Kulturpolitik:Vermittler statt Visionär

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Diese Baustelle wird ihm bleiben: Anton Biebl, hier vor dem Gasteig, soll seinen bisherigen Chef Hans-Georg Küppers zum 1. Juli 2019 als Kulturreferent beerben. Die SPD, die nach der Vereinbarung der Rathauskoalition bei diesem Posten Vorschlagsrecht hat, wird ihn benennen. (Foto: Robert Haas)

Anton Biebl soll voraussichtlich der neue Kulturreferent Münchens werden. Der Jurist ist kein Charismatiker wie Hans-Georg Küppers, aber in ihm stecken Neugierde und Begeisterung

Von Oliver Hochkeppel

Ob er nun das Klangfest eröffnete oder eine Diskussion leitete, bisher musste Anton Biebl oft zuallererst seine Funktion erklären: Stadtdirektor am Kulturreferat, darunter können sich die wenigsten etwas Konkretes vorstellen. Dabei hat jedes städtische Referat einen Stadtdirektor, der sozusagen das festangestellte Verwaltungspendant zum auf Zeit gewählten politischen Referenten darstellt und als dessen Stellvertreter fungiert, vor allem aber als Bindeglied zum städtischen Direktorium. In Zukunft muss Biebl wohl weniger erklären, denn wenn alles wie geplant läuft, wird er seinen bisherigen Chef Hans-Georg Küppers zum 1. Juli 2019 als Kulturreferent beerben. Die SPD, die nach der Vereinbarung der Rathauskoalition bei diesem Posten Vorschlagsrecht hat, wird ihn benennen.

Für die einen kommt es nicht überraschend, dass die Wahl nun auf Biebl fallen könnte. Obwohl: So offensichtlich ist diese Entscheidung auch nicht. Zum einen ist Biebl ja politisch ein völlig unbeschriebenes Blatt, er ist noch nicht einmal Mitglied einer Partei. Zum anderen ist er bislang meist im Hintergrund geblieben und schon deshalb bei vielen nie auf dem Zettel gelandet. Wer also ist der voraussichtlich neue Kulturreferent Münchens?

Zunächst einmal ein waschechter Münchner, der sich seit jeher wünschte, für die Stadt München zu arbeiten. 1962 geboren, gehört Biebl zu den "Baby- Boomern", den geburtenstarken Jahrgängen, denen man damals "schon in der Schule sagte: Ihr seid viel zu viele und werdet alle arbeitslos", wie sich Biebl erinnert. Eigentlich hätte er gerne Geschichte studiert, doch das erschien ihm zu unsicher und brotlos. Verlockender waren die Anzeigen, die er immer sah, wenn er in der seiner Schule benachbarten juristischen Bibliothek lernte: "Die Landeshauptstadt München sucht Juristen." Es wurde also Jura, und nachdem er am 2. Januar 1991 das nötige Prädikatsexamen in der Tasche hatte, trat er zum 1. Februar in städtische Dienste - wo er seitdem ununterbrochen blieb. Vom Planungsreferat über das Personalreferat, wo er Leiter der Rechtsabteilung und Büroleiter des damaligen Referenten Wilfried Blume-Beyerle war, führte sein Weg schließlich 2010 ins Kulturreferat. Dort war er als Stadtdirektor schnell mehr gefordert als ihm lieb war: Nach dem Zerwürfnis mit der ersten Gründungsdirektorin Irmtrud Wojak musste Biebl 2011 auf die Schnelle die organisatorische Leitung des Prestigeprojekts NS-Dokumentationszentrum übernehmen. Wenigstens kam er so seinem ehemaligen Studienwunsch Geschichte wieder sehr nahe.

Es folgten einige Baustellen, die Biebl als "Generalarbeiter" im Schatten des eloquenten und eleganten Hans-Georg Küppers bearbeitete, immer loyal, kollegial und freundlich. Zuletzt musste Biebl wegen der einen oder anderen Erkrankung von Küppers auch immer öfter in der Öffentlichkeit in Erscheinung treten, und auch wenn er wohl nie der große Charismatiker werden wird, konnte man sehen, wie er zunehmend lockerer und souveräner wurde. So wie er, dem die Kultur nicht in die Wiege gelegt wurde, sich immer mehr Sachverstand auch bei den Inhalten aneignete. "Ich bin immer neugierig gewesen und würde mich als offen und aufgeschlossen beschreiben", sagt er über sich selbst.

Ein Instrument hat Biebl zwar nie gelernt, doch die Musik ist eine seiner Leidenschaften, klassische und vor allem italienische: "Ich habe ein Faible für die Cantautori." Doch können ihn auch alle anderen Genres schnell begeistern, wenn es spannende Projekte sind. Bis hin zu intermedialem Museumsmanagement oder Virtual Reality wie beim "Pixel"-Festival. Eine Begeisterung, die Biebl auch in seine Familie trägt. Zwei Töchter, 20 und 17 Jahre alt, und einen 15-jährigen Jungen haben Biebl und seine Frau. "Wenn ich wohin gehe, geht meist jemand von ihnen mit. Ganz freiwillig", sagt er. Seine Tochter begleitete ihn gerade zu "Mare Nostrum" beim Festival "Politik im freien Theater", sein Sohn zu "Zehn Stunden Kammerspiele". "Es ist spannend zu sehen, wie Kultur direkt wirkt. Gerade bei jungen Leuten, und gerade mit Klassikern. Es geht ja auch um gesellschaftlichen Zusammenhalt."

Mit Anton Biebl bekommt München vielleicht keinen Visionär als neuen Kulturreferenten. Aber viele Visionen sind ja bereits auf dem Weg, vom neuen Volkstheater über das Werksviertel mit dem neuen Konzertsaal bis zur Gasteig-Neugestaltung.

Da ist es vielleicht klüger, einen zu haben, der die Küppers-Linie fortsetzt und als oberster Kultur-Netzwerker die kreative Seite ebenso im Blick hat wie die ökonomische und die verwaltungsrechtliche. Einen, der bei der Erweiterung des Marionettentheaters mit der Baumschutzverordnung zu kämpfen hat, die er einst als Planungsmitarbeiter der unteren Denkmalschutzbehörde selbst erlassen hat. Einen, der bei so etwas Spaß hat. Einen, von dem es intern heißt, dass er als kompetenter Jurist auch die "heißesten Kastanien aus dem Feuer holt". Einen, der neugierig geblieben ist.

© SZ vom 07.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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