Kurzkritik:Mit Text und Ton

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"Oil" stellen ihr Debütalbum samt Buch "Naturtrüb" vor

Von Anna Weiss, München

"Früher war es genauso beschissen wie jetzt", liest der Musiker "Reverend" Christian Dabeler vor. Damit zielt er auf verklärte Musikepochen, und in seiner rauen Stimme liegt so eine Absolutheit, dass nicht mal die lachsfarbenen Pullover, in die er und seine Bandkollegen von Oil gehüllt sind, dieser Aussage eine ironische Ebene unterlegen können - und an Ironie mangelt es an diesem Abend nicht.

Denn die Band Oil stellt im Import Export ihr Debütalbum "Naturtrüb" und ihren gleichnamigen Roman vor. Letzterer dokumentiert die Entstehungsgeschichte der Platte in Form von Tagebuchaufzeichnungen, die die Band während Jamsessions in schleswig-holsteinischen Einöden angefertigt hat. Das sind oft Meditationen über die eigene Existenz und Musik, absurde Gedankenspielereien, Analysen des Musikgeschmacks der Kollegen und Beobachtungen der Kochkunst von Timur "Mosh" Çirak, der zusammen mit Dabeler, Staatsakt-Labelchef Maurice Summer und Texter Gereon Klug Oil bildet.

Warum haben sie ausgerechnet eine Band gegründet? Unter anderem eint sie das Alter, sie sind alle über 50, bis auf Summer, mit 46 eine "krasse Ausnahme". Zwischen den Textpassagen, die bei den "dreißig versprengten Zuschauern", wie die Gruppe ihr Publikum an diesem Abend nennt, sehr gut ankommen, performt die Band ihre Songs, eigenwillige Stücke ("Mann ohne Abschlussschwäche"), oft mit dadaistischen Texten und popkulturellen Referenzen, die sich eindeutigen Genrezuordnungen entziehen. Im Buch lässt der eine die anderen oft resigniert einfach mal machen, und das spiegelt sich auch in den Stücken, bei denen es bisweilen so wirkt, als spiele jeder gerade sein eigenes Ding: ein bisschen Jazz, etwas Blues, Krautrock. Das passt erstaunlich gut zusammen und ist wie im Roman größtenteils sehr unterhaltsam. Ab und zu geschieht es, dass feinsinnige Schilderungen in zu oft gehörten Pointen enden, was der Qualität der musikalischen Lesung insgesamt jedoch keinen Abbruch tut.

© SZ vom 23.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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