Kurzkritik:Axt und Anmut

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Klaus Mäkelä und Beatrice Rana beim BR-Symphonieorchester

Von Egbert Tholl, München

Zwei aufregende Debüts, eines davon war gesetzt. Nicht geplant war, dass beim Konzert des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks der 24 Jahre alte finnische Dirigent Klaus Mäkelä einspringt, weil Mikko Franck erkrankte. Geplant war allerdings das Debüt der 1993 in Apulien geborenen Pianistin Beatrice Rana beim BRSO. Sie konnte auch das spielen, wofür sie engagiert worden war, das dritte Klavierkonzert von Sergej Prokofjew. Doch zu Beginn gab es leider nicht "Apotheosis" von Einojuhani Rautavaara, sondern Zoltán Kodálys "Tänze aus Galánta".

Mäkelä trägt nicht Frack, sondern einen dunklen Zweireiher. Ein sanfter Bruch mit der Tradition, den andere jüngere Dirigenten auch schon mal mit viel unkonventionellerer Kleidung vollziehen. Aber Mäkelä wirkt auch gar nicht wie ein Revoluzzer. Er ist einerseits streng, bewegt sich mit Akkuratesse, vermittelt aber auch eine große Freude am Musikantischen. Da ist viel Potenzial, allein es fehlt ihm noch ein wenig Freiheit. Aber das kann ja noch kommen. Bei Kodálys Tänzen jedenfalls kann er herrlich im strahlenden Klang der Streicher schwelgen, verliert dabei ein bisschen das Gefühl für Klarheit, aber die vielen lustigen, mit Volksmusiken unterfütterten Bläsermomente, die rauschhafte Polka am Ende, wo die Trompete aufspielt wie in der Russendisko - das alles macht sehr unmittelbar Freude. Dass im zweiten Teil des Konzerts die fünfte Symphonie von Sibelius nur dort überzeugt, wo die Musik radikal Effekt macht, dass Mäkelä auch nicht viel einfällt, wenn es Sibelius an Ideen mangelt, dass der Kitsch manchmal klebt wie dunkles finnisches Baumharz, das sei dem jungen Dirigenten verziehen. Er liebt das Stück, klopft zärtlich zum Applaus auf die Partitur. Liebe ist nun einmal wenig analytisch.

Beatrice Rana, eine zutiefst sympathische, völlig allürenfreie Erscheinung in einem glitzernden Nachtnymphenkleid, geht da unabdingbarer ans Werk. Ihr Anschlag ist fabelhaft konkret und doch voller Klang, wuchtig, kräftig, frei von jedem Pathos. Sie spielt Prokofjew wie mit der Axt, sinnbildlich, der Flügel ist noch heil. Wer das Mechanische dieser Musik liebt, das ja zweifelsohne vorhanden ist, der hat hier seine helle Freude. Poesie gibt es im Kern erst in den Zugaben, davor nur in Verschnaufmomenten. Das macht gar nichts, Rana ist ein Erlebnis. Sie spürt das Orchester um sich herum, hat Geschmack, fabelhaften Instinkt. Und wachen Geist.

© SZ vom 22.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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