Kunst und Hightech:Fast zu perfekt

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Erstaunt begutachten die Akademiedozenten Martin Schmidl, Thomas Sebening und Gesa Puell, was mit einem 3-D-Drucker alles möglich ist. (Foto: Robert Haas)

Die Fespa ist die größte Druckmesse Europas - ein Rundgang mit Dozenten der Münchner Kunstakademie, die neue Techniken für ihre Arbeit nutzen wollen

Von Sabine Buchwald

Unter all den gigantischen Maschinen ist es eine relativ kleine, die den Kunstdozenten besonders gefällt. Sie ist kaum größer als ein Sandwichmaker. Mit einer Vorlage auf matter Folie und drei Lichtblitzen ist in diesem Hightech-Ding innerhalb von Sekunden eine Stempelfläche entstanden, die auch feine Strichlein perfekt wiedergibt. Schriften können damit gestempelt werden, das ist nicht sonderlich überraschend. Als aber auch das Porträt einer jungen Frau, präzise wie eine Fotografie, auf der Papierunterlage erscheint, würden die Hochschullehrer die Maschine am liebsten sofort mitnehmen. Für nicht mal 3000 Euro wäre sie zu haben. "Sollen wir sie uns zusammen kaufen?", fragt Gesa Puell ihre beiden Kollegen Martin Schmidl und Thomas Sebening. "Vielleicht bekommt die Kunstakademie ein bisschen Rabatt?"

Über Rabatte lässt sich auf einer Messe immer sprechen, wie auch über vieles andere. Letztlich kommen genau dafür die ausstellenden Firmen aus der ganzen Welt zusammen. Und so vergeht die Zeit für die drei Dozenten der Münchner Kunstakademie am Dienstagvormittag auf der Fespa wie im Flug. Es sind die ersten Stunden dieser Fachmesse, die noch bis inklusive Freitag auf dem Münchner Messegelände stattfindet. Die Aussteller sind gut gelaunt und gehen auf jeden, der Interesse für ihr Produkt zeigt, aufmerksam zu.

Die drei Dozenten leiten Druckwerkstätten an der Kunstakademie und wollen sich auf Europas größter Druckmesse informieren, was die Branche neues zu bieten hat. Laserdrucker und vor allem Lasercutter für die verschiedensten Materialien, das sind dem ersten Eindruck nach die großen Themen. Nach Pinseln und Scheren wird man hier vergebens suchen. Man sieht computergesteuerte Arme über große Flächen fahren und Formen ausschneiden. Von vielen Ständen wehen Banner in bunten Farben. Druck ist bunt, so wie die Welt. Und dreidimensional. "Wir können mit zehn Millionen verschiedenen Farben drucken", sagt eine junge Frau, deren silbernes Paillettenkleid wie eine Schaumkrone das Farbenmeer bricht. An ihrem Stand kommen nicht nur Comicfiguren aus dem 3-D-Drucker, sondern auch Turnschuhe und schicke Brillen.

Martin Schmidl ist auf der Suche nach einem Möglichkeit, auf einer 3-D-Fläche zu drucken. Er leitet die Akademie-Werkstatt für Hochdruck und Typografie. Nach drei intensiven Messestunden wird er bei einem Kaffee resümieren: "Was auf den ersten Blick wie ein Hightech-Park aussieht, ist doch erstaunlich nah an dem, mit was wir uns beschäftigen."

Gesa Puell war vor 15 Jahren schon auf der Fespa in Madrid. Damals sei sie recht überschaubar gewesen, sagt die Dozentin für Lithografie. Die Messe wächst mit den technischen Möglichkeiten. Gut 700 Aussteller sind dieses Jahr nach München gekommen. Nach den Jahren 1999, 2005, 2010 und 2014 findet sie hier nun zum fünften Mal statt. Die Geschichte der Fespa reicht zurück in die frühen Sechzigerjahre. Die Idee, ein europäisches Branchentreffen zu organisieren, entstand in Dänemark. Die erste Messe fand dann 1963 in Paris, die zweite erst wieder 1966 in Zürich statt. Inzwischen kommt man jährlich zusammen. Die Vertreter der großen Firmen kennen sich. Die Branche ist ein weltweites Netzwerk. Über einen Zugangscode, der in Fachzeitschriften, aber auch leicht im Netz zu finden ist, kommen Besucher umsonst in die sechs Hallen. Für den kostenlosen Eintritt gibt man seine Kontaktdaten preis. So funktioniert globales Marketing.

Die Dozenten stört das wenig, sie sind als Akademievertreter unterwegs. Thomas Sebening lehrt Radierung und Tiefdrucktechnik. In alter Manier Kupferstiche zu machen, heißt, sich giftigen, ätzenden Substanzen auszusetzen. Er sucht nach Alternativen, auch weil er seine Studenten schützen will. Er schwärmt von der Farbbrillanz, die ihm überall begegnet. Das sei vor fünf Jahren noch nicht möglich gewesen, meint er. Beeindruckt fährt er mit einer großen Rolle von gerade ausgedruckten Werbebannern zurück und sagt: "So eine Messe frischt den Eindruck auf, dass man sich immer wieder mit der Frage auseinandersetzen muss, wo es technisch und künstlerisch hingehen soll."

Besonders von der Perfektion der gedruckten Produkte ist Puell begeistert. Und doch fühle sie sich befremdet, vermisst ein wenige das Menschliche. An der Akademie interessiere die Idee des Fehlers, sagt sie. "Das ist wohl einer der großen Unterschiede zu der Hightech-Welt." Doch ist es vor allem sie, die von der Anschaffung schneller, präziser Maschinen träumt. Sie möchte mit den jungen Leuten daran arbeiten, um ihnen die Möglichkeiten des 21. Jahrhunderts darzulegen. Sie ist überzeugt, dass die Industrie den Input von Künstlern braucht. Ein Aussteller bietet den Dozenten an, Firmen im Umkreis von München zu vermitteln, die mit seinen Maschinen arbeiten. Vielleicht ergebe sich ja so die Gelegenheit, die Technik auszuprobieren, meint er. Vor seiner Nase scheidet ein Lasercutter permanent vorgegebene Formen aus. Pappe, aber auch Acryl und Leder seien kein Problem.

Ob die Studenten dann so arbeiten, wie es sich der freundliche Firmenmitarbeiter vorstellt, ist dennoch fraglich. Künstler benutzen Materialien oft ganz anders, meint Martin Schmidl. "Wir sind ein Gegenpol zu allem Digitalen." Er und seine Kollegen lehren die oft Jahrhunderte alten Techniken im Bewusstsein, dass die Studenten auf diese Weise an Traditionen anknüpfen können. Aber natürlich müsse man sich heute fragen, wozu man noch Holz- oder Steindruck machen solle, erwidert Puell. Eine Zeichnung können man scannen und als Digitaldruck vervielfältigen. So oft wie man es brauche, on demand, ohne Verschwendung von Ressourcen.

© SZ vom 15.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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