Kostprobe:Schön ohne Schäumchen

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Wer unter französischer Küche zwingend komplizierte Begriffe und hochnäsige Kellner versteht, ist im Le Barestovino falsch. Für alle anderen hält das Restaurant im Lehel vorzügliche Hausmannskost bereit

Von Kurt Kuma

Wie heißt der Laden? Barestowienochmal? Barestovino? Uff, das klingt ein bisschen wie die gastronomische eierlegende Wollmilchsau. Wie eine dieser Kneipen, die sich so gar nicht entscheiden können, was sie nun eigentlich sein wollen. Bar. Restaurant. Weinhandlung. Bistro, Taperia oder Trattoria, oder einfach irgendwas mit Essen. Doch in diesem Fall: weit gefehlt. Das Le Barestovino im Lehel hat ein scherenschnittscharfes Profil, ein klares Konzept wie kaum ein anderes Restaurant: Es gibt solide französische Hausmannskost. Nicht mehr und nicht weniger.

Einen Pastis vorneweg - natürlich Ricard und nicht dieses Touristengesöff namens Pernod - und man ist bestens vorbereitet auf ein Drei- oder Vier-Gänge-Menü mit Bestandteilen wie Leberpastete, Fischsuppe, Seeteufel und Schoko-Fondant. Außer natürlich, man versteht unter französischer Küche zwingend irgendwas mit Molekularschäumchen aus Rotationsverdampfern, serviert von manierierten Kellnern, die ständig "Madame" und "Monsieur" sagen. Dann wäre man im Barestovino falsch. Dort bedient die Dame des Hauses, aus dem Zentrum der Champagne stammend, familiär und aufmerksam. Und das Essen besticht insbesondere dank der Qualität der Ware.

In diesen Gläsern ist Platz für Rosé aus der Gascogne. (Foto: Florian Peljak)

Die Gasträume in der Thierschstraße sind ulkig verschachtelt. Am hinteren Ende schließt sich eine Hinterhof-Terrasse an, die man im Hochsommer besonders zu schätzen lernt. Das Drei-Gänge-Menü ist bereits für 37 Euro zu haben und wird auch geübte Esser nicht hungrig hinterlassen. Ein Grund, warum der Guide Michelin dem Lokal einen "bib gourmand" vergeben hat, die Auszeichnung für ein anständiges Menü zu einem anständigen Preis. Allerdings lassen sich im Barestovino einzelne Abschnitte für jeweils fünf Euro sozusagen in die First Class upgraden, was nicht immer, aber manchmal lohnenswert erschien, zum Beispiel, wenn man Zander in Seeteufel verwandeln kann.

Absolut nicht verbesserungsbedürftig fanden wir unter den Vorspeisen einen üppigen Meeresfrüchteteller mit drei stattlichen Crevetten einer Auster und einer Handvoll Meeresschnecken (Bulots), die aus dem Gehäuse zu lösen und in eine cremige Aioli zu tunken waren. Während Landratten vor diesem maritimen Proteinschub womöglich befremdet zurückschrecken, muss man als Seafood-Fan anerkennen: Ware in dieser Frische und Qualität kommt in Münchner Lokalitäten nur selten auf den Teller. Einen ähnlichen geografischen Raumzeit-Sprung in die Bretagne löste die Fischsuppe aus, ein intensives, gehaltvolles und fast schon cremiges Gericht, angereichert mit etwas Rouille und Scampistücken. Wer Fisch in noch sanfterer Darreichungsform schätzt, kann auch lauwarmen Oktopus wählen, fachmännisch weich gegart, mit Olivenöl und Petersilie verfeinert - allerdings in dieser Form auch bei besseren Italienern oder Griechen zu haben.

Optisch weniger spektakulär, aber - Landratten aufgemerkt - geschmacklich nicht zu unterschätzen war eine Leberpastete mit geschmorten Rotweinzwiebeln. Gebackene Scheibchen von der Kalbszunge, etwas übertourt "Tempura" genannt, waren zwar deftig, fielen aber gegen die anderen Vorspeisen ab.

Unter den Hauptgerichten gefiel uns der bereits erwähnte Seeteufel besonders, dazu gereichte Pfifferlinge passten gut zum festen, perfekt auf den Punkt gegarten Fleisch dieses Luxusfisches. Eine Poulardenbrust kam zwar wohlwollend zubereitet auf den Tisch, mit einer sachten Panade, und von einem sommerlich frischen Couscous mit Joghurt, Minze und Koriander begleitet, war aber - Huhn bleibt Huhn - einer der Fälle, die wir beim Folgebesuch für überaus lohnende 5-Euro zu einem stattlichen Kalbsfilet upgradeten, außen scharf angebraten, innen Zartrosa.

Die Nachspeisen bringen schließlich eine ernste Schwierigkeit mit sich, die Qual der Wahl nämlich. Schokoladenfondant mit Vanille-Eis, Basilikum-Zitronensorbet mit Wodka oder mit Crumble und Salbei-Eis versehene Aprikosen - all dies wollten und können wir auch hier nicht in eine objektive Rangfolge bringen. Entscheidungskriterien könnten sein: Wer noch Appetit hat, wähle die Schokovariante, wer bereits die Verdauung anregen will, das Sorbet, und wem die Lust nach Fruchtig steht, nehme die Aprikosen. Einen Fehler kann man beim Schlussspurt nicht machen.

Und weil es im Barestovino eben nicht mit Chichi sondern leger-authentisch zugeht, haben wir, und ja, liebe Weinpuristen, das müsst ihr jetzt ertragen, die drei Gänge mit einem herrlich lachsfarbenen Rosé aus der Gascogne genossen. Die Flasche (24 Euro) würden wir jederzeit wieder bestellen. Vor allem an einem 32 Grad warmen Augustabend.

© SZ vom 14.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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