Kultur:Beim Schein der Regenschirme

Lesezeit: 2 min

Inseln in den Isarauen: 2006 und 2008 machte Sophie Johanna Kaiser mit ihrer Open-Space-Installation Lebenspunkte von Obdachlosen aus. In Laim wird das Projekt jetzt ausgeweitet. (Foto: Silvana Weber/OH)

Der Kunst- und Musikparcours "Open space" leuchtet in Laim neue Begegnungsräume fürs Viertel aus

Von Andrea Schlaier, Laim

Magisch ist das, anziehend und zuweilen poetisch, was da an unerwarteter Stelle aufleuchten wird, mitten am Abend: In warmem Rot, Orange oder Grün scheinende Körper, gelandet wie ästhetisierte Ufos auf winterhartem Boden. Es sind Regenschirme, die hier in der Erde am Laimer Platz, dem schmalen Durchgang beim Interim oder dem gallierhaften Abenteuerspielplatz stecken. Sie sollen die Augen öffnen für un- oder nur einseitig bespielte Orte im Viertel und dafür, ob die sich nicht auch künstlerisch fassen lassen, gerade in einer Gegend, in der es eklatant mangelt an kulturellem Spiel. Warum also nicht Räume neu ausloten und sich dafür in Bewegung setzen. An diesem Freitag, 15. März, gibt es an sechs Stationen dazu zwei Stunden lang Gelegenheit beim Kunst- und Musikparcours "Open space - hören und sehen". Im Schimmer bunter Regenschirme poppen an immer neuer Stelle Performances und Konzerte auf.

"Uns ist es ein Anliegen, den Stadtteil zu erschließen, zu schauen, wofür Orte hier geeignet sind und sie auf soziale und künstlerische Art ins Bewusstsein zu rufen." Petra Stockdreher sagt das von der Initiative "inlaim", die den Parcours veranstaltet und dabei auf die Neuinszenierung der Installation "Open space" von Sophie Johanna Kaiser setzt. Die Künstlerin hatte 2006 und 2008 vor dem Hintergrund einer von ihr mitverfassten Studie über Wohnungslosigkeit in München mit ihren Lichtschirmen auf den winterlichen, nasskalten Isarwiesen bei der Corneliusbrücke auf die Situation der Unbehausten in dieser Stadt aufmerksam gemacht. Mit der Laimer Kunstaktion soll zum einen auch auf prekäre Wohnumstände und Obdachlosigkeit geschaut werden, die in diesem Stadtteil gleichermaßen ein Thema sind. Der Rundgang führt auch deshalb in dunkle Ecken und Durchgänge, die in der kalten Jahreszeit nicht genutzt oder gemieden werden. Das ist der eine Aspekt. Der andere: Durch die künstlerische Aneignung, sagt Petra Stockdreher, wolle man mit den Menschen, die im Viertel leben, ins Gespräch kommen, den Dialog eröffnen, wozu sich diese Plätze in der kulturellen Diaspora Laim eignen würden. Begegnung ohne Konsumzwang im heimischen Quartier zu ermöglichen, ist das übergeordnete Ziel der noch jungen Initiative inlaim. Sie hat vergangenes Jahr mehrfach von sich Reden gemacht, unter anderem durch eine Urban-Gardening-Aktion bei der Unterkunft für Geflüchtete an der Hans-Thonauer-Straße und ein internationales Sommerpicknick, bei dem auch mehrere Musikgruppen aufgetreten sind. Der Parcours an diesem Freitag, 15. März, der vom Kulturreferat gefördert wird, ist von 19 bis 21 Uhr geplant - bei abscheulichem Regenwetter behalten sich die Macherinnen ein Abweichen von der Route vor.

Auftakt ist um 19 Uhr eine Akkordeon-Miniatur mit Michaela Dietl auf dem Laimer Anger. Um 19.20 Uhr geht's über die Straße in Garten und Kirche von St. Ulrich, wo Ruth Wassermann an der Orgel John Rutters "Toccata in Seven" anstimmt. Am Laimer Platz präsentiert Martin Ott um 19.50 Uhr Kompositionen für drei Ensembles. Weiter führt der Weg zum Abenteuerspielplatz des Jugendtreffs Laim, Von-der-Pfordten-Straße 59. Dort ist um 20.15 Uhr Anton Kauns Noise-Performance und Videoprojektion "Rumpeln" zu hören und zu sehen. Um 20.45 Uhr erklingen am Durchgang vor dem Interim von Vera Bayer und Stefanie Busse Lieder zur Migration aus Georgien, Korsika und Apulien. Den Schluss macht um 21 Uhr wieder Akkordeonistin Michaela Dietl mit Walzer auf dem Laimer Anger. Sollte es recht nass werden, lässt sich möglicherweise der ein oder andere der 100 vom MVG-Fundbüro gesponserten Parcours-Regenschirme un-künstlerisch nutzen. Schutz und Unterhaltung, sagt Petra Stockdreher, finde sich in jedem Fall anschließend im Laimer Zwischennutzungs-Hotspot "Z-Common Ground", Zschokkestraße 36. Treffpunkt ist das Lokal "s:gut".

© SZ vom 15.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: