Kultur:Kino-Träume für vier Tage

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Seit Jahrzehnten wünschen sich die Pasinger ein Lichtspielhaus. Jetzt bekommen sie zumindest ein Film-Open-Air auf dem Gelände der alten Kuvertfabrik

Von Jutta Czeguhn

Wir haben einen Hausmeteorologen", sagt Katrin Strauch. Der sei sehr optimistisch, was seine Prognosen für den 9. August und die Folgetage angehe. Es wäre auch verhext, wenn der Super-Sommer 2018 sich gerade dann eine Auszeit nimmt, wenn das Gelände der ehemaligen Kuvert-Fabrik zum Freilicht-Kino werden soll. Drei Jahre ist es her, dass die letzten Bewohner die Kupa, wie der Industriebau im Viertel genannt wird, verlassen haben. Drei Jahre Leerstand, sieht man mal von den Tauben, die sich inzwischen im Denkmal eingenistet haben, ab. Drei Jahre, in denen der Eigentümer wechselte. Der neue, die Bauwerk Development GmbH, will nun vor dem Start von Um- und Ausbau im ersten Halbjahr 2019 das Kupa-Areal an der Landsberger Straße 444 noch einmal für die Pasinger öffnen. Vier Tage im August gibt es nun also Kino, Biergarten und Musik.

Nostalgisch werden können die Pasinger nun beim Kino-Open-Air auf dem Gelände der stillgelegten Kuvertfabrik an der Landsberger Straße. (Foto: GRAL)

Beauftragt mit dem Projekt wurde eine Münchner Eventagentur, die sich Gral GmbH abkürzt und in der Langversion des Firmennamens die "Gründliche Realisierung Allgemeiner Lebensfreude" verheißt. Für das Kupa-Sommer-Kino, sagt Gral-Sprecherin Katrin Strauch, werde auf der Westseite des Fabrikgebäudes eine aufblasbare Großleinwand stehen. Der Open-Air-Kinosaal soll 450 Sitzplätze fassen. Die Filmvorführer sitzen mit ihrem technischen Equipment in einem Raum im ersten Stock des Jugendstilbaus und werden dort aus einem kaputten Fenster die Filmbilder - durchweg familienfreundliches Programm - nach draußen schicken.

Kultur und die Kupa. In Pasing hatte man sich gewünscht, dass es diese Kombination, die über Jahre in der alten Fabrik von den dort ansässigen Künstlern gelebt wurde, Bestand gehabt hätte. Doch die Ateliers, die Ballettschule, der Modedesigner, die Hinterhofmoschee, der Malerbetrieb und der improvisierte Jugendtreff, sie alle mussten vor drei Jahren weichen. Kurz vor dem Auszug, der letztlich einer unschönen Räumung gleichkam, hatten die Künstler dem damaligen Eigentümer Rock Capital Group ein ambitioniertes Alternativ-Konzept über eine kulturelle Nutzung der Fabrik vorgelegt. Der Investor zeigte sich davon ebenso unbeeindruckt wie von einer Protest-Demo gegen die Räumung. Auch der örtliche Bezirksausschuss musste hilflos zusehen, wie ein lebendiger Kulturort aus dem Stadtviertel verschwand.

Der Film "Mamma Mia 2" huldigt alte Abba-Hits. (Foto: Jonathan Prime/AP)

Schon vor langer Zeit verschwunden sind die Kinos in Pasing. Dabei stand unweit der Kuvertfabrik mit dem "Bavaria-Theater" eines der ersten Lichtspielhäuser in Deutschland überhaupt. Es wurde 1912 eröffnet, musste allerdings 1918 schon wieder schließen. Im Kopfmiller-Haus am Marienplatz gab es in den Zwanzigerjahren die "Marien-Lichtspiele", ein eher beengtes Etablissement, das die Pasinger "Mauseloch" tauften. Weit geräumiger hatten es die frühen Cineasten in den Palast-Lichtspielen. 1929 an der Spiegelstraße eröffnet, war das "Pali" ein veritabler Kino-Palast mit luxuriösen Logen, einem Orchestergraben gar. Es schloss 1982, damals ging auch die Kino-Ära im Stadtviertel zu Ende. Hoffnung keimte erst wieder auf, als vor ein paar Jahren der Projektentwickler Jakob Willibald nahe der Pasing-Arcaden ein Multiplex mit zwölf Sälen für bis zu 1700 Besucher bauen wollte. Doch auch diese Kino-Träume zerstoben.

Die Bauwerk Development GmbH, seit Anfang dieses Jahres neuer Eigentümer der Kupa und des angrenzende Areals, will die Pasinger Kino-Ära nun zumindest für kurze Zeit wieder aufleben lassen. "Als wir vom Bezirksausschuss erfahren haben, dass es in Pasing noch nie ein Open-Air-Kino gab, war die Entscheidung für das Kupa-Sommer-Kino schnell gefallen", berichtet Roderick Rauert, geschäftsführender Gesellschafter. Bauwerk Development plant - mit dem Münchner Architekturbüro Allmann, Sattler, Wappner an der Seite - im Umgriff der Kupa fünf neue Gebäude mit rund 160 Wohnungen. Die alte Fabrik selbst soll saniert werden und so etwas wie das Herzstück des neuen Quartiers sein. "Wir haben uns intensiv mit dem Gebäude und seiner Historie auseinandergesetzt. Besonders beeindruckt hat uns die Verbundenheit der Pasinger mit dem historischen Baudenkmal", sagt Bauwerk-Geschäftsführer Rauert. Die Identität des Industriedenkmals, versichert er, werde auch nach dem Umbau erhalten bleiben. Auch der "visionäre Geist" soll die Kupa und das Quartier in Zukunft prägen: "War sie vor knapp 100 Jahren der Ort der Erfindung des Fensterbriefumschlags, soll sie morgen moderne Arbeitswelten beherbergen, in denen Menschen mit vielfältigen und kreativen Ideen, Interessen und Lebensmodellen zusammenkommen." Rauert meint hierbei die in der Kupa geplanten Büros.

© SZ vom 06.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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