Kommunalwahl in den Stadtvierteln:Zersplitterte Parteienlandschaft

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Die SPD schwächelt, die Grünen sind im Zentrum stark, die CSU punktet am Stadtrand. Außerdem drängen neue Gruppierungen in die Bezirksausschüsse. Wie die Wahl im März ausgehen wird, lässt sich kaum vorhersagen

Von Thomas Kronewiter

Als am Abend des 14. Mai 1996 die Fraktionen des Bezirksausschusses Milbertshofen-Am Hart zur Wahl ihres Vorsitzenden schreiten, wissen die wenigsten der 31 Mitglieder, dass sie im Lehrsaal der Gebrüder-Apfelbeck-Halle des TSV Milbertshofen ein Stück Münchner Kommunalgeschichte schreiben werden. Denn weil sich SPD und Grüne über den ersten Stellvertreter nicht einigen können, avanciert die CSU in der roten Hochburg zum Königsmacher und wählt mit Helmut Jahraus den ersten grünen Vorsitzenden eines Münchner Stadtteilgremiums.

Damals war das ein bemerkenswerter, aber einmaliger tanzender grüner Fleck auf einer ansonsten rot-schwarz gesprenkelten Stadtkarte. Bis zur bisher letzten Bezirksausschuss-Wahl 2014 hat sich daraus tatsächlich ein bunter Flickenteppich entwickelt, legt man die Parteizugehörigkeit des Vorsitzenden zugrunde - mit einem rosa Punkt in der Stadtmitte, mit einer grünen Achse in immerhin schon fünf Stadtbezirken, mit immer noch starken roten Hochburgen im Norden und auf einer Südachse in der Innenstadt sowie mit schwarzen Schwergewichten am Stadtrand.

Anders als 18 Jahre zuvor spiegelte die Wahl der Basisgremien 2014 tatsächlich die stark verschobenen Kräfteverhältnisse in den Gremien wider, auch wenn die fünf grünen Vorsitzenden in keinem ihrer Bezirksausschüsse aus der jeweils stärksten Fraktion kamen. In der Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt, der Maxvorstadt und Au-Haidhausen, wo sie die relativ meisten Stimmen erzielten, durften die Grünen nicht die Vorsitzenden stellen. Die einstmals rote Stadt vertreten indes seitdem in den 25 Stadtbezirken nur noch zehn SPD-Vorsitzende (2008: 19), und auch das täuscht noch über die vermeintliche Stärke der Genossen: Denn eine absolute Mehrheit hat die SPD nirgendwo mehr hinter sich. Selbst im zuvor tiefroten Moosach mit dem auch 2014 noch besten SPD-Ergebnis brachten es die gewählte, inzwischen als Vorsitzende zurückgetretene Johanna Salzhuber und ihr Team nur mehr auf 42,6 Prozent der Stimmen.

(Foto: SZ)

Stadtweit zeigte sich 2014 einmal mehr, dass sich an der Basis die Kraft einer Persönlichkeit selbst gegen klar andere Mehrheitsverhältnisse durchzusetzen vermag - etwa in der Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt, wo der verstorbene Alexander Miklosy als Führungsfigur der kleinen Rosa Liste (14,0 Prozent) ebenso zum Chef gewählt wurde wie in der Maxvorstadt Christian Krimpmann, dessen CSU dort nur drittstärkste Fraktion geworden war.

Vor der Bezirksausschuss-Wahl 2020 tun sich selbst langjährige Beobachter schwer mit Prognosen, wie sich nach dem Urnengang die Parteienlandschaft von Allach bis Zamdorf in den Stadtteilgremien abbilden wird. Angesichts zahlreicher Kandidaturen kleinerer oder neuer Parteien und Listen zeichnet sich allerdings sehr deutlich ab, dass die Parteienlandschaft wohl weiter zersplittern wird. Ob die Linken in Au-Haidhausen hinter ihrer aus dem Stadtrat profilierten Spitzenkandidatin Brigitte Wolf ausreichend Stimmen versammeln können? Wie es der verstärkt auch in den Stadtbezirken antretenden ÖDP in der Verbindung mit den Freien Wählern oder vereinzelt mit David gegen Goliath ergeht? Wie die erstmals startende Alternative für Deutschland (AfD) oder gar die nur vereinzelt präsente München-Liste abschneidet? Das dürfte sich sehr unterschiedlich entwickeln. In der Gesamtheit werden sich das auseinanderstrebende Parteiensystem und die Erosion der Volksparteien indes auch auf der untersten kommunalpolitischen Ebene wiederfinden.

Ob die SPD in den Stadtvierteln von der Zugkraft eines Oberbürgermeisters profitieren kann, ist nicht ausgemacht. Vereinzelt könnte Dieter Reiters Politik für Bezirksausschuss-Wähler womöglich sogar ein rotes Tuch sein, zumindest wenn diese unter den sprunghaft angestiegenen Verkehrsproblemen leiden oder negative Auswirkungen des massiv gesteigerten Wohnungsbaus abbekommen. Wem werden Münchens Wachstumsprobleme angelastet? Diese Frage, die schon das Wahlergebnis am Marienplatz hoch spannend macht, dürfte in den Stadtvierteln unterschiedlich interpretiert werden - je nachdem, ob man in der hochpreisigen Innenstadt lebt, im edlen Herzogpark oder am Rande Bogenhausens mit seinem im Zuge der Städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme erwarteten Großsiedlungsgebiet. Und im alten Aubing, das mit Freiham und etlichen weiteren Bauvorhaben in den kommenden Jahrzehnten den höchsten Bevölkerungszuwachs der ganzen Stadt und die damit einhergehenden Verkehrsprobleme zu bewältigen hat, ist die Wahrnehmung auf die eigenen Stadtviertelvertreter anders als etwa im In-Viertel Haidhausen oder im Schlachthof-Areal.

Beginnend mit der Ausgabe an diesem Freitag wird die SZ-Stadtviertel-Redaktion in einer Serie vor der Kommunalwahl die Situation in den 25 Münchner Stadtbezirken und in den drei Würmtal-Gemeinden des Landkreises München analysieren. Dabei soll es in täglicher, bunt wechselnder Folge um Zukunftsthemen, Chancen und Probleme ebenso gehen wie um die Menschen, die sich mit den Herausforderungen zu befassen haben.

© SZ vom 02.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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