner ("stupides orchestrales Ohrenschmalz"). Er duldet nur Menschen um sich, die ihn verehren und als seine Sprachrohre dienen, wie den Museumswärter Irrsigler und den Privatgelehrten Atzbacher, der als Erzähler auftritt. Bernhards Großkritiker ist ein Fossil, das Irrsigler (Evelyn Plank), der mit Gefängnisaufseher-Miene über die Bühne schlurft, im Teamtheater wie ein Museumsstück bewacht.

Wiedermanns Inszenierung gelingt ein fein ausgeloteter Balanceakt zwischen Komik und Tragik. Wie Martin Hofer als Atzbacher Reger zitiert, sich über die Lehrer und die Wiener Toiletten echauffiert, mit welchem Snobismus Titus Horsts Reger das Wort "Times" auf Stelzen stellt, verächtlich "Wirtshaus" bellt, ist köstlich. Reglers verstorbene Frau, die er in einem schaurigen Erziehungsprozess aus ihren Geschmacksniederungen zu sich erhoben hat, schwebt als karikaturhaft ausstaffierter Geist aus fernen Zeiten herein. In der Erinnerung, wie sehr er diese Frau gebraucht hat, enthüllt sich schließlich die jämmerliche Einsamkeit eines Mannes, der versucht hat, sich vor dem Leben in die Kunst zu flüchten.

© SZ vom 29.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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