Kleine Rechenaufgabe: Wenn ein gut 700 Meter langer Güterzug mit Tempo 100 etwa zweieinhalb Minuten braucht, um die vier Kilometer lange Strecke zwischen Daglfing und Johanneskirchen zurückzulegen, wie lange brauchen dann 83? Antwort: etwas mehr als dreieinhalb Stunden, wenn sie alle ohne Abstand hintereinander in dieselbe Richtung fahren würden. Bei 226 Zügen wären es neun Stunden Güterzug-Rattern am Stück, bei 657 käme man auf gut 26 Stunden, mehr als ein Tag. Wäre aber kein Problem, denn in der Realität verteilen sich die Züge ja auf zwei Gleise. Hinzu kommen die Express-S-Bahnen vom und zum Flughafen, jeweils im 15-Minuten-Takt auf zwei weiteren Gleisen.
So sieht der Betrieb auf der Bahnstrecke im Osten Bogenhausens in 30 Jahren nach dem Szenario der Tunnel-Befürworter aus - basierend auf offiziellen Berechnungen, wohlgemerkt. Noch nicht einmal die Deutsche Bahn AG und ihre abgehoben agierenden Vertreter können angesichts solcher Zug-Zahlen ernsthaft vorschlagen, die Strecke nach dem Ausbau oberirdisch zu führen. Diese Zumutung wird den Anwohnern erspart bleiben.
Man muss aber kein Prophet sein, um vorherzusagen, dass die langwierige Suche der Bahn nach ihrer Vorzugsvariante, die sich jetzt noch einmal bis zum Frühjahr 2020 verzögert, auf einen Trog hinauslaufen wird. Das kostet weniger als ein Tunnel, und wenn die Münchner unbedingt einen haben wollen, dann soll ihn halt die Stadt bezahlen. So sieht man es wohl bei der Bahn. Angesichts explodierender Güterzug-Zahlen stellt sich aber schon die Frage, ob es wirklich Aufgabe der Münchner Steuerzahler ist, allein für diesen Tunnel aufzukommen, nur weil die Stadt nebenan ein neues Wohngebiet entwickelt. Müssten nicht vielmehr Bund und EU einspringen, wenn im Münchner Osten ein Güterverkehrsknoten für internationale Warenströme entsteht?
Diese Frage sollten Stadträte und Bezirksausschussmitglieder vielleicht einmal aufgreifen, anstatt nur erleichtert zu sein, dass sich die Variantenauswahl der Bahn bis nach der Kommunalwahl im März verzögert. Auf diese Weise lässt sich der viergleisige Ausbau samt seiner Kosten zwar vielleicht aus dem Wahlkampf heraushalten. Die Probleme aber bleiben ungelöst. Und dass ihre Kommunalpolitiker nur den Kopf in den Sand stecken, haben weder die Münchner Steuerzahler im allgemeinen noch die Anwohner der Bahnstrecke im Besonderen verdient.