Alles ist anders. Früher beispielsweise tummelten sich Fotografen am Bühnenrand, weitgehend ohne Einschränkungen ihrer Arbeit, schließlich hatten sie den Auftrag, ein möglichst gutes Bild des Künstlers zu erhaschen. Heute sind sie die Ornithologen der Popkultur, die vom Hallenende aus mit Monsterobjektiven zu Konzertbeginn versuchen sollen, Musikern in der Anwärmphase des Abends ein wenig optische Präsenz abzuringen.
Früher hatten Fans Feuerzeuge in der Tasche, um in den Momenten der schönsten Wallung die Daumen mit dem Flämmchen hochzuhalten und auf diese Weise Glühwürmchenheere der Atmosphäre zu schaffen. Heute strecken sie die Taschenlampen-LEDs ihrer Mobiltelefone in die Höhe, die mit dem Charme einer Mundrauminspektion die wohlige Klangstimmung desodorieren.
Früher war der Sound oft schlecht, dafür konnte man Originale auf der Bühne erleben, die an der Basis ihrer Kunst laborierten, denn es wollten so manche Sounds und Stile erst noch erfunden werden. Heute klingt selbst die Olympiahalle ganz anständig, nur der Entdeckergeist der Musiker hat sich längst verflüchtigt. Aber gut, Ende Lamento!
Schließlich können The Corrs nichts dafür, dass sie erst in den Neunzigern in der Popwelt auftauchten, um mit einer Mischung fröhlicher, von volksmusikalischen Akzenten durchzogener Melodien gegen die damals herrschende technoide Langeweile anzutreten. Sie sind bereits Kinder der Repro-Ära, die sich auf Vorangegangenes bezieht, und bezeichnenderweise schafften sie es damals aus der Regionalliga heraus mit der Cover-Version von "Dreams", einem Fleetwood-Mac-Klassiker aus einem dieser Leuchtturm-Alben der popmusikalischen Selbstfindungsphase Amerikas.
Mariah Carey in München:Früher war mehr Glamour
Mariah Carey trägt immer noch Glitzerbodys und kann so hoch singen, dass es beeindruckt und in den Ohren schmerzt. Doch beim Duett mit einer Toten wird klar: Es ist nur noch Restruhm übrig.
Im Unterschied zu den Wirtshausbarden oder auch den Intellektuellen des Irish Folk konzentrierten sich The Corrs auf die anschmiegsame und freundliche Seite des Genres und das haben die Geschwister aus dem Städtchen Dundalk bis ins Detail perfektioniert. Nach einem Jahrzehnt Platten- und Bühnenpause wieder unterwegs umgarnen sie das Publikum in der Olympiahalle mit einem nach monatelanger Tournee perfekt laufenden Programm ihrer Lieblingsmelodien von "Love To Love You" über "Radio" bis "Runaway", "Breathless" und ein paar neuen Songs wie "Kiss Of Life".
Aufgebaut nach klassischer Entertainmentdramaturgie werden die kräftigeren Songs nach eine halbe Stunde von einem folkgetönten Intermezzo mit Instrumentals wie "Erin Shore" abgelöst, überhaupt sind diese Momente der Reduktion des Poppigen auf die Wurzeln des musikalisch Familiären die stärksten des Konzerts.
Man ahnt, was Andrea, Sharon, Caroline und Jim Corr antreibt, sich nach einem Vierteljahrhundert wieder auf den Weg zu machen, um die Menschen an ihren Melodien teilhaben zu lassen. Und man wünscht sich die Band in einen kleinen Club, fernab der Absurdität eines bestuhlten Hallenkonzerts, wo sie mehr sie selbst sein könnten und weniger Popstars sein müssten.