Kurzkritik:Virtuos posierend

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Das BR-Symphonieorchester mit Daniel Müller-Schott

Von Paul Schäufele, München

Es ist nicht aus der Welt zu bekommen: Diese gedachte Sollbruchstelle im Werk Robert Schumanns, die seine gegenläufig gefügten Ich-Projektionen markiert - Florestan den Wilden, Eusebius den Milden. Daniel Müller-Schotts Interpretation des späten Cellokonzerts klingt nach einem Versuch, diese poetische Brüchigkeit zu heilen. Mit sonorem, auch im Pianissimo nie sprödem Ton leuchtet der Welt-Cellist die sonst melancholisch verdunkelten Schumann-Tiefen aus. Dabei kommt er zumal im ersten, rezitativisch angelegten Kopfsatz zu mutigen, fantasievollen Selbstaussagen.

Partner in dieser furchtlosen Erkundung ist am Freitagabend im Herkulessaal das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks unter Andrew Manze. Später kommt noch Lionel Cottet hinzu, der Müller-Schotts großräumig ausgesungenes Solo im zweiten Satz zum Cello-Duett ergänzt. Dies ist ein Moment äußerlicher Statik bei großer emotionaler Bewegtheit. Springen darf der Cello-Bogen dann wieder im burlesken Finale, das durch die homogene Klangorganisation Müller-Schotts als folgerichtiger Abschluss des Konzerts wirkt. Mit rhapsodischer Freiheit und zupackender Geste gelingt ihm der gerade in diesem Opus heikle Spagat zwischen virtuoser Pose (die Schumann eigentlich ganz fremd ist) und romantischer Innenschau. Müller-Schott vermag es trotz seines Programms der Klangmaximierung die spielerische Larmoyanz des Satzes zu zeigen. Das Publikum feiert ihn dafür; Casals "Gesang der Vögel" ist die anmutige Erwiderung.

Mit einem Solisten wie Daniel Müller-Schott fällt es auch weniger auf, dass das fuchtelige Dirigat Andrew Manzes das Orchester nicht zur Höchstform animiert. Beethovens erste Symphonie kommt da zumindest im ersten Satz wenig transparent daher, allzu jubilarisch-massiv, mit dicker Akkordwucht. Erst im Finale, der Feier der C-Dur-Tonleiter, gelingt Manze eine prägnante Deutung der Partitur. Hier sprudelt es vor Witz und Brisanz, was nicht zuletzt an der sichtbaren Spielfreude der Musizierenden liegen mag.

© SZ vom 19.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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