Kostprobe:Posen auf dem Teller

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Das Restaurant Prinzregent in Riem gibt sich auf der Speisekarte ambitioniert. Doch Service und Qualität des Essens werden den formulierten Ansprüchen bei Weitem nicht gerecht

Von Tankred Tunke

Man muss wohl mit einer Frage beginnen: Warum nach Riem zum Essen? Das hat nichts mit Überheblichkeit zu tun, sondern mit den Gewohnheiten des infrastrukturell extrem verwöhnten Münchners, der im Zentrum bekanntlich nur einmal umfallen muss, will er von einem Gesinnungsitaliener zum nächsten gelangen; und der nur dann eine Ausflugsausnahme macht, wenn zu Renke oder Ochsenbackerl an den Gestaden von Ambach oder Rottach-Egern der Sonnenuntergang mitserviert wird.

Dabei spricht auch Einiges für Riem: Zum Beispiel, dass sich ein Traditionshaus wie das Hotel Prinzregent vor gut einem Jahr mit Marcus Duchardt einen so jungen wie vielversprechenden Küchenchef an den Herd geholt hat. Der 33-Jährige sammelte seine Erfahrungen unter anderem in den Sterneküchen des Acquarello in Bogenhausen und des Tristan auf Mallorca, er hat in Frankreich und in der Schweiz gekocht und war zuletzt Küchenchef des Atelier Gourmet in Haidhausen.

In Riem ist der von Duchardt formulierte Anspruch entsprechend hoch: Er vertraut auf Spitzenprodukte regionaler Anbieter für eine bayerisch inspirierte Klassik mit paneuropäischen Anleihen. Es geht also um lokal geerdete Cross-Over-Küche, wie sie derzeit so modern ist. Die Kunst dieses Stils liegt nicht, wie viele Köche glauben, in der Vielfalt, sondern in der klugen Beschränkung. Weil sich Handwerk und Handschrift des Küchenchefs sonst rasch in Pose und Beliebigkeit verlieren.

Der Gastraum des Prinzregent wirkt durchaus heimelig. Aber 60 Minuten Wartezeit aufs Essen ist selbst in angenehmer Umgebung zu viel. (Foto: Florian Peljak)

Schon beim Betreten des Lokals stellt sich jedoch der leise Verdacht ein, dass es hier eher um Attitüde gehen könnte. Weil die eifrige Gediegenheit des Speisesaals (Steinsäulen, Gasflämmchenkamin, Holzvertäfelungen und gepolsterte Bänke) so gar nicht zum Ton des Kellners passen will ("Ach, sie haben reserviert? Also bei mir steht nichts!"). Der Ort spielt am Ende eben doch eine Rolle. Denn wollte das Restaurant im Hotel Prinzregent tatsächlich so etwas wie ein dauerüberbuchtes, goldenes Erlebnisdreieck bilden, dann kämen dafür als weitere Koordinaten ja eher der Segmüller in Parsdorf und die Autobahnzufahrt Feldkirchen in Frage als das Pariser Ritz . Und so findet sich am Ende mehr als nur ein freier Tisch, wie schön. Und ja: Hier ist es schließlich sogar recht heimelig.

Die Speisekarte klingt dann durchaus interessant. Das Drei-Gänge-Menü gibt es für 35 Euro. Darüber hinaus finden sich viele Klassiker neben einem halben Dutzend Empfehlungen des Monats, die allerdings eine Spur zu ambitioniert wirken, weil wenige Gerichte ohne das Attribut "fein" auskommen und dem Gast nach Lektüre der internationalen Gourmetdeklination aus Schäumchen, Gremolata, Mousseline oder Confit schon mal der Kopf schwirrt.

Die unnötige Fallhöhe, die ein Lokal dadurch aufbaut, wird um so frappierender, wenn es dann geschlagene 60 Minuten dauert, bis mal ein Brotkorb auf dem Tisch steht, und der Gruß aus der Küche sich als Couscoushappen mit - ja was eigentlich?- erweist. Um es vorwegzunehmen: Die servierten Produkte waren - überwiegend - in Ordnung, doch ihre Verarbeitung geriet zu einer Parade der Verkünstelung und handwerklichen Schnitzer wie sie im Lehrbuch nicht besser aufgeführt sein könnte.

Da kommt zum Auftakt eine fast satirisch große Portion Creme vom Ziegenkäse, überreif bis zur Bitterkeit, und flankiert von drei Cashewkernen und etwas Feigenchutney (9 Euro). Die Sahnigkeit der Sellerieschaumsuppe reißt eine Oliven-Foccaccia, so groß man sie auch ankündigt, mit Sicherheit nicht raus. Und das Blankett vom bayerischen Kalb kommt ohne annoncierte Blätterteighaube (24). Kein Problem übrigens, schwierig wird es erst, wenn der Kellner die dazugereichten Teigecken am Tellerrand mit "das macht man so, das ist Französisch" kommentiert. Auch hätten wir uns die Soße besser abgebunden und gewürzt vorstellen können.

Die Pose, sie führt hier leider durch den Abend. So ist es zwar legitim ein simples Kalbsmedaillon (23,50) mit Süßkartoffeln und Granatapfel zu servieren und ihm so einen aufregenden Migrationshintergrund anzudichten. Aber nur, solange die Integration nicht am Gaumen scheitert. Man fragt sich etwa, wieso die Süßkartoffel ausgerechnet in eine Allianz mit der nicht minder süßen Karotte gezwungen wurde, zusammengebacken in einer zu festen Terrine und flankiert von einer noch süßeren Soße. Wer soll sich dieser Übermacht entgegenstemmen? Die acht freundlichen Granatapfelkerne auf dem Rosenkohl? Da wirkt es fast schon unerheblich, dass die Terrine unten verbrannt und das Kalb nicht zart geraten ist.

Im Prinzregent hat man neben Apfel- und Johannisbeersaft auch Birne und Kirsche im Schrank. So weit nicht der Rede wert. Doch ein Restaurant, das diese Säfte in wechselnder Kombination als die gerade so aktuelle nicht-alkoholische Begleitung anpreist, muss sich fragen lassen, warum es nicht auch gleich Fanta und Kamillentee mit ins Programm nimmt.

Fairerweise sollte man sagen, dass es Lichtblicke gab: Die ordentlich geschmorte Lammhaxe, das solide Wiener Schnitzel, das Tartar oder die Kürbis-Crème brûlée. Doch bei den Nachspeisen waren die falschen Prioritäten wieder allgegenwärtig. Für das Bienenstichkrokant hätte man einen Meißel gebraucht, ohne den die Creme unschön an der Seite herausquoll, während auf der anderen Seite das geschmolzene Eis von der offenbar unausrottbaren Schieferplatte tropfte. Will die Küche im Prinzregent die guten Ansätze retten, sollte sie die Karte entrümpeln. Wir kommen gern nach Riem, aber zum Essen und nicht, um den Schnösel im Umland zu geben.

© SZ vom 03.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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