Kostprobe:Gediegenes Niveau, oft unerreicht

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Das La Bohème ist eine gelungene ästhetische Mischung aus Loft, Galerie und Heizungskeller. (Foto: Stephan Rumpf)

Ein gelegentlich unglückliches Ringen mit außergewöhnlichem Anspruch: Das Restaurant "La Bohème" in der Parkstadt Schwabing kann trotz guter Ansätze nicht immer überzeugen

Von Carolus Hecht

Köche sind Unterhaltungskünstler. Kaum ein Alltagsberufsstand beeinflusst Laune und Wohlbefinden seiner Klientel so unmittelbar und so nachhaltig. Geschmacks- und Geruchssinn, Psyche und Seele, selbst das Gehör - wenn's knusprig knackt - bekommen ihren Balsam. Und dann tritt, so im La Bohème, gelegentlich noch ein Zauberkünstler mit zusätzlicher Kurzweil an den Tisch. Soll das Vergnügen zusätzlich gewürzt, sollen Unzulänglichkeiten übertüncht werden?

Am Schwabinger Tor, einem dieser halb fertigen, eintönig neuen Protzviertel der Stadt, hat sich das La Bohème in einer gelungenen ästhetischen Mischung aus Loft, Galerie und Heizungskeller mit viel Kupfer, Leder und eiserner Beleuchtungstechnik etabliert, draußen umrundet von der Tramlinie 23, die lautlos und effektvoll durch die riesigen Scheiben schliert. Das Konzept: Man solle und wolle hier speisen, zechen und gern verweilen, was - das sei vorausgeschickt - das gut gelaunte Personal froh begleitet; es sei denn, man sieht sich plötzlich, etwa am kaltgewordenen Lunchbuffet, mit der gelegentlich raulaunig verfassten Prinzipalin persönlich konfrontiert, die in der Küche mal meisterlich, mal wurstig das Kommando führt.

Frankreich gilt als der Fixstern der Küche, mit asiatischen Würzeinsprengseln und mediterranen Neuerungen, wie etwa Salz und feinem Olivenöl als Begrüßung. Der fischsatte Sonntagsbrunch zu 19 Euro macht wohlig und zufrieden. Mittags gibt's neben Standards meist zwei Tagesgerichte für die Berufstätigen rundum, mit Salat auch als Buffet und bei 9,90 Euro zu mäßigem Preis, abends ein ausladendes Menü, das von drei bis sieben Gängen variabel zwischen 48 und 82 Euro kostet, fast alles wohltuend portioniert, nicht zu karg, nicht zu üppig. In der Gruppe lassen sich auch Fisch, etwa der gewaltige Loup de mer im Salzmantel, oder wuchtige argentinische, US-amerikanische oder irische Steakcuts ordern, die sich, zu erklecklichen Preisen, spektakulär in der Hipsterrunde aufteilen lassen. All die Aufzählung - noch Käseofenbrote, Flammkuchen und Flambiertes - macht etwas atemlos, freilich auch die auf gediegenem Niveau unstete Machart der Gerichte.

Die Zwiebelsuppe bestach mit verlockender Süße; die Consommé überwölbte ein Hauch von Künstlichkeit; der Steinpilzcappuccino hinterließ null Geschmackseindruck. Die mittags außer der Reihe servierte, höchst delikate, mediterrane Tomatensuppe fand sich anderen Tags als Sud zu den Miesmuscheln wieder - ohne das beanstanden zu wollen. Schwarzwurzeln, Picandou, Herbsttrompeten, Kräutersalat - welch ein Gedicht, desgleichen die Jakobsmuscheln mit Kürbisvariationen. Die Avocadovariationen wiederum hinterließen keinerlei sinnliche Erinnerung. Dem sonst tadellosen Beef Tatar mit vorbildlich lauem Ei fehlte das so wichtige knackige Ingredienz.

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(Foto: Stephan Rumpf)

Das La Bohème ist eine gelungene ästhetische Mischung aus Loft, Galerie und Heizungskeller.

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(Foto: Stephan Rumpf)

Hier kann man manchmal auch dem Kochkünstler bei der Arbeit zusehen.

Das Wiener Schnitzel panzerte eine zu grobe Panade. Der Kartoffelauflauf bröselte trocken und würzarm. Welch köstlicher Zusammenstand aber die Belugalinsen mit der Meeräsche. Der Speckschaum dazu jedoch - Schaum, nur Schaum. In schöner Harmonie der Bachsaibling mit den dreierlei Erbsen (Fisch zwischen 17 und 24 Euro). Das Lammkarree in der Kräuterkruste zerging auf der Zunge. Über den Filetspitzen des Bœuf bourguignon in der Burgunder-Cognac-Jus - unerwartet delikat die geschmorten Perlzwiebeln - wehte aber wiederum ein leises, irritierendes Kunstaroma. Hinreißend freilich der Rehrücken mit Spitzkrautcreme, Spätzle und Wildjus, so zart, so umflort von Wildhauch ohne jede Penetranz, schlichtweg unübertrefflich (Fleischhauptgerichte zwischen 24 und 36).

Wir beobachteten sonst ein eher unglückliches Ringen mit außergewöhnlichem Anspruch, den zu erfüllen dann oftmals doch nicht gelingt. Und das mit der ästhetischen Gemütlichkeit, die man hier propagiert? Man will auch Teestube sein, man will auch Weinstube sein. (Dass übrigens einmal schlicht kein Helles im Haus war, lag an Nachurlaubsanlaufschwierigkeiten.) Der offene Wein ist sehr gediegen, konventionell und sehr prominent sortiert: Veltliner vom Ott, Grauburgunder vom Keller, Riesling "Grauschiefer" vom Schmittges, ein extrem knackig heller Nebbiolo vom modischen Hartweg aus dem Piemont. Dass allerdings statt des Blaufränkischen vom Umathum aus dem burgenländischen Seewinkel einer vom Gesellmann ausgeschenkt wurde, ohne darauf hinzuweisen, war ein schwerer Kunstfehler. Zumal bei Glaspreisen für 0,1 zwischen sechs und neun Euro für manche denn doch die Gemütlichkeit endet. Nicht, dass die respektablen Kreszenzen im unverschämten Rahmen der Münchner Weinpreisräuberei ihr Geld nicht wert wären. Beginnt dann aber das Flaschenvergnügen überhaupt erst knapp unter 50 Euro und schlägt eine arglos bestellte Flasche Sauvignon blanc vom Tement aus der Steiermark bereits mit 125 Euro zu Buche - wer außer einer sehr stromlinienförmigen Klientel soll es sich hier dann noch gemütlich machen?

© SZ vom 26.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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