Kostprobe:Südafrikanische Küche neu interpretiert - nicht besonders gut

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Im Oktober hat das avva im Dreimühlenviertel aufgemacht - ein schick eingerichtetes, dunkel gehaltenes Lokal, das oft gut voll ist. (Foto: Robert Haas)

Während das Internet die durchkomponierte Exotik des Essens im avva feiert, fragt sich der Autor, ob er denn seine Geschmacksnerven verloren hat.

Von Pep Rooney

Die Frage, welches Lokal man bedingungslos empfehlen kann, treibt das kulinarische München um. Sterneläden, schon klar, gehen immer. Aber wer einen 08/15-Job mit einem 08/15-Gehalt hat, schaut halt auch nicht einfach so mal im Tantris und den anderen hochdekorierten Restaurants vorbei. Da verbreitet sich die Kunde von einem neuen Laden, der was ganz Neues auf ganz tollem Niveau macht, ziemlich schnell. Im Oktober hat das avva im Dreimühlenviertel aufgemacht - ein schick eingerichtetes, dunkel gehaltenes Lokal, das oft gut voll ist.

Und das avva hat offenbar einen Nerv getroffen. Die Blogosphäre überschlug sich nachgerade, schrieb die Geschichte der Wirtin Preshika Wright rauf und runter, die von ihrer Oma im südafrikanischen Durban das Kochen beigebracht bekam - und ihr erstes eigenes Restaurant nach ihr benannte: Avva bedeutet Großmutter. Wer jemals auf kulinarischer Entdeckungsreise im südlichen Afrika war, weiß, wie reizvoll die verschiedenen Einflüsse aus Europa und Asien und die afrikanische Tradition zusammenwirken können.

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Und das Netz feierte die durchkomponierte Exotik des Essens im avva, wo so gar nicht omahaft gekocht wird, sondern - nach eigenem Bekunden - "postmodern südafrikanisch". Schließlich heißt der Küchenchef Luke Rogers, ein Brite, den das kulinarische München schon im Walter&Benjamin und im Little Wolff bewundern durfte. Seine essbaren Kunstwerke bekommt nun, angelockt durch die hymnischen Blogs, vornehmlich junges Publikum vor die Smartphone-Linse.

Postmodern ist ein Begriff, der sich weit fassen lässt. Häufig verbinden viele damit, dass durch Zitieren und Verfremden bekannter Elemente etwas Neues geschaffen wird. Und da lassen sie sich schon was einfallen, der Rogers Luke und sein Team, dem man durch eine Glasscheibe beim Postmodernisieren der südafrikanischen Küche zuschauen kann. Das Resultat erinnert irgendwie an einen Tarantino-Film: Abgefahren, voller Zitate, ästhetisch hoch anspruchsvoll - aber in Passagen geschmacksfrei.

Da war zum Beispiel bei den Vorspeisen die geschmorte Mandarine mit Ziegenkäse, Grünkohl, Erdnüssen und Brotwürfeln für 13 Euro. Die Würfel und der Käse waren sauber angebrannt, das schmeckte nicht nach Südafrika sondern eher nach Flaucher-Grillen im Sommer. Da war die Fjord-Forelle auf Brioche mit gebratenen Schinkenwürfeln, Grapefruit, Zimt-Kartoffel (13), die so schmeckte, als habe sich ein Student am Morgen nach der WG-Feier eine Scheibe Fisch auf den Toast gelegt, dazu ein bisschen Speck auf den Teller gestreut und dann was Fruchtiges dazudrapiert.

Das Essen im avva: Abgefahren, voller Zitate, ästhetisch hoch anspruchsvoll - aber in Passagen geschmacksfrei. (Foto: Robert Haas)

Weil gerade kein Teller zur Hand war, hat er halt schnell eine Fliese genommen. Da waren die Wachteleier mit "Trüffelkohl" sowie Topinambur-Pfeffer und Petersilienporridge (15), ein Gericht, das super aussah und vornehmlich nach Trüffelöl schmeckte. Sehr dekorativ auch die Wildleberpraline mit Hibiskusbirne, Kekskruste und Schalotten, die geschmacklich überzeugte (16), wenn auch kein bisschen durch Exotik.

Dann gab es noch das Duett von Butt und Skrei mit Kartoffel-Blutwurst-Stampf, ertränkt in einer schwarzen, leicht salzigen Tintenfisch-Tintensoße für stolze 29 Euro, eine Kombination von Zutaten, die sich nicht ergänzten oder gar bereicherten, sondern mit der brachialen Gewalt nach Art von Quentin-Tarantino-Filmfiguren gegenseitig killten. Auch bei der anderen Skrei-Version beging der Fisch geschmacklichen Suizid: Und zwar mittels Erbsensoße mit Debrecziner Wurstscheiberl, was dann ebenfalls 29 Euro kostete.

Nach all den einhellig superpositiven Vorschusslorbeeren für das avva im Netz fragten sich die Testesser allesamt, ob sie nun kollektiv ihre Geschmacksnerven verloren hatten oder der Koch (der im Walter&Benjamin ja so überzeugte) den Verstand. Da hadert man als Kostprobenautor schon mal mit sich. Denn auch das tadellos geschmorte Ochsenbackerl (28) wurde von den dazu servierten Bohnen in einer Chakalaka-Soße gnadenlos dahingerafft - sie erinnerten an Baked Beans aus der Dose. Immerhin überzeugte die Rooibos-Creme-brulée (10), während das Topinambur-Parfait (13) auch vor allem gut aussah.

Ein hochdekorierter Koch hat mal gesagt, letztendlich kommt es immer auf den Geschmack an. Wo er recht hat, hat er recht. Doch überraschende Geschmackserlebnisse gehen den Kunstwerken im avva weitgehend ab. Aber vielleicht reicht es ja für einen tollen Abend, die Teller zu fotografieren und die Bilder ins Netz zu stellen. Der Service soll dabei nicht unerwähnt bleiben: Aufmerksamkeit ist seine Stärke nicht. Warum gab es Brot und Weinkarte erst auf Nachfrage? In einem Lokal dieser Preiskategorie, das sich auch noch als "Weinhandlung" tituliert? Wenigstens kann man einige der soliden bis sehr guten Weine, die sie im avva zu gentrifizierenden Preisen (von etwa sechs Euro an aufwärts für 0,1) auftischen, auch käuflich erwerben und bei einem Glas daheim darüber nachgrübeln, warum man schon wieder nicht den Weg in das Lokal gefunden hat, das alle anderen so geil finden.

© SZ vom 19.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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